Streit über den Angriff auf das libysche Parlament

Parlament in Tobruk
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Von Katharina Sturm
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Nach jahrelangem Chaos und Spaltung fordern hunderte Demonstranten in Libyen bessere Lebensbedingungen und die Abhaltung von Wahlen. Bei den Demonstrationen in Tobruk wurde unter anderem das Parlament gestürmt und in Brand gesetzt. Es gibt gespaltene Meinungen zu den Protesten.

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Nachdem in der libyschen Stadt Tobruk hunderte Demonstranten das Parlament gestürmt und Teile in Brand gesetzt hatten, gibt es gespaltene Meinungen in der Bevölkerung. Die Proteste fanden auch in der Hauptstadt Tripoli statt und sollten auf die sich verschlechternden Lebensbedingungen und den politischen Stillstand aufmerksam machen. Einige Bewohner verurteilen jedoch die Vorfälle.

Die Libyer, von denen viele nach einem Jahrzehnt der Unruhen verarmt sind leiden unter Treibstoffmangel und Stromausfällen von bis zu 18 Stunden pro Tag, obwohl ihr Land über die größten nachgewiesenen Ölreserven Afrikas verfügt. Nach mehreren Jahren Chaos und Konflikten kam es wieder zu Demonstrationen.

Mohamad al-Obeidi arbeitet in einem privaten Unternehmen und erklärt, dass die Demonstranten unter der Armutsgrenze leben und kein Geld haben. Sie könnten sich kein anständiges Leben leisten, nicht einmal Essen, so al-Obeidi. Er unterstütze den Gedankgen hinter den Demonstrationen und setze sich für ihre Rechte ein, aber nicht auf die Art und Weise, wie es am Vortag getan wurde.

Auch die Vereinigten Nationen veruteilen den Sturm auf das Parlament, wie ein hochrangiger UN-Beamter für Libyen mitteilte.

"Das Recht der Menschen, friedlich zu protestieren, sollte respektiert und geschützt werden, aber Ausschreitungen und Vandalismus wie die Erstürmung des Repräsentantenhauses gestern in Tobruk sind völlig inakzeptabel", sagte Stephanie Williams, die UN-Sonderberaterin für Libyen, auf Twitter.

Stephanie Williams über die Situation in Libyen

Auch der Einwohner von Tobruk, Muftah al-Amid, bezeichnet die Zerstörung von libyschen Gebäuden und öffentlichem Eigentum als eine Schande für die Stadt Tobruk.

In Libyen herrschen seit 2011 Chaos und wiederholte Konflikte, als ein von der NATO unterstützter Aufstand den langjährigen Diktator Muammar al-Gaddafi stürzte und tötete. Das Land war dann jahrelang zwischen rivalisierenden Verwaltungen im Osten und Westen gespalten, die jeweils von verschiedenen Milizen und ausländischen Regierungen unterstützt wurden.

In Libyen konnten im Dezember keine Wahlen abgehalten werden. Grund dafür waren Rechtsstreitigkeiten, umstrittene Präsidentschaftskandidaten und die Anwesenheit von abtrünnigen Milizen und ausländischen Kämpfern im Land.

Das Scheitern der Wahl im Dezember war ein schwerer Schlag für die internationalen Bemühungen um Frieden in dem Mittelmeerland. Damit wurde ein neues Kapitel in der seit langem andauernden politischen Sackgasse aufgeschlagen, in der zwei rivalisierende Regierungen die Macht für sich beanspruchen, nachdem im vergangenen Jahr zaghafte Schritte in Richtung Einheit unternommen wurden.

Die von den Vereinten Nationen vermittelten Gespräche in Genf in dieser Woche, die darauf abzielten, die festgefahrene Situation zwischen den rivalisierenden libyschen Institutionen zu überwinden, konnten die wichtigsten Differenzen nicht ausräumen.

Die Demonstranten, die von dem jahrelangen Chaos und der Spaltung frustriert sind, haben die Absetzung der derzeitigen politischen Klasse und die Abhaltung von Wahlen gefordert. Sie protestierten auch gegen die katastrophale wirtschaftliche Lage in dem ölreichen Land, in dem die Preise für Kraftstoff und Brot gestiegen sind und Stromausfälle an der Tagesordnung sind.

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