Nach dem Taifun: Not kennt kein Gebot

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Leichen säumen den Weg der Überlebenden.
Chaos, Not und unsagbares Leid hat der Taifun auf den Philippinen hinterlassen. Eine Not, in der alle normalen Regeln menschlichen Zusammenlebens ihren Wert verlieren. Der Hunger treibt die Menschen zum Mundraub – und wenn die erste Hemmschwelle gefallen ist, wird alsbald auch geplündert. Und nicht mehr nur zum Überleben. euronews hat mit dem Mann telefoniert, der diese Szenen gefilmt hat. Er berichtet, wie er mit dem Fahrrad in der Stadt Tacloban unterwegs war. Dabei sah er Menschen in ein großes Einkaufszentrum strömen. Neugierig ging er mit seiner Kamera hinterher und filmte Plünderer.
Menschen, die nicht nur nach Eßbarem griffen und nach Kleidung und Schuhen, was noch mit der allgemeinen Not zu erklären gewesen wäre. Er filmte auch, wie teure Fernseher, Computer, Uhren weggeschleppt wurden.
Die Polizei ist nicht in der Lage, den Plünderungen Einhalt zu gebieten. Sie kann nur an wenigen Orten kontrollieren.
Eine Frau berichtete euronews am Tefelon:
“Am nötigsten brauchen wir Trinkwasser und Lebensmittel. An beidem mangel es. Zu essen haben wir gerade mal das Allernötigste. Schlimm ist der Mangel an Sicherheit! Man hört von Leuten, deren Haus noch steht, dass bewaffnete Diebe eindringen.
Menschen töten einander. Es wird vergewaltigt. Aber keine Polizei ist da, keine Ordnung. Keine Verbindung zur Welt außerhalb von Tacloban. Nichts! Es ist das totale Chaos.”
Und am Flughafen kämpfen verzweifelte Überlebende, die alles verloren haben, um einen Platz in einem Flugzeug. Sie wollen nur fort aus dieser Hölle.

Elisabeth Byrs arbeitet für das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen.
Frage von euronews:
Mit wie vielen Opfern rechnen Sie? Bisher war von zehntausend Toten die Rede. Wie viele Verletzte kommen dazu?

Elisabeth Byrs
Es ist sehr schwierig, eine genaue Vorstellung zu erhalten. Die ersten Schätzungen kommen aus Tacloban und der Region drum herum. Es gibt dort fast 7000 kleinen Inseln im Umkreis von 600 km.
Dort tobte der Taifun. Bevor Hilfe diese abgelegenen und isolierten Orte erreichen kann, ist es zu früh für eine Opferbilanz.Priorität haben für uns jetzt die Überlebenden.

euronews
Welches waren für Sie als Institution der Vereinten Nationen Ihre ersten Schritte?

Elisabeth Byrs
Schon bevor der Zyklon auf Land traf, haben wir unsere hochangereicherte Spezialkekse und 2.000 Tonnen Reis auf den Weg gebracht. 44 Tonnen Kekse kamen gestern in Tacloban an. Das sind Lebensmittel, die ohne Kochen sofort gegessen werden können. Sie haben einen hohen Nährwert und enthalten lebenswichtige Vitamine. Mit diesen ersten 44 Tonnen, die gestern angekommen sind, können wir erst einmal 120.000 Menschen ernähren. Weitere 161 Tonnen sind unterwegs. Es gibt eine Luftbrücke aus unserem Lager in Dubai nach Manila und Tacloban. Mit dieser ersten Lieferung hoffen wir, die Überlebenden eine Woche ernähren zu können.

euronews
Heute haben wir auf mit einem Betroffenen gesprochen, der von Plünderungen berichtet.
Wie kompliziert ist die Hilfe bei einem Gebiet, das aus 7000 Inseln besteht?

Elisabeth Byrs
Das ist ein logistischer Alptraum, eine ungeheure Herausforderung für die Hilfsorganisationen. Diese enormen Zerstörungen. Man muss Bäume fällen, um den Weg vom Flughafen zur Stadt Tacloban frei zu machen. Für diese 11 Kilometer haben wir 6 Stunden gebraucht. Da haben Sie eine Vorstellung von den Schwierigkeiten.

euronews
Hat man aus der Tsunami-Katastrophe 2004 gelernt? Aus der unproduktiven Konkurrenz der Hilfsorganisationen?

Elisabeth Byrs
Die ersten Experten, die den Schaden zu bewerten hatten, haben gewisse Parallelen gezogen. Es sah etwa so aus wie nach dem Tsunami in Banda Ace, Indonesien. Das war´s dann aber auch mit den Parallelen. Die Vereinten Nationen und die NGOs ziehen nach jeder Katastrophe ihre Lehren. Die wichtigste lautet: nichts überstürzen! Wichtig ist, zunächst einmal eine effiziente Logistik aufzubauen. Man muss eine gute Organisation gewährleisten, um zu verhindern, dass sich an einer Stelle die Menschenmassen ballen, die dann die Möglichkeiten vor Ort überfordern. Effizient müssen wir arbeiten, so effizient wie nur irgend möglich! Auch wenn das sehr schwierig ist.

euronews
Sie haben einen Spendenaufruf gestartet. Was können wir Bürger jetzt tun?

Elisabeth Byrs
Da verweise ich auf unsere Website für Einzelpersonen, die helfen wollen: wfp.org / Taifun

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