Deutschland plant mit anderen europäischen Staaten ein Treffen mit dem Iran in Genf, um über die Atomprogramme zu verhandeln. Wird der Iran mitten im Krieg mit Israel etwa doch Atom-Zugeständnisse machen? Experten erwarten schon jetzt "keinen Durchbruch".
Deutschlands Außenminister Johann Wadephul (CDU) möchte eine diplomatische Initiative zur Deeskalation des Krieges zwischen Israel und dem Iran leisten. Am Freitag finden deshalb Gespräche mit dem Iranischen Außenminister Abbas Araghchi statt.
Deutschland, Frankreich, Großbritannien und die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas werden mit dem Iran über ein neues Atomabkommen verhandeln. Ziel ist es, die Bedenken zur Nuklearaufrüstung auszuräumen.
Ort und Zeit hält das Auswärtige Amt bisher geheim. Die Gespräche: streng vertraulich. Wie Euronews aus Diplomatenkreisen erfuhr, stünde das deutsche Außenministerium allerdings in vertraulicher Abstimmung sowohl mit den USA als auch mit Israel. Vertreter beider Staaten sitzen jedoch selbst nicht am Tisch.
Die drei Länder hatten schon zuvor mehrmals Atom-Gespräche mit Teheran geführt. Es handelt sich dabei also um ein spontanes Fortsetzungsgespräch mitten im verschärften Nahostkonflikt.
Auch die USA hatten mit dem Iran Verhandlungen über ihr Atomprogramm geführt. Doch seit dem militärischen Schlag Israels gegen den Iran, weil dieser seine nukleare Aufrüstung weiter voranbringe, liegen die von den USA geführten Treffen auf Eis. Teheran beharrt darauf, Uran weiterhin für zivile Zwecke anreichern zu dürfen, während die USA auf einem vollständigen Stopp der Anreicherung bestehen.
Deutschlands diplomatische Initiative überraschte
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) teilte mit: "Ich unterstütze die intensiven Bemühungen von Bundesaußenminister Wadephul und seinen Amtskollegen aus Frankreich und Großbritannien gegenüber Iran". Iran sei aufgerufen, "schnell ein Abkommen" auszuhandeln. "Dazu wollen wir unseren diplomatischen Beitrag leisten."
Für einige Beobachter erscheint diese deutsche Initiative dennoch etwas überraschend. Vor wenigen Tage meinte Merz, Israel würde mit seinem militärischen Agieren gegen das Mullah-Regime die "Drecksarbeit" für alle machen.
"Wir hätten sonst möglicherweise Monate und Jahre weiter diesen Terror dieses Regimes gesehen und dann möglicherweise auch noch mit einer Atomwaffe in der Hand", sagte Merz.
Außenpolitischer Sprecher der CDU: "neuer Weg für Verhandlungen"
Zu Euronews sagte der außenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Jürgen Hardt (CDU), „Ziel der Bemühungen von Außenminister Wadephul" sei es, gemeinsam mit den europäischen Partnern, "einen neuen Weg für substanzielle Verhandlungen auszuloten".
Hardt: "Der Iran weiß seit Freitag, dass er die Atombombe niemals gegen das entschlossene militärische Handeln erlangen kann. Es ist aus Sicht des Iran klug, das Programm jetzt endgültig aufzugeben und im Gegenzug die Lockerung von Sanktionen zu erreichen."
Deshalb sei es "den Versuch wert" in Genf. "Ob dieser Weg tatsächlich gangbar ist, bleibt abzuwarten. Weder Israel, noch die USA, noch die Europäer werden sich länger vom Iran an der Nase herumführen lassen", sagt CDU-Politiker Hardt weiter.
Was kann man von dem Treffen am Freitag erwarten?
Im Interview mit Euronews erklärt der Politikwissenschaftler Josef Braml: "Realistisch betrachtet wird es kein Durchbruchstreffen sein."
Doch: "Es kann ein Signal setzen: dass der Westen trotz militärischer Spannungen bereit ist, über Sicherheitsgarantien und nukleare Transparenz zu verhandeln." Entscheident werde sein "ob der Iran bereit ist, 'vertrauensbildende und nachprüfbare Maßnahmen' zu akzeptieren – z.B. durch internationale Inspektionen oder eine Begrenzung der Urananreicherung."
Deshalb sei das Treffen in Genf "außenpolitisch klug, notwendig – und hoffentlich noch nicht zu spät", so Braml.
Kann ein Vertrag garantieren, dass Iran keine Atombombe entwickelt?
"Ein Vertrag allein kann keine absolute Sicherheit bieten", meint Politik-Experte Braml.
Aber: "Ein robustes, multilaterales Abkommen mit klaren Kontrollmechanismen – wie das JCPOA von 2015 – kann die Schwelle zur Bombe deutlich erhöhen. Entscheidend ist die Kombination aus technischer Überwachung (IAEA-Inspektionen), politischem Druck und wirtschaftlichen Anreizen. Ohne Vertrag gäbe es keinerlei Transparenz."
Das JCPOA („Gemeinsamer umfassender Aktionsplan“) ist ein Atomabkommen, das 2015 zwischen dem Iran und den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates – China, Frankreich, Russland, Vereinigtes Königreich, USA – plus Deutschland) sowie der Europäischen Union geschlossen wurde. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) überwacht das iranische Atomprogramm.
