"Mehr als 1000 Worte" - Was bedeutet das Foto von Grünen und FDP?

Selfie der Vorverhandlungen zwischen Grünen und FDP
Selfie der Vorverhandlungen zwischen Grünen und FDP Copyright Annalena Baerbock auf Instagram
Von Kirsten Ripper
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Der Coup zwischen den Grünen und den Liberalen wird an einem Selfie deutlich, das an diesem Mittwoch deutschlandweit für Aufsehen sorgt.

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Für Aufregung im politischen Deutschland sorgt an diesem Mittwoch ein Selfie, das die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock und FDP-Chef Christian Lindner auf ihren Instagram-Seiten ver¨öffentlicht haben. Darauf zu sehen sind - von links nach rechts - Volker Wissing, Annalena Baerbock, Christian Lindner und Robert Habeck.

Ein Selfie aus Koalitionsverhandlungen hat es bisher nicht gegeben. Damit zeigen die Grünen und die FDP auch, dass sie moderner sind als CDU/CSU und SPD. Schließlich sind die Liberalen und die Grünen laut Meinungsforschungsinstitut unter Erstwählerinnen und Erstwählern die beliebtesten Parteien.

Seit dieser Bundestagswahl sind Grüne und FDP mehr als nur "die kleinen Parteien". Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Michael Theurer erklärte in einem Interview, dass die beiden Parteien zusammen ja mehr Stimmen haben als SDP oder CDU/CSU.

In vielen Artikeln wird erinnert an ein Zitat von Gerhard Schröder, der einst Joschka Fischer zurechtwies, denn in einer rot-grünen Koalition müsse schon klar sein, "wer Koch und wer Kellner ist". Jetzt sind die Kellner dabei, den Menuplan aufzustellen - nämlich die Koalitionsverhandlungen vorzugeben.

Der Schriftsteller Sasa Stanic teilt das ganz besondere Foto auf Twitter mit dem Titel "Name this band".

Die FAZ nennt das Foto das "Bild ohne Worte", das aber mehr sage als 1000 Worte: "Denn hinter der eiligen Allianz Lindners und Habecks steckt nicht nur politische Kühnheit, sondern auch Sorge, ja Angst. Beide Parteien tragen Erinnerungen an Demütigungen mit sich, die ihnen einst in Regierungskoalitionen von großen Partnerparteien zugefügt wurden. Die FDP erinnert oft an die Versprechungen einer grundlegenden Steuerreform, die ihr in der Koalition mit der Union zugesagt, aber nie verwirklicht worden sei; und die Grünen holen gern den Ausdruck vom „Koch und Kellner“ hervor, um zu demonstrieren, wie sehr sich die Verhältnisse geändert hätten, jetzt, wo sie sich anschicken, mit der FDP eine eigene Menükarte zu schreiben."

Worum es bei den Verhandlungen inhaltlich geht, beschreibt die Wirtschaftswoche: "Obwohl die Grünen mehrheitlich der SPD und einer Ampelkoalition zuneigen, plädieren einflussreiche grüne Führungskräfte wie Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann eher für ein Jamaika-Bündnis. Als Regierungschef eines führenden Industrielandes weiß er, dass der klimaneutrale Umbau der Wirtschaft nur mit den Unternehmen und nicht gegen sie funktionieren kann. An diesem Punkt will auch Lindner bei seinen Werbungsversuchen ansetzen. Als „Brautgeschenk“ bringt der Liberale wichtige Zugeständnisse mit: Der Kohleausstieg soll, so wie die Grünen es wollen, bereits früher passieren, womöglich schon 2030. Der steile Preisanstieg für Emissionszertifikate macht das Verbrennen von Kohle ohnehin schneller unrentabel als gedacht. Auch das Tempolimit ist Porschefahrer Lindner bereit zu opfern – ein Symbolthema, das er im Wahlkampf als Teil der Freiheit noch hochgehalten hat. Und auch noch ein drittes Präsent liegt im Korb: Die FDP ist bereit, eine Grüne zur Bundespräsidentin mit zu wählen – in Gestalt von Katrin Göring-Eckardt zöge dann erstmals eine Frau ins Schloss Bellevue ein."

Im Gespräch mit Euronews hatte auch die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch den früheren Kohleausstieg als einen möglichen Kompromiss zwischen den beiden Parteien mit sehr unterschiedlichen Programmen genannt.

Zur möglichen Zustimmung der Liberalen zum Tempolimit macht der Chef der konservativen WELT Ulf Poschardt auf Twitter mobil. Er meint, damit würde die FDP viele in Deutschland gegen sich aufbringen. Über eine mögliche Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen, wie sie in den meisten Nachbarländern gitl, wird schon seit Jahren diskutiert.

Die Süddeutsche Zeitung meint, das Selfie könne Geschichte machen.

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