"Ekelhafter Rassismus" - Belgiens Kolonialvergangenheit vor Gericht

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Von Gregoire Lory
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60 Jahre lang haben sie geschwiegen - jetzt verlangen in den 1940er Jahren in Belgisch-Kongo geborene Mischlinge Wiedergutmachung für ein Leben in Scham, Erniedrigung und Freiheitsentzug. Ihr Anwalt spricht von "ekelhaftem Rassismus"

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60 Jahre lang haben sie geschwiegen. In dieser Zeit haben sie vor ihren Familien ihre Erlebnisse versteckt.

Ihr Verbrechen? Sie sind Kinder eines weißen Vaters und einer schwarzen Mutter.

Als Mischling im damals noch belgischen Kongo der 40 Jahre geboren worden zu sein, war fast schon strafbar.

Gerade mal zwei oder drei Jahre waren sie alt, als sie ihren Eltern entrissen und in die Obhut von Missionaren gestellt wurden.

Fünf dieser Opfer klagen jetzt den belgischen Staat eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit an.

Man habe sie Kinder der Sünde genannt, da damals eine gemischte Beziehung nicht toleriert worden sei, sagt Léa Tavares Munjinga.

Andere Schimpfnamen seien Kinder der Prostitution oder Milchkaffee gewesen.

Darunter habe sie als Kind sehr gelitten.

Sie seien von allem ausgeschlossen gewesen - und so habe sie sich auch gefühlt.

Weder weiß, noch schwarz - als Teenager gehörten sie keiner Gruppe an.

Als der Kongo dann 1960 unabhängig wurde, wurden sie ein zweites Mal fallengelassen.

Die Missionare durften nach Belgien, die Kinder blieben zurück. Und die Mädchen unter ihnen wurden nur allzu oft Opfer von Mißhandlungen.

Sie hätten gedacht, in der Mission seien sie sicher gewesen. Doch dann seien Milizen gekommen. Diese hätten sie ausgezogen und ihre Beine gepreizt. Dann hätten sie ihnen Kerzen ins Geschlechsteil gesteckt, um zu zeigen, wie Frauen Kinder zur Welt brächten, sagt Simone Ngalula.

Im vorigen Jahr entschuldigte sich der belgische Ministerpräsident im Namen des Landes. Doch dies reicht den Opfern nicht.

Ihr Anwalt kritisiert, hinter den Kindesentführungen habe ein System gesteckt.

Die Regierung lehnte einen Kommentar zu einem laufenden Verfahren ab.

Diese Politik sei systematisch auf der Basis von Erlassen organisiert worden. Und zwar von einer Institution, die eigens zum Zwecke dieser Kindesentführungen gebildet worden sei, so der Anwalt Christophe Marchand.

Warum? Weil die Befürchtung bestand, sie könnten als Mischlinge gegen die belgischen Interessen handeln. Dies sei der ekelhafteste Rassismus, de man sich vorstellen könne.

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Die Mädchen von damals sind heute Frauen, die Wiedergutmachung verlangen.

Doch sie wollen auch einen verlorenen Teil ihrer Identität wiedererlangen, den sie bis jetzt verschwiegen haben.

Dies seien Dinge, die sie bis heute traurig machten. Es bedürfe eines großen Mutes, darüber zu sprechen, vor allem mit ihren Kindern, sagt Marie-Josée Loshi - und dabei kommen ihr die Tränen.

Journalist • Stefan Grobe

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