Omikron-Anteil liegt bei 95 Prozent - Lauterbach: "Wir kontrollieren die Welle"

Passagiere am "Franz-Josef-Strauß" Flughafen in München.
Passagiere am "Franz-Josef-Strauß" Flughafen in München. Copyright CHRISTOF STACHE/AFP
Von euronews
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Das Robert Koch-Institut (RKI) hat einen deutlichen Anstieg der bundesweiten Sieben-Tage-Inzidenz gemeldet, sie liegt jetzt bei 1073,0 und erreicht damit erneut einen Höchstwert.

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Der Inzidenzwert bei den Corona-Neuinfektionen in Deutschland steigt weiter. Das Robert Koch-Institut (RKI) gab die Sieben-Tage-Inzidenz am Freitagmorgen mit 1073,0 an. Eine Woche zuvor lag er noch bei 706,3. Die Inzidenz beschreibt die Zahl der neuen Ansteckungen pro 100.000 Einwohner im Zeitraum von sieben Tagen.

Bei der Bundespressekonferenz sagte Gesundheitsminister Lauterbach, man habe die Folgen der Omikron-Welle "gut in Kontrolle". Ziel sei es so wenige schwere Verläufe und Todesfälle wie möglich zu haben, dabei fokussiere man sich auf ältere Menschen. Weil Deutschlands Bevölkerung so alt sei und in den hohen Altersgruppen so viele ungeimpft sind, stehe das Land vor einem besonderen Problem. 

12 Prozent der über 60 Jahre alten Menschen seien nicht geimpft. Diese werde man nur erreichen über eine allgemeine Impfpflicht.

"Positive Zwischenbilanz"

Man rechne bald mit bis zu 400.000 Neuansteckungen pro Tag. Man fokussiere sich auf die Inzidenz in der besonders gefährdeten Gruppe, also den älteren Menschen. Um diese Menschen besser zu schützen, werde man jetzt einige Anpassungen machen müssen. 

Weil viele Menschen denken, dass Omikron mild sei, ginge die Booster-Kampagne zurück. Alle Impfstoffe, auch diejenigen, die vor zwei Jahren entwickelt wurden, schützten zu 99 Prozent vor dem Tod, so Lauterbach.

Neue Testverordnung und Teststrategie, Isolationsbestimmungen für Angestellte in medizinischen Berufen und die Verfolgung von Kontaktpersonen werde noch angepasst. Zu diesen Punkte berate man derzeit mit den Bundesländern.

"Wir steuern auf einen Höhepunkt zu"

"Die allermeisten Menschen halten sich an die bekannten Maßnahmen zur EIndämmung des Virus", freute sich der RKI-Präsident Lothar Wieler. Innerhalb von einer Woche habe sich ein Prozent der deutschen Bevölkerung mit dem Virus angesteckt. Doch die Summe der Fallzahlen seien nicht im Fokus jetzt, sondern die Lage in den Krankenhäusern und die Fälle bei gefährdeten Personen seien wichtig.

Wegen der hohen Menge an Omikron-Ansteckungen werden mehr und mehr Menschen in die Krankenhäuser eingeliefert. Eindämmung, Schutz, Abmilderung seien bisher der Fokus gewesen, das sei nun so nicht mehr möglich wegen der hohen Fallzahlen.

"Eine Eindämmung ist nur in den wichtigsten Bereichen möglich", so Wieler.

Die Pressekonferenz mit RKI-Chef Wieler und Gesundheitsminister Lauterbach

Experten gehen von höherer Dunkelziffer aus

Experten gehen von einer hohen und weiter steigenden Zahl von Fällen aus, die in den RKI-Daten nicht erfasst sind, unter anderem, weil Testkapazitäten und Gesundheitsämter vielerorts am Limit sind. Zudem melden einige Städte und Kreise seit Tagen Probleme bei der Übermittlung der Corona-Fallzahlen.

Omikron ist nicht immer "mild"

Intensivmediziner sind angesichts der Wucht der Omikron-Welle besorgt. Der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), Gernot Marx, sagte der "Rheinischen Post", dass er mit Blick auf die "sehr hohen Inzidenzen" damit rechne, dass "die generelle Zahl der Patienten doch wieder deutlich steigen kann und sicherlich auch wird". Die Zahl der Covid-Patienten auf den Normalstationen sei zudem "sehr, sehr hoch", sagte Marx weiter. "Das zieht in der gesamten Klinik natürlich auch Kreise." Eine Ansteckung mit der Omikron-Variante verlaufe zwar häufig milder als mit der Delta-Variante, aber verharmlosen solle man das Ganze auf keinen Fall.

