Junge Franzosen haben kein Vertrauen in die Politik

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Von Euronews
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Sie sind Franzosen. Sie sind jung und sie fragen sich, warum. Warum sie trotz guter Ausbildung keine Arbeit finden. Und warum sie nicht die gleiche Lebensqualität wie ihre Eltern haben, auch wenn sie Arbeit finden. Und angesichts der bevorstehenden Präsidentschaftswahlen fragt sich diese Generation Y, warum sie Politiker wählen soll, die kaum Lösungen auf diese Fragen finden.

Sie sind die Generation der unter 30-jährigen, rund 13 Millionen Menschen in Frankreich, das entspricht einem Fünftel der Bevölkerung. Aufgrund ihrer Affinität zum Internet werden sie auch “Digital Natives” genannt – denn sie sind vernetzt und haben Köpfchen. Aber sie haben auch zunehmend das Gefühl von der älteren Generation im Stich gelassen zu werden, wenn es darum geht, ihnen bei der Arbeits- oder Wohnungssuche zu helfen oder Verantwortung zu übernehmen.

Ophelie Latil ist 28 Jahre alt. Sie ist im Begriff, einen befristeten Arbeitsvertrag mit wenig Aussichten auf Festanstellung zu beenden. Auch sie gehört zu der Generation Praktikum oder “Génération Précaire” wie man in Frankreich sagt. Eine Generation, die ihrer Meinung nach, zunehmend geopfert wird. Denn sie zahlen nicht nur für die Wirtschaftskrise, sondern auch für die Rente der Babyboom-Generation.

Michael Attia ist 29 Jahre alt und arbeitslos. Das Start-up-Unternehmen, bei dem er die letzten 18 Monate arbeitete, ging Bankrott. Wie Ophelie gehört er zu der Bewegung “Génération Précaire”. Und auch er glaubt, dass seine Generation überqualifiziert, aber unterbezahlt ist.

Angesichts der bevorstehenden Präsidentschaftswahlen hatten sie die originelle Idee, die Kandidaten zu bewerten. “Standard and Poor’s”, “Moody’s and Fitch”: Diese Namen symbolisieren die Frustration über den Kontrollverlust über die Ratingagenturen, die jahrzehntelang alles bewertet haben – angefangen von Banken, über Produkte bis hin zu Ländern.

Aber die Generation Praktikum hat eine Antwort gefunden: “Young and Poor” ist eine neue Agentur, die jeden Präsidentschaftskandidaten anhand seiner Wahlkampfvorschläge für die Jugend bewertet – von Beschäftigungsmöglichkeiten bis hin zur sozialen Integration. Die Gesamtnoten sind nicht gut.

Aber wie überzeugt man junge Menschen davon, dass die aktuellen Präsidentschaftskandidaten auch sie repräsentieren? Eine kürzlich durchgeführte Meinungsumfrage ergab, dass nur 20 Prozent der jungen Generation glauben, dass die Politik ihr Leben verbessern kann. Dieses Ziel verfolgt die Vereinigung “ACLEFEU” zu deutsch “das Feuer stoppen”. Sie wurde aus der Frustration des Jahres 2005 geboren, als in Vorstädten von Paris Unruhen und Feuer ausbrachen – in Problemvierteln, die für hohe Arbeitslosigkeit, Gewalt und Ausgrenzung bekannt sind.

Wie überall in Europa sind in Frankreich die unter 30-Jährigen am stärksten von der Wirtschaftskrise betroffen. Eine Generation, für die Arbeit an erster Stelle steht. Ein Anliegen, das nicht auf die Stadt begrenzt ist. In der Nähe der französischen Stadt Bourg-en-Bresse, nicht weit von der Schweizer Grenze, unterhält Gael Teissier zusammen mit seiner Tante und seinem Onkel eine Ziegenfarm. Er ist 26 Jahre alt. Gael ist glücklich. Er liebt seinen Hof, auch wenn es harte Arbeit ist. Hohe Steuern, schwankende Marktpreise und die mangelnde politische Unterstützung für eine Branche, die lange Zeit der Stolz Frankreichs war, hat Gael skeptisch gegenüber Wahlversprechen werden lassen.

Etwas zu ihrer Zukunft zu sagen haben – das ist der rote Faden zwischen der jungen Generation auf dem Land und in der Stadt. In den letzten 20 Jahren hat sich die Zahl der jungen Landwirte unter 30 Jahren um mehr als die Hälfte halbiert. Derzeit wollen weniger als 25.000 Menschen in der Landwirtschaft arbeiten.

Aber genauso wie seine Altersgenossen in der Stadt glaubt Gael, dass Wählen der beste Weg ist, um gehört zu werden.

Aktiv werden, seine Zukunft in die Hand nehmen. Das ist die Idee hinter diesem kleinen Pariser Start-up-Unternehmen, dass Praktikaplätze vermittelt und so sowohl Unternehmen wie Studierenden hilft.
Es ist ein wachsendes Geschäft. In den vergangenen vier Jahren ist die Zahl der Praktikaplätze von 800.000 auf 1,5 Millionen gestiegen. Amaury Montmoreau kümmert sich um den Schutz der Praktikanten: “Ich war selbst Praktikant. Ich bin die ganze Zeit mit Praktikanten in Kontakt. Ich telefoniere jeden Tag mit ihnen und ich weiß, dass es nicht immer einfach ist. Aber es gibt einen Mentalitätswandel. Immer mehr Menschen sehen den Wert eines Praktikums für den Studenten und seine Ausbildung.”

Kevin Goncalves ist Student der Wirtschaftswissenschaften. Er stimmt mit Amaury darin überein, dass Praktika notwendig sind, um einen Arbeitsplatz zu bekommen. Vor allem, da die Arbeitslosenquote unter jungen Franzosen fast 22 Prozent beträgt. Sie ist nicht so hoch wie in anderen europäischen Ländern, aber mehr als doppelt so hoch wie der französische Durchschnittswert. Kevin sagt: Jetzt wird über dieses Phänomen – die sogenannte Generation Y – gesprochen. Ein Begriff, der aus den sozialen Netzwerken, aus dem Internet, der Welt der Mobiltelefone kommt, die dich in Echtzeit mit der ganzen Welt, mit Ereignissen verbinden. Und es stimmt, dass Politiker, auch wenn sie aus irgendwelchen Eliteschulen kommen, immer der Zeit etwas hinterherhinken. Es stimmt, dass Jugend und Arbeit zu den wichtigsten Wahlthemen gehören, aber das reicht nicht aus. Schaut man sich die Wahlkampfprogramme an, dann gibt es zu diesen Themen zwar etwas, aber es ist nicht sehr konkret und es reicht einfach nicht.”

Die nächste Generation nicht zu verstehen, ist nichts Neues. Allerdings wird damit gerechnet, dass in Frankreich die Zahl der jugendlichen Nichtwähler ein Rekordniveau erreicht: Mehr als ein Drittel von ihnen werden voraussichtlich nicht zur Wahl gehen.

Ein Zeichen dafür, dass Politiker Antworten für die nächste Generation finden müssen.

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