Nikos Christodoulides hofft auf EU-Unterstützung im Zypern-Konflikt

Nikos Christodoulides hofft auf EU-Unterstützung im Zypern-Konflikt
Copyright euronews
Von Efi Koutsokosta
Diesen Artikel teilenKommentare
Diesen Artikel teilenClose Button
Den Link zum Einbetten des Videos kopierenCopy to clipboardCopied

Der neue Präsident Zyperns ist erstmals auf einem EU-Gipfel in Brüssel. Er hofft auf eine stärkere Rolle der EU im Zypern-Konflikt.

Die russische Invasion in der Ukraine hat die geopolitische Szene völlig verändert, ebenso wie die Prioritäten der Europäischen Union sowie ihre Beziehungen zu Drittländern. Über all das, aber auch über neue Initiativen in der Zypern-Frage, spricht der frischgewählte Präsident der Republik Zypern Nikos Christodoulides in The Global Conversation. Er ist zum ersten Mal in seiner neuen Rolle beim EU-Gipfel in Brüssel.

Euronews-Reporterin Efi Koutsokosta: Herr Präsident, vielen Dank für dieses Interview. Sie sind zum ersten Mal als Präsident der Republik Zypern in Brüssel und haben einen konkreten Vorschlag für eine aktivere Rolle der Europäischen Union bei der Lösung des Zypern-Problems gemacht. Angesichts der Position der anderen Seite, der türkische Zyprioten, angesichts der Tatsachen, dass der Dialog in den vergangenen sechs Jahren eingefroren wurde, dass die Türkei weiter denn je von der EU entfernt ist, was genau erwarten Sie? Was kann die EU erreichen, was Ihnen all die Jahre nicht gelungen ist?

Nikos Christodoulides, Präsident der Republik Zypern: Will man das Zypern-Problem lösen, sollte man immer die internationalen Fakten berücksichtigen. Nicht wir selbst haben Einfluss auf die internationalen Entwicklungen, sondern wir werden von den internationalen Entwicklungen beeinflusst. Der aktuelle Stand der Dinge ist, dass wir eine illegale russische Invasion in der Ukraine haben und dass wir eine Europäische Union haben, die den Preis für ihre Entscheidungen zahlt, die vollkommen korrekt sind. Wir sind damit einverstanden und beteiligen uns am Entscheidungsprozess. Die EU entwickelt zudem eine führende Rolle, wobei auch die Auswirkungen dieser russischen Invasion auf andere Akteure im internationalen System berücksichtigt werden. Das ist die erste Dimension: eine führende Rolle der Europäischen Union in einer Krise in der europäischen Nachbarschaft. Die zweite Dimension ist die Wahl eines neuen Präsidenten der Republik Zypern. Die dritte Dimension betrifft die Wahlen in der Türkei. Wir haben noch Zeit bis zu den Wahlen in der Türkei, die wir nutzen sollten, damit der Dialog wieder aufgenommen werden kann.

euronews
Nikos Christodoulides und Euronews-Reporterin Efi Koutsokostaeuronews

Was passiert nach den Wahlen in der Türkei im Mai?

Euronews: Thema Türkei und die Wahlen im Mai: Was erwarten Sie danach? Entweder wird Erdoğan wiedergewählt, oder wir haben einen Wechsel mit einem Sieg von Kemal Kılıçdaroğlu?

Nikos Christodoulides: Ich erwarte keine radikalen Veränderungen in der türkischen Außenpolitik. Zumindest zeigt das die Geschichte der türkischen Außenpolitik im Laufe der Zeit, aber es wird dennoch eine neue Realität geben: Die Wahl eines neuen Präsidenten, ob es nun Herr Erdoğan ist oder der Kandidat der derzeitigen Opposition. Das Wichtigste ist, ich wiederhole, diese Zeit zu nutzen, und das haben wir mit den drei Präsidenten der EU-Institutionen vereinbart, um unmittelbar nach den Wahlen in der Türkei die Voraussetzungen zu schaffen, die Gespräche auf der Grundlage des vereinbarten Rahmens wieder aufzunehmen. Denn wir wollen mehr als jeder andere ein Ende der Besatzung und die Wiedervereinigung unseres Heimatlandes.

Euronews: Sie schlagen also vor, dass die europäischen Institutionen die Führung übernehmen, d.h. die Zypernfrage in den Kontext der europäisch-türkischen Beziehungen stellen?

