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Marine Hitzewellen: Welche Folgen zu warmes Wasser auf das Ökosystem vor Zypern hat

Mit Unterstützung von The European Commission
Immer mehr Korallen sind durch überhitzte Meere bedroht.
Immer mehr Korallen sind durch überhitzte Meere bedroht. Copyright euronews
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Von Denis LoctierEuronews
Zuerst veröffentlicht am Zuletzt aktualisiert
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Das Meer rund um Zypern erwärmt sich immer mehr. Vor allem in den seichten Gewässern. Welche Folgen haben Marine Hitzewellen für die Ökosysteme?

Zypern kämpft gegen immer häufiger gegen extreme Hitze. Nicht nur an Land – auch das umliegende Meer erwärmt sich stark.

Das Forschungsteam des "Cyprus Marine and Maritime Institute" (CMMI), unter der Leitung von Meeresökologe Louis Hadjioannou, hat Euronews eingeladen, die Folgen der Hitzewellen auf die empfindlichen Ökosysteme unter Wasser  zu beobachten.

In einem warmen Meer zu baden, fühlt sich im Urlaub großartig an, doch für das Meeresleben können das verheerende Folgen haben. Wie groß ist die Gefahr für die Unterwasser-Ökosysteme, wenn die Meerestemperaturen immer weiter ansteigen? Und können wir etwas tun, um das Schlimmste zu verhindern? 

Es ist offensichtlich, dass sich die Regionen bei Zypern in Schwierigkeiten befinden. Im vergangenen Jahr noch waren hier teils üppige Seegraswiese vorzufinden, ein Paradies für Meeresschildkröten und Stachelrochen. Heute ist es eine leblose Fläche, übersät mit den Überresten der einst blühenden Schwämme.

"Wir sind ein Hotspot steigender Temperaturen, sowohl außerhalb des Wassers als auch innerhalb des Wassers", sagt Louis Hadjioannou. "Diese steigenden Temperaturen, die immer intensiver, länger anhaltend und höher werden, wirken sich natürlich auf die Organismen aus. Und das Schlimmste, was ihnen passieren kann, dass sie sterben."

Während das einheimische Leben mit der Hitze kämpft, nisten sich fremde Arten aus dem nahe gelegenen Roten Meer ein und stören das Ökosystem.

Mit den steigenden Temperaturen gibt es jetzt viel mehr neue Arten, denen es gelinge, den Suezkanal zu passieren, erklärt Meeresökologe Hadjioannou. "Sie finden günstige Bedingungen vor, um zu gedeihen. Und in vielen Fällen verdrängen diese neuen Arten die einheimischen Arten."

Seit über einem Jahrzehnt verfolgen zypriotische Forscher die steigenden Meerestemperaturen mit speziellen Unterwassersensoren. Die Daten zeigen, dass sich die Gewässer Zyperns das ganze Jahr über erwärmen. Vor allem in den seichten Gewässern, wo alles von den empfindlichen Korallenriffen abhängt.

Die Forschenden fotografieren die Korallen, um Veränderungen im Laufe der Zeit zu dokumentieren.

Veränderung der Nährstoffe mit Folgen für die Artenvielfalt

Das Team von CMMI ist Teil zweier von der EU finanzierter Forschungsprojekte - PUREEF-Y und EFFECTIVE -, die die Auswirkungen von extremer Hitze auf flache Riffe untersuchen. Die Forschenden suchen nach Lösungen, um Ökosysteme am Meeresboden zu schützen – und wiederherzustellen, bevor sie für immer verloren gehen.

"Durch die Entnahme von Kernproben des Sediments oder der Riffe kann man verstehen, wie das Klima in der Vergangenheit war und zwar von der Unterseite der Probe aus" erklärt Hadjioannou. "Dann geht man den ganzen Weg durch die Kernprobe nach oben, um zu verstehen, wie es sich im Laufe der Jahre verändert hat, bis heute."

Die Analyse der Sedimente zeigt, wie sich Hitzewellen etwa auf den Verschmutzungsgrad auswirken. CMMI-Meeresbiologin Eleni Christoforou sagt, dass man auch die Meiofauna im Sediment untersuche, also "kleine Organismen, deren Artenvielfalt stark von der Temperatur, den Nährstoffen und anderen Bedingungen abhängt". Viele Arten könnten sogar aussterben, weil das Wasser oder das Sediment zu heiß sei "oder sich die Nährstoffe aufgrund des Klimawandels und der Hitzewellen verändert haben".

Die dramatische Lage in den Gewässern rund um Zypern ist nur ein Beispiel für ein weltweites Phänomen, das von den Ozeanographen von Mercator Ocean International im französischen Toulouse beobachtet wird.

Die Ozeanographin Dr. Karina von Schuckmann, die sich auf die Überwachung des Meeresklimas spezialisiert hat, erklärt, welche Folgen die immer häufiger auftretenden Hitzewellen haben.