Die Atomverhandlungen der letzten Jahre hätten "durchaus Erfolge" zwischen 2015 und 2018 gehabt, so der USA-Experte weiter. "Die iranische Urananreicherung wurde dadurch stark begrenzt und unter internationale Kontrolle gestellt."
"Appeasement-Politik wird bei Chamenei nicht funktionieren"
Der deutsch-persisch-israelische Politologe Arye Sharuz Shalicar macht gegegenüber Euronews deutlich, dass auch er der Ansicht ist, dass am Freitag kein diplomatischer Durchbruch stattfinden werde. Shalicar ist Sprecher der Israelischen Streitkräfte (IDF) in Reserve und Betreiber des Podcast „Nahost Pulverfass - Kriegsbericht aus Israel”.
„Das ganze wieder in Richtung Appeasement zu scheiben und irgendwelche diplomatischen Kanäle aufzusuchen hat die Weltgemeinschaft doch in den letzten 20 Jahren versucht. Letztlich sieht man in welche Richtung das Mullah-Regime trotz allem geht", meint Shalicar.
Shalicar erklärt: "In den letzten sechs Monaten unter der Trump-Administration sind ganze fünf Gesprächsrunden gelaufen – und am Ende haben selbst die US-Amerikaner, obwohl sie ihnen alle Chancen gaben, festgestellt, dass das Mullah-Regime null Interesse hat zu kooperieren."
Hinzu komme, dass "die Internationale Atomernergiebehörde eindeutig und unmissverständlich vorgelegt hat, dass der Iran seinen Verpflichtungen nicht nach kommt und den Atomsperrvertrag verletzt hat."
Dies gleiche einer "Kriegserklärung und ist gegen das Völkerrecht". "Deswegen blieb Israel nichts anderes übrig als anzugreifen. Wir haben Worte und Taten des Regimes der letzten Jahrzehnte gesehen. Zum einen Aussagen, dass sie die Existenz Israels vernichten wollen. Zum anderen wie sie tatsächlich das Nuklearprogramm nach vorne geprescht haben."
Der Politolge ist fest überzeugt: "Appeasement hat damals bei Hitler nicht funktioniert, der den Holocaust in den Weg geleitet hat, und Appeasement wird auch bei Chamenei nicht funktionieren."
Wie groß ist die Gefahr, dass der Iran trotz Abkommen Atomwaffen herstellt?
Auch Politik-Experte Josef Braml sagt: "Gleichwohl besteht die Gefahr, dass der Iran trotz Abkommen Atomwaffen entwickelt."
Heute befindet sich das von dem islamistischen Mullah-Regime geführte Land näher am Bau einer Atombombe als je zuvor, vermuten einige Experten und Staatsführer. Das Mullah-Regime hat sein Atomprogramm in den letzten sechs Jahren ausgeweitet und sich damit über die JCPOA-Bestimmungen weggesetzt.
Die Islamische Republik rechtfertigt dies mit dem Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen unter Donald Trump 2018. Trump wollte damals "einen besseren Deal" als sein Vorgänger Barack Obama möglich machen. Der US-Präsident hat deshalb 2025 erneut Verhandlungen mit dem Iran aufgenommen – zeitweise standen beide sogar kurz vor einer vorläufigen Vereinbarung.
Der Poitikwissenschaftler Braml ist der Ansicht: "Die Gefahr bleibt bestehen – vor allem, wenn der Iran das Gefühl hat, dass internationale Abkommen nicht eingehalten werden. Vertrauen ist hier keine moralische Kategorie, sondern ein sicherheitspolitisches Kalkül. Je mehr der Iran außenpolitisch isoliert ist, desto größer wird der Anreiz, sich durch nukleare Abschreckung zu schützen."
Besonders die Internationale Atomenergieorganisation (IAEA) betonte in den letzten Monaten ihre Besorgnis. IAEA-Chef Rafael Grossi warnte, dass das Mullah-Regime Uran in einem Ausmaß anreichere, das höher läge als in allen anderen Nicht-Atomwaffenstaaten. Konkret reichere die Islamische Republik Uran auf bis zu 60 Prozent an und verfüge Stand Februar 2025 über einen Bestand von 7.464 kg angereicherten Uran. Dies sei funfundzwanzig Mal so viel wie die JCPOA zulässt.
Vor Atom-Treffen verschärft sich Konflikt: "Chamenei darf nicht weiter existieren"
Vor dem Treffen in Genf verschärft sich der Konflikt weiter. Nach den jüngsten iranischen Raketenangriffen hat Israels Verteidigungsminister Israel Katz eine Drohung gegen den Obersten Iranischen Führer Ajatollah Ali Chamenei ausgesprochen.
"Ein Diktator wie Chamenei, der an der Spitze eines Landes wie dem Iran steht und die Zerstörung Israels zu seiner Aufgabe gemacht hat, darf nicht weiter existieren", sagte Katz. Die Streitkräfte seien "angewiesen und wissen, dass dieser Mann absolut nicht weiter existieren darf, damit sie alle ihre Ziele erreichen".
Laut US-Medienberichten habe Israel konkrete Pläne zur Tötung Chameneis. US-Präsident Donald Trump habe jedoch bisher sein Veto dagegen eingelegt. Trump selbst erklärte, er wüsste wo Chamenei sich aufhalte, aber es gäbe keine Plane ihn zu töten, "zumindest nicht im Moment".