Bei landesweiten Protesten in Brasilien haben Menschen im ganzen Land ein Impeachment gegen den Präsidenten gefordert. Sie warfen Bolsonaro ein katastrophales Management der Corona-Pandemie vor.
Bei landesweiten Protesten in Brasilien sind zehntausende Menschen gegen die Politik von Präsident Jair Bolsonaro auf die Straße gegangen. Sie forderten ein Amtsenthebungsverfahren gegen Bolsonaro und den Vizepräsidenten Hamilton Mourão, eine gerechtere, schnelle Verteilung von Impfstoffen und stärkere finanzielle Unterstützung vom Staat während der Pandemie.
Die brasilianische Regierung hatte die Hilfszahlungen an wirtschaftlich schwach gestellte Personen erheblich gekürzt. Zu den Protesten hatten linke Parteien, Gewerkschaften und Studierendenvereinigungen aufgerufen. Viele hielten sich an Abstandsregeln und das Tragen von Masken.
Im Bundesstaat Bahia mischten sich viele Studierende unter die Protestierenden: Sie forderten eine Unterstützung des Staates für alle Brasilianerinnen und Brasilianer in Höhe von 600 brasilianischen Reais – umgerechnet rund 100 Euro monatlich – und Impfangebote.
Zweithöchste Zahl an Corona-Toten weltweit
Die Demonstrierenden kreideten dem Präsidenten angesichts von über 450.000 Corona-Toten eine fehlgeschlagene Pandemiepolitik an. Alleine im Monat April verstarben über 100.000 Menschen in Brasilien im Zusammenhang mit Covid 19. Im nordbrasilianischen Bundesstaat Maranhão stellten die Menschen schwarze Kreuze auf, um der vielen Opfern der Pandemie zu gedenken und gleichzeitig ein Zeichen gegen Bolsonaros Gesundheitspolitik zu setzen.
Der brasilianische Präsident hatte die Corona-Pandemie lange Zeit verharmlost und von einer „leichten Grippe“ gesprochen. Er und seine Regierung haben Quarantäne-Maßnahmen, Abstandsregeln und ein flächendeckendes Impfangebot seit Beginn der weltweiten Pandemie vernachlässigt. Vor einer Woche hatte Bolsonaro seine Anhängerschaft bei einer Demonstration versammelt - ohne Abstand und Maske.
Mehr Armut, weniger Zustimmung für Bolsonaro
Bolsonaro hatte zuletzt in den Umfragen des Datafolha-Institut massiv an Zustimmung verloren. Nur jeder vierte Brasilianer ist mit seiner Politik zufrieden. Im nächsten Jahr stehen im bevölkerungsreichsten Land Südamerikas Präsidentschaftswahlen an.
In Brasilien sind immer mehr Familien von extremer Armut betroffen. Laut einer Studie der Getulio Vargas Stiftung sind dies so viele Familien wie seit einem Jahrzehnt nicht mehr.
Einer neuen Umfrage von Oxfam Brasilien zufolge befürwortet eine Mehrheit der Brasilianerinnen und Brasilianer Steuererhöhungen, die eine wachsende Schere zwischen Armen und Reichen abfedern könnte. Brasilien hatte in den 2000er-Jahren unter dem damaligen Präsidenten Lula eine Sozialpolitik gefahren, die sich mit Programmen für Familien und Menschen unter der Armutsgrenze an sozial-ökonomisch Benachteiligte richtete. Unter Präsident Jair Bolsonaro ist die wirtschaftliche Ungleichheit zuletzt stark gewachsen. Die Pandemie und damit verbunden eine erhöhte Arbeitslosenquote haben dazu beigetragen.