Nikos Christodoulides: Unser Vorschlag umfasst zwei Aspekte. Der erste betrifft die Notwendigkeit, die festgefahrene Situation zu überwinden. Es gibt noch keine Gespräche, zuerst muss man den Stillstand überwinden, um die Gespräche wieder in Gang zu bringen. Hier brauchen wir die führende Beteiligung der Europäischen Union. Immer im Rahmen der Vereinten Nationen. Wir versuchen nicht, die Vereinten Nationen aus der Zypern-Frage auszuklammern. Im Gegenteil, die Vereinten Nationen und der Rahmen der Resolutionen sind unsere Absicherung in Bezug auf das angestrebte Ziel. Aber um aus der Sackgasse herauszukommen, glauben wir, dass die Europäische Union durch die Ernennung einer politischen Persönlichkeit, durch die Maßnahmen der Institutionen selbst, uns dabei unterstützen kann, dieses Ziel zu erreichen. Das ist der erste Aspekt unseres Vorschlags, auf den wir uns konzentrieren und den wir unmittelbar nach den Wahlen in der Türkei erreichen wollen. Mit der Wiederaufnahme der Gespräche kommt der zweite Teil des Vorschlags. Ein ganz konkreter Aspekt unseres Vorschlags ist die Unterstützung der EU-Administration für die Gespräche, sobald sie wieder aufgenommen werden.

Beziehungen zu Russland

Euronews: Lassen Sie uns zu einem anderen Thema kommen, das uns beschäftigt und wahrscheinlich noch lange beherrschen wird: die russische Invasion in der Ukraine. Die Republik Zypern hatte im Laufe der Zeit sehr gute Beziehungen und starke Bindungen zu Russland. Viele Aspekte davon wurden auch von Europa heftig kritisiert. Wie steht es heute um die Beziehungen zwischen der Republik Zypern und Russland?

Christodoulides: Ja, die Beziehungen zu Russland sind historisch gesehen sehr eng, vor allem auf der Ebene der Völker der beiden Länder. Auch die Zypern-Frage und die Tatsache, dass Russland ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates ist, spielten eine wichtige Rolle, aber die Realität sieht heute ganz anders aus. Die Republik Zypern wird sich in keiner Weise den einstimmigen Beschlüssen der Europäischen Union entziehen, an denen, ich wiederhole es, auch wir teilnehmen.

Euronews: Das bedeutet, dass Sie als neuer Präsident der Republik Zypern die europäische Politik der Sanktionen gegen Russland unterstützen und vor allem, dass Sie glauben, dass sie funktioniert?

Nikos Christodoulides: Sanktionen sind ein Instrument, das von der Europäischen Union zu Recht eingesetzt wird. Das Problem, das wir als Europäische Union haben könnten, ist die ordnungsgemäße Umsetzung der Sanktionen nicht nur durch die Mitgliedstaaten, sondern auch durch all diejenigen, die auf die eine oder andere Weise mit der Europäischen Union verbunden sind. 

Euronews: Sie unterstützen sie also?

Nikos Christodoulides: Ja, natürlich.

euronews
Der Präsident Zyperns in The Global Conversationeuronews

Energieunabhängigkeit von Russland

Euronews: Kommen wir zu einem Thema, das auch für die Europäische Union von Interesse ist, und zwar die Energieunabhängigkeit von Russland. Welche Rolle kann Zypern dabei spielen? Stellen Sie ein gesteigertes Interesse der Europäischen Union am östlichen Mittelmeer fest?

Nikos Christodoulides: Das Interesse ist vorhanden. Es gibt ein Interesse, das nicht erst seit meiner Übernahme der Regierungsgeschäfte des Landes zum Ausdruck kommt. Es hat sich schon vorher gezeigt. Ich sage die Dinge, wie sie sind, und das ist die Aussicht auf den geplanten Gaskorridor des östlichen Mittelmeers, durch eine führende Rolle der Europäischen Union und die Zusammenarbeit der Staaten der Region. Ja, der östliche Mittelmeerraum kann zu einem alternativen Energiekorridor für die Europäische Union entwickelt werden. Nach Schätzungen von Experten, die sich in diesem Bereich besser auskennen als ich, kann der östliche Mittelmeerraum in den nächsten 25 Jahren bis zu 15 bis 16 % des Bedarfs der Europäischen Union decken.

Euronews: Was ist mit Ihren Energieprogrammen? Wie sieht es mit Bohrungen und Gasfunden in der zyprischen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) aus?

Nikos Christodoulides: Es gibt Bohrungen in der Ausschließlichen Wirtschaftszone der Republik Zypern, und es gibt dort laufende Aktivitäten von Unternehmen. Es gibt dort ein Problem. Ich möchte ganz ehrlich sein und...

Euronews: Gibt es einen Zeitplan und wann wird es greifbare Ergebnisse geben?

Nikos Christodoulides: Das ist ein Thema, das wir mit dem Ministerrat und insbesondere mit dem Energieminister besprochen haben, und zwar über die Notwendigkeit, nach Rücksprache mit den Unternehmen an die Öffentlichkeit zu gehen und den Menschen die Wahrheit zu sagen, dass man dieses Gas nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nutzen kann. Bis dahin werden wir mit der Ausbeutung fortfahren, denn was mich beunruhigt, ist, dass diese Reserven in 5-10 Jahren im Rahmen des grünen Wandels möglicherweise nicht mehr genutzt werden können.

Diesen Artikel teilenKommentare

Zum selben Thema

"Pogromartige Zustände": Schwere Ausschreitungen gegen Migranten in Zypern

Türkische Zyprer attackieren UN-Friedenstruppe

IWF-Chefin: Diese Krise wird den grünen Wandel beschleunigen