Wir sprechen hier nicht von einem Schnupfen. Es wird schwerwiegende Verläufe und auch Tote geben.
Gernot Marx
Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi)

RKI-Chef Lothar Wieler erinnerte zudem auf Twitter daran, dass selbst wenn der Krankheitsverlauf mit Omikron "mild" ist, danach noch Spätfolgen auftreten können. Viele Genesene klagen über bleibende Symptome.

Nach einer chinesischen Studie, die Ende August 2021 in der Fachzeitschrift „The Lancet“ erschien, war fast jeder Dritte auch zwölf Monate nach einer Covid-19-Erkrankung noch kurzatmig, jeder Fünfte fühlte sich noch schlapp, mehr als jeder Vierte litt an Angststörungen oder Depressionen.

Antigentests zur Freitestung

Zur Entlastung der Labore sollten für Corona-Freitestungen nach Ansicht des Labormediziners Karsten Mydlak auch anerkannte Antigentests verwendet werden dürfen.

Wir haben jetzt irgendwann eine Situation, wo man auch Mut zu solchen Lücken haben muss.
Karsten Mydlak
Leiter des Gemeinschaftslabors Cottbus MVZ

Um die Quarantäne zu verkürzen seien nach Expertenaussagen auch Antigentests geeignet. Freitestungen mit einem PCR-Test bei leichteren Verläufen würde die Kapazität der Labore nur "verstopfen", schätzte der Mediziner die Lage ein. Die Labore warteten nach den Beschlüssen der Gesundheitsminister und Ministerpräsidenten der Länder auf eine Empfehlung der Experten.

Trotz Risikos setzt Gewöhnungseffekt ein

Die Zahl der Neuinfektionen bricht täglich neue Rekorde, doch die Menschen reagieren zunehmend gelassen. Der Psychologin Donya Gilan zufolge gewöhnen sich viele Menschen an die stetig steigenden Inzidenzen. "Es stellt sich so was wie eine Gewöhnung ein", sagte Gilan vom Leibniz-Institut für Resilienzforschung in Mainz der Deutschen Presse-Agentur. Das könne dazu führen, dass bestimmte Maßnahmen nicht mehr so streng befolgt werden. "Auf der anderen Seite hat es aber natürlich auch einen deeskalierenden Effekt, was Angst und Sorge betrifft."

Laut Gilan setzt nach der langen Zeit in der Pandemie trotz des hohen Risikos ein Gewöhnungseffekt ein, wie er etwa auch bei Opfern anderer kritischer Lebensereignisse oder Katastrophen zu beobachten sei. Ob man angesichts der immer höheren Corona-Zahlen besonders sorgenvoll reagiere oder abstumpfe, hänge aber auch beispielsweise vom Grad der persönlichen Betroffenheit und Ängstlichkeit ab, so die Expertin.

Europa: Covid-Pille zugelassen

Zur Bekämpfung von Covid-19 hat die Europäische Arzneimittelagentur grünes Licht für ein neues Medikament gegeben: Paxlovid ist eine Pille, die nach der Infektion eingenommen wird. Sie soll eine schwere Erkrankung verhindern. Nicht empfohlen wird sie für Patienten, die künstlich beatmet werden müssen.

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Italien, Belgien und Deutschland gehören zu den Ländern, die das Medikament bereits gekauft haben. In den USA und Großbritannien wurde es bereits im Dezember zugelassen.

Sprunghafter Anstieg in Osteuropa

In Europa ist das Omikron-Virus weiter auf dem Vormarsch. In Rumänien stieg die Zahl der Fälle in den letzten Wochen sprunghaft an. Im ganzen Land befinden sich über 730 Erkrankte auf der Intensivstation. Es gibt Krankenhäuser, die ihre Patientinnen und Patienten verlegen lassen wollen, weil sie keine Ärzte oder nicht genügend Betten haben.

Besonders angespannt ist die Lage in Russland, wo die wachsende Zahl der infizierten Kinder die Behörden beunruhigt. Diese verzehnfachte sich in Moskau in den letzten Wochen. Um die weitere Ausbreitung einzudämmen, werden geplante Krankenhausaufenthalte verschoben und öffentliche Gebäude desinfiziert.

In der benachbarten Ukraine wurden über 32.000 neue Coronavirus-Infektionen gemeldet, die höchste Zahl seit Beginn der Pandemie. Innerhalb von 24 Stunden starben 154 Menschen an dem Virus, so dass sich die Gesamtzahl der Todesopfer dem Wert von 100.000 nähert.

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