Das Mineralienabkommen, über das Kyjiw und Washington derzeit verhandeln, wird in Brüssel genau geprüft werden, um festzustellen, ob es mit dem Beitrittsprozess der Ukraine vereinbar ist, oder nicht, so die Europäische Kommission.
Das überarbeitete Partnerschaftsabkommen zwischen den USA und der Ukraine lässt Befürchtungen wieder aufleben, dass es die Ambitionen des Landes auf einen Beitritt zur EU zunichte machen könnte. Damit könnte Washington ein Veto-Recht gegenüber der Beteiligung anderer Kyjiw-Verbündeter in diesem Bereich verschafft werden, was somit die EU-Beitrittsbestrebungen des Landes gefährden würde.
Der Beitrittsprozess verlangt von den Kandidatenländern eine schrittweise Angleichung an das EU-Recht, einschließlich der Grundprinzipien des fairen Wettbewerbs und der Nichtdiskriminierung.
Nach dem aktuellen Entwurf setzen die USA darauf, die Kontrolle über alle wichtigen zukünftigen Investitionen in die ukrainische Infrastruktur und die Ausbeutung lokaler Rohstoffe zu erlangen.
"Man hat uns mitgeteilt, dass ein solches Abkommen unter dem Gesichtspunkt der Beziehungen zwischen der Ukraine und der EU und vor allem im Hinblick auf die Beitrittsverhandlungen geprüft werden muss", so Paula Pinho, die Hauptsprecherin der Kommission, am Freitag auf einer Pressekonferenz.
Pinho warnte davor, dass jegliche Schlussfolgerungen zum jetzigen Zeitpunkt "reine Spekulation" seien, da das Abkommen noch zwischen ukrainischen und amerikanischen Beamten diskutiert werde. Die Kommission werde Kyjiw auf Wunsch juristischen Beistand" anbieten, sagte Pinho.
"Wir können keine Bewertung vornehmen, solange es kein konkretes Abkommen gibt, in dem Buchstaben schwarz auf weiß stehen und das uns eine Bewertung der Auswirkungen aus den verschiedenen politischen Blickwinkeln ermöglicht."
USA hätten demnach Veto-Recht
Der Kommentar kommt einen Tag, nachdem Bloomberg und die Financial Times neue Details über die jüngste Fassung des Abkommens enthüllt haben, die das Weiße Haus vorgelegt hat. Diese enthält weitreichende Konzessionen, durch die die USA (durch einen gemeinsamen Investitionsfonds) eine noch nie dagewesene Kontrolle über die natürlichen Ressourcen der Ukraine erhalten würde.
Der Entwurf sieht vor, dass der Vorstand des Fonds aus fünf Mitgliedern besteht: drei von den USA ernannte und zwei aus der Ukraine. In der Praxis würde dies Washington ein effektives Vetorecht bei wichtigen Entscheidungen über neue Infrastruktur- und Rohstoffprojekte geben.
Straßen, Eisenbahnen, Häfen, Bergwerke, Öl, Gas und die Gewinnung kritischer Mineralien würden alle in den Geltungsbereich der neuen Struktur fallen.
Die Ukraine wäre verpflichtet, dem Fonds alle neuen Projekte "so früh wie möglich" zur Prüfung vorzulegen, berichtete Bloomberg. Sollte das Projekt abgelehnt werden, wäre die Ukraine nicht mehr in der Lage, es anderen Parteien zu "wesentlich besseren" Bedingungen anzubieten.
Außerdem hätten die USA das Recht, alle Gewinne aus dem Fonds und eine jährliche Rendite von vier Prozent zu kassieren, bis die der Ukraine geleistete Militär- und Finanzhilfe vollständig zurückgezahlt ist. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft schätzt den Wert der amerikanischen Unterstützung seit dem Beginn der russischen Invasion auf 114 Milliarden Euro.
Das "Payback"-Modell stand im Mittelpunkt von Donald Trumps Motivation, das Abkommen zu unterzeichnen.
Interessenkonflikt gegenüber der EU?
Während es ukrainischen Beamten gelang, die ersten Vorschläge der USA vom Februar zu verwässern, bis ein Text vorlag, der als schmackhaft angesehen wurde, scheint die jüngste Version die drakonischen Bedingungen wieder aufzunehmen, die die Ukraine und ihre Verbündeten schockierten und Befürchtungen schürten, dass sie die Bestrebungen des Landes, Mitglied der EU zu werden, gefährden würden.
Indem amerikanischen Unternehmen ein gesetzlich verankertes "Recht auf ein erstes Angebot" eingeräumt wird, steht das Abkommen in direktem "Widerspruch" zu den Wettbewerbs- und Binnenmarktregeln der EU, die einen fairen und gleichberechtigten Zugang für alle Wirtschaftsakteure unabhängig von ihrer Nationalität vorsehen, so Svitlana Taran, politische Analystin am European Policy Centre (EPC),
"Es sollte einen offenen Wettbewerb für alle Investoren in den Projekten geben", so Taran gegenüber Euronews. "An offenen Ausschreibungen sollten EU-Unternehmen und amerikanische Unternehmen teilnehmen und zu gleichen Bedingungen konkurrieren", fügte sie hinzu. "Ich sehe da einen Interessenkonflikt."
Taran glaubt, dass die Ukraine die Verhandlungen fortsetzen wird, bis das Abkommen "akzeptabel" wird und die Bedenken bezüglich der EU-Mitgliedschaft nachlassen, auch wenn unklar ist, wie viel Gewicht diese Bedenken bei den Überlegungen des Weißen Hauses haben werden.
"Die in den vorherigen Versionen vereinbarten Bestimmungen wurden mit den ukrainischen Interessen in Einklang gebracht", so die Analystin. "Jetzt ist es wieder unausgewogen zugunsten der Vereinigten Staaten".
Die Trump-Regierung hat das Mineralienabkommen als eine Art wirtschaftliche Abschreckung gegen künftige russische Aggressionen angepriesen. Präsident Wolodymyr Selenskyj hat jedoch wiederholt gewarnt, dass Wladimir Putin seiner expansionistischen Agenda Vorrang vor amerikanischen Interessen einräumen würde.
In seiner Rede am Donnerstag nach einem Treffen der "Koalition der Willigen" in Paris beklagte Selenskyj, dass sich die Bedingungen des Abkommens "ständig" änderten, versprach jedoch, dass sein Team in den Verhandlungen "konstruktiv" bleiben werde, um Gegensätze zu vermeiden, die zu einer erneuten Aussetzung der Militärhilfe und des Austauschs von Geheimdienstinformationen führen könnten.
"Ich dachte, wir hätten bereits vereinbart, dass es ein Rahmenabkommen geben würde. Aber soweit ich weiß, arbeiten die ukrainischen und amerikanischen Teams jetzt daran, weil Amerika jetzt die Regeln ändert und vorschlägt, das Abkommen sofort zu unterzeichnen", sagte Selenskyj gegenüber Reportern.
"Aber ich möchte nicht, dass die Vereinigten Staaten den Eindruck haben, dass die Ukraine generell dagegen ist. Wir haben stets positive Signale gegeben: Wir unterstützen die Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten. Wir wollen keine Signale aussenden oder die Vereinigten Staaten ermutigen, die Hilfe für die Ukraine einzustellen oder den Austausch von Informationen zu beenden. Das ist entscheidend für uns."