Grönland hat vergangenes Jahr eine Rekordmenge an Eis verloren. Nur sieben Jahre nach dem letzten Rekord. Wir haben darüber mit dem Glaziologen Ingo Sasgen gesprochen, der die Massenschmelze untersucht hat.
"Wir überschreiten immer neue Massenverlustrekorde"
Grönland hat vergangenes Jahr so viel Eis verloren wie noch nie seit Beginn der Messungen. 532 Milliarden Tonnen beträgt der jüngste Masseverlust - 68 Milliarden Tonnen mehr als im bisherigen Rekordjahr 2012.
Herausgefunden haben dies das Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven (AWI) und das Potsdamer Geoforschungsinstitut. (Hier gelangen Sie zur Pressemitteilung des AWI).
Ingo Sasgen vom AWI in Bremerhaven ist Leitautor der Studie. Er sagte gegenüber Euronews: "Es ist schon bedrohlich, dass wir immer wieder neue Massenverlustrekorde in Grönland überschreiten. 2012, als wir das letzte große Schmelzereignis gesehen haben, hieß es, das sei ein Jahrhundertereignis und das werde so bald nicht wieder auftauchen. Und jetzt, sieben Jahre später, also 2019, haben wir wieder Atmosphärenbedingungen gehabt, die wieder zu so einem starken Schmelzen dort geführt haben."
Grönland ist aus dem Gleichgewicht geraten
Dabei sei der Trend inzwischen klar, so Sasgen: Die Schmelze wird weitergehen, der Meeresspiegel steigen. Grönland ist aus dem Gleichgewicht geraten. Heißt: Auch kaltes Wetter und Schneefall reichen nicht mehr aus, um den Verlust auszugleichen - so, wie das normalerweise geschieht. Der Grund für all das heißt Klimawandel.
Sasgen: "Die Erwärmung, die wir jetzt schon sehen in der Arktis, ist zu hoch dafür, dass der Eisschild einen Gleichgewichtszustand erreicht. Anderthalb Grad ist eine ganze Menge. Das führt dazu, dass das Eis immer weiter schmilzt im Sommer, und wir hatten kein Jahr, in dem wir eine positive Massenbilanz hatten, seit 1997."
Lässt sich die Massenschmelze noch aufhalten?
Bis Ende des Jahrhunderts könne Grönland 5 Grad wärmer sein als jetzt, so Sasgen. Er geht davon aus, dass der Eisschild weiter zurückgeht. Das Gegenrezept: den CO2-Ausstoß reduzieren. Ob das noch reicht, um Grönland wieder ins Gleichgewicht zu bringen, ist indes unklar.
Einige Forscher vermuten, dass der Kipppunkt, ab dem mehr Eis verloren geht als wieder hinzukommt, überschritten sein könnte.
Erst Mitte August hatten Forscher von der Ohio State University berichtet, der Eisverlust auf Grönland beschleunige sich und sei nicht mehr zu stoppen, selbst wenn die Erderwärmung sofort ende. Der jährliche Schneefall reiche nicht mehr, um den Verlust aufzuwiegen.
Sasgen schränkte das allerdings etwas ein: eine konkrete Aussage zu einem möglichen Kipppunkt lasse sich im Moment nicht machen.