Venezuela nach Chávez

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Von Euronews
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Der Tod des nahezu allmächtigen venezolanischen Staatschefs Hugo Chávez stellt das Land vor eine große Herausforderung. Seinen Weggefährten obliegt es, das poltische Erbe zu verwalten. Doch ein Überleben des Chavismus ohne Chávez scheint nur schwer möglich.

Verabschieden konnte sich “El Commandante” nicht mehr. Einen Wunschnachfolger hat er wohl hinterlassen, Nicolás Maduro, der während seiner monatelangen Abwesenheit stellvertretend das Land führte. Bei den Neuwahlen in spätestens 30 Tagen wird er als Spitzenkandidat der Regierungspartei vermutlich auf Oppositionsführer Henrique Capriles Radonski stoßen. Der Gouverneur von Miranda war Chávez bei der Wahl im Oktober 2012 unterlegen.

Chavez hinterlässt eine durchwachsene Bilanz. Den armen Bevölkerungsschichten verschaffte er Zugang zu Bildung und medizinischer Versorgung. Doch gelang es ihm nicht, trotz immenser Einnahmen aus dem Erdölgeschäft ein effizientes Wirtschaftssystem aufzubauen. Venezuela ist das Land mit den größten nachgewiesenen Ölvorkommen der Welt. Dennoch muss es 80 Prozent seiner Lebensmittel einführen. Die Inflationsrate dürfte in diesem Jahr auf knapp 30 Prozent steigen.

Stellt sich die Frage, ob Venezuela nach Chávez am sozialistischen Kurs festhalten, oder vom bolivarischen Pfad abweichen wird. Dazu könnte auch eine vorsichtige Annäherung an die USA gehören.

Chavez Rolle als eine der schillerndsten und einflussreichsten politischen Figuren Lateinamerikas wird so schnell keiner übernehmen.

euronews-Reporter Louis Carballo sprach mit dem Direktor von “Tal Cual”, einer der renommiertesten Tageszeitungen des Landes, über die Zukunftsperspektiven, die sich nach dem Tod von Hugo Chavéz für das Land eröffnen.

Louis Carballo, euronews: “Trotz einer fraglichen Wirtschaftsbilanz war Hugo Chávez ein Meister der Wiederwahl. Er wurde insgesamt dreimal zum Präsidenten gekürt und genoss bis zuletzt den Zuspruch von rund 70 Prozent der Bevölkerung. Wie erklären Sie diese Beliebtheit?”

Teodoro Petkoff: “Nun gut, wäre er der einzige seiner Art in der Geschichte der Menschheit gewesen, hätten wir in der Tat Grund, darüber zu grübeln. Aber es gab schon immer politische Anführer, denen es gelang, eine affektive und emotionale Beziehung zum Volk aufzubauen. Das sind Menschen mit besonderen Gaben: Sie haben eine gute Rhetorik, sie sind sympathisch, mitunter extravagant.
Im Falle von Chávez gab es außerdem einen Beutel voller Dollarscheine, die es ihm ermöglichten, starke emotionale Bande mit einem Teil des Landes zu knüpfen. Chávez war eine umstrittene Figur, und er hat das Land in zwei Lager gespalten: Die, die ihn verehrten und die, die ihn verachteten, um nicht zu sagen hassten.”

euronews: “Was war Chávez größter Erfolg und was seine größte Niederlage?”

Teodoro Petkoff: “Chávez ist es gelungen, die Armut zu einem großen nationalen Thema zu machen. Seine größte Niederlage? Dass diese Armut 14 Jahre später immer noch existiert. Zwar gelang es ihm, die extreme Armut, die nahezu die Hälfte der Bevölkerung betraf, zu verringern. Dennoch gehört relative Armut bei 60 Prozent der Venezolaner zum Alltag.”

euronews: “Der Peronismus hat Perón überlebt, Castristen sind auch nach dem Rückzug Fidel Castros in Kuba an der Macht. Wird es einen Chavismus ohne Chávez geben?”

Teodoro Petkoff: “Perón hatte einen viel größeren Beliebtheitsgrad als Chávez. Außerdem baute Perón eine politische Bewegung auf, eine Doktrin, einen poltischen und ideologischen Gedanken. Der Chavismus hingegen hat nur Chávez, drum herum herrscht nichts als Mittelmäßigkeit und Zwielicht. Und das kommt nicht von ungefähr. Chávez gehört zu der Art von Anführer, die keinen Glanz an ihrer Seite dulden. Außerdem hat er eine Partei aufgebaut, die nicht aus einer politischen Ideologie hervorgegangen ist.”

euronews: “Wer übernimmt nach dem Tod von Chávez das bolivarische Erbe. Cristina Fernández de Kirchner, Morales oder Correa?”

Teodoro Petkoff: “Ich glaube nicht, dass es in Lateinamerika einen potenziellen Nachfolger gibt. Sie haben nicht dieselben wirtschaftlichen Mittel wie Chávez, um sich allerorts Freunde zu erkaufen. Außerdem erhebt keiner von ihnen den Anspruch auf eine kontinentale Führungsposition. Chávez spürte, dass ihm Venezuela zu klein war, er verstand sich als Nachfahre Simón Bolívars. Er wollte so handeln wie er, aber auf dem gesamten Kontinent.”

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