Marine Hitzewellen können auftreten, weil es Hitzewellen in der Atmosphäre gibt. Wir haben also diese Wechselwirkung zwischen der Atmosphäre und dem Ozean. Dieser erwärmt sich, der Wind wird schwächer usw., was diese Bedingungen begünstigt. Zuletzt hat der Weltklimarat festgestellt, dass die Extreme im Allgemeinen zunehmen – wir haben eine höhere Intensität, und auch die Häufigkeit dieser Extreme nimmt zu.
Karina von Schuckmann
Ozeanographin

Mittelmeerraum erhitzt sich immer stärker

Marine Hitzewellen - also, längere Perioden mit ungewöhnlich hohen Meerestemperaturen - gibt es weltweit immer häufiger. Sie haben Folgen für die Ökosysteme, für Fischerei, Aquakultur und Tourismus und können Wochen, Monate oder sogar Jahre andauern. Im Mittelmeerraum steigen die Temperaturen an der  Meeresoberfläche seit den 1980er Jahren kontinuierlich an – ein Trend, der sich im 21. Jahrhundert fortsetzen dürfte.

Zum besseren Verständnis und zur Vorhersage von Hitzewellen im Meer hat Mercator Ocean Computermodelle entwickelt. Diese richten sich nach dem "Copernicus Marine Service", ein Teil des Copernicus-Programms der EU.

Welche Auswirkungen hat eine zerstörte Artenvielfalt auf uns?

"Wir sammeln alle verfügbaren Beobachtungen, also Satellitendaten und sogenannte In-situ-Messungen, d. h. Messungen auf See, mit autonomen Bojen, Schiffen und allen Arten von Messinstrumenten", erklärt Ozeanographin Marie Drevillon von Mercator Ocean International. "Wir integrieren all diese Beobachtungen in eine Modellierungslösung. Wir erstellen eine Vorhersage für die nächsten zehn Tage, so dass wir wissen, ob es in einer Woche an der gleichen Stelle immer noch eine Marine Hitzewelle geben wird oder ob sie sich in die eine oder andere Richtung entwickeln wird. Und wir veröffentlichen jede Woche Berichte, um über den aktuellen Stand der Dinge zu informieren.

Der Generaldirektor von Mercator Ocean International, Pierre Bahurel, erläutert, dass man verstehen müsse, welche Artenvielfalt dauerhaft zerstört werde, "welche Auswirkungen das auf uns hat, welche Veränderungen das für die großen Gleichgewichte mit sich bringt und vor allem, wie wir verhindern können, dass die Katastrophe, die wir dem Ozean angetan haben, weitergeht".

Hilfe durch Korallen-Baumschulen

Auf Zypern bereiten sich die Forscher darauf vor, Teile von Korallen in einer schwimmenden Unterwasser-Aufzuchtstation zu installieren. Wissenschaftler schätzen, dass 90 Prozent der weltweit verbliebenen Korallenriffe bis 2050 verloren gehen könnten.

Um die Widerstandsfähigkeit der Riffe zu stärken, experimentiert das Team von Louis Hadjioannou mit Korallen-Baumschulen. Sie setzen Teile gefährdeter Korallenarten in einen Bereich, wo sie vor Raubtieren geschützt sind. Ziel ist es, dass diese Korallenfragmente in der geschützten Aufzuchtstation wachsen und später auf den Meeresboden verpflanzt werden, um die Regeneration gesunder Ökosysteme zu unterstützen.

Hadjioannou führt uns zu einer Plattform, die fünf Meter unter der Wasseroberfläche hängt. "Hier sind wir bei der schwimmenden Aufzuchtstation, erklärt der Meeresökologe. Es ist das erste Mal, dass wir diese Art von schwimmenden Aufzuchtanlagen im Mittelmeer für eine Art testen. Wir werden die Korallen installieren und sie mindestens ein Jahr lang mit Hilfe von Photogrammetrie und anderen visuellen Methoden überwachen."

Es bleibt abzuwarten, wie gut sich diese Korallen in dem sich erwärmenden Meer behaupten werden. Jetzt sei die Hauptzeit der Hitzewellen", sagt Hadjioannou. "Wir werden weiterhin weitere Korallenfragmente auf der schwimmenden Aufzuchtstation zu verschiedenen Jahreszeiten aussetzen und installieren, um zu sehen, wie sie sich verhalten werden.

Man sei sich inzwischen sicher, dass das Meer in 10-20 Jahren anders aussehen werde, so Hadjioannou. "Wir bemühen uns, zumindest einige der Schlüsselarten zu retten, die die übrige Artenvielfalt zu unterstützen, in der Hoffnung, dass der Wandel, der mit Sicherheit kommen wird, nicht so schlimm oder tödlich für die Meeresbewohner sein wird."

Doch vielen Arten läuft die Zeit davon, denn der Ozean heizt sich immer weiter auf.

Journalist • Denis Loctier

Cutter • Jean-Christophe Marcaud

Weitere Quellen • Data collection infographic: © Balearic Islands Coastal Observing and Forecasting System (SOCIB), animation: © Mercator Ocean

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