Fisch und Muscheln aus der Zucht: Besser oder schlechter als Wildfang?

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Von Denis Loctier
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euronews ist nach Irland und Ungarn gereist. Wir zeigen Ihnen Aufzuchtanlagen, die Bioware herstellen. Wie steht es um den Geschmack?

John Harrington leitet in Irland eine Zuchtanlage für Meeresfrüchte. In der Kenmare-Bucht im Südwesten des Landes wachsen Muscheln, Austern und Periwinkels heran. Der Betrieb ist eigener Aussage nach Irlands „erster Hersteller für Bio-Miesmuscheln aus Hängekultur".

„Dieses Gebiet mit seinen Eiszeittälern ist einzigartig. Man hat sehr tiefe Gewässer, die von Bergen geschützt sind. Das ist äußerst günstig für in das Wasser eingelassene Aquakulturen", sagt Harrington.

Weitere Informationen zum Betrieb: https://www.kush.ie/de

Muscheln wachsen an Seilen

Die Meeresfrüchte wachsen in einer Zuchtanlage heran. Ende der 1980er Jahre begannen John Harrington und sein Bruder mit der Muschelzucht. Eigentlich sind die Brüder Lehrer. Mittlerweile gehört der Familienbetrieb im Südwesten Irlands zu den landesweit führenden in diesem Wirtschaftszweig. Ihre Muscheln wachsen an Seilen. Harrington: „Manche Leute haben den Eindruck, da es sich um eine Zuchtanlage handelt, sei das nicht natürlich. Die Wahrheit könnte von dieser Aussage nicht weiter entfernt sein."

Bei den Harringtons kommen weder Dünge- noch Pflanzenschutzmittel zum Einsatz. Auch als der Betrieb vergrößtert wurde, blieb man seinen Prinzipien treu. „Man fügt dem Wasser nichts hinzu. Das Phytoplankton ist natürlich. Wir haben den Muscheln einen Lebensraum geschaffen, sie fressen jetzt das Phytoplankton, das sonst nutzlos wäre", so der Geschäftsführer. Laut EU-Bestimmungen werden monatlich Wasserproben entnommen. Seit 2009 ist das irische Unternehmen als Betrieb anerkannt, der Bioware liefert. Harrington: „Man kann die Muscheln aus dem Wasser holen, sie nach Hause nehmen, in einen Topf werfen und kochen. Man muss sie nicht säubern oder sonst etwas tun. Sie sind von Natur aus sauber, da sie aus sauberem Wasser stammen."

Irische Muscheln gehen nach Deutschland, Frankreich, Italien, in die Niederlande und nach Spanien

18 Monate braucht es, die Muscheln bis zur Reife zu züchten. Die Belegschaft des Betriebes kommt aus den umliegenden Dörfern. Die Seile, an denen die Muscheln wachsen, und andere zum Einsatz kommende Materialien werden nach Möglichkeit wiederverwendet. In der Lebensmittelwirtschaft wird mehr und mehr auf Umweltaspekte geachtet. „Ein Kilogramm Muscheln sorgt nur für 200 Gramm Kohlenstoffdioxid, im Vergleich zu Rindfleisch mit 34 Kilo. Die heutige Generation achtet sehr auf Nahrung, bei der wenig Co2 anfällt. Sie will etwas, das sowohl der Erde als auch ihrem Körper hilft", sagt Harrington.

Er verkauft Muscheln nach Deutschland, Frankreich, Italien, in die Niederlande und nach Spanien. Zehntausende Tonnen Fisch, Muscheln und Krustentiere aus irischen Zuchtanlagen kommen jährlich auf den Markt.

In Irland arbeitet ein Amt zur Förderung der Meeresfrüchteindustrie unmittelbar mit den Betrieben zusammen. Auch EU-Gelder aus dem Europäischen Meeres- und Fischereifonds kommen zum Einsatz, etwa um die Belegschaften zu schulen oder technische Neuerungen umzusetzen. Richard Donnelly arbeitet für die irische Behörde, die für Fischfang und -aufzucht zuständig ist. „Dort, wo Austern, Muscheln oder Lachs herkommen, gibt es unberührte Natur. Das sagen wir nicht nur bloß, sondern bescheinigen es. 100 Prozent des Lachses und 70 Prozent der Muscheln werden als Bioware eingestuft. Vorrangig ist, dass wir Ware haben, die hohen Werten und niedrigen Umfängen entspricht. Es ist Nischenware. Wenn Sie unsere Meeresfrüchte kosten, kosten Sie etwas völlig Anderes", erläutert Donnelly.

Lillafüred: Forellenzucht seit den 1930er Jahren

Obwohl Ungarn nicht am Meer liegt, ist die Menge an Bio-Meeresfrüchten, die das Land auf den Markt bringt, mit Dänemark und Frankreich vergleichbar. Im Ort Lillafüred im Nordosten des Landes steht Ungarns älteste sich noch in Betrieb befindende Zuchtanlage. Seit den 1930er Jahren werden hier Forellen gemästet. György Hoisty leitet das Unternehmen:

„Ich bin 1982 als Fischereiingenieur hergekommen, leite diesen kleinen Betrieb also seit 38 Jahren. Zunächst war ich Staatsbediensteter, 1991 haben wir die Anlage gepachtet und führen sie seitdem eigenständig", so Hoisty. Zunächst blieb fast die gesamte Arbeit an ihm und seiner Frau hängen. Das ist inzwischen anders, im Laufe der Zeit stellten sie immer mehr Arbeitskräfte ein, der Ertrag wurde deutlich erhöht. Hoisty: „Gegenwärtig stellt der Betrieb 60 Tonnen Fisch her. 60 bis 65 Prozent davon werden hier verkauft oder verarbeitet, 20 bis 25 Prozent gehen an Restaurants in der Gegend, zehn bis zwölf Prozent werden freigelassen, um den Fischbestand zu erhöhen."

Bei der Forellenzucht ist ein ständiger Zustrom von sauerstoffreichem Wasser notwendig. Da die Karstquellen in der Gegend austrocknen, setzt der Betrieb als einer der ersten in Ungarn auf einen eigenen Wasserkreislauf. Auf diese Weise wird das Wasser gereinigt und mit Sauerstoff angereichert. Sieben Mal am Tag gibt es diese Wasserauffrischung.

„In trockenen Jahren fiel der Ertrag erheblich. Aus den Quellen kam nicht genug sauerstoffreiches Wasser für die Fische. Also haben wir ein Wasseraufbereitungssystem entwickelt, um den Ertrag zu erhöhen. Der natürliche Geschmack des Fisches bleibt erhalten, er nimmt keinen See- oder Algengeschmack an", betont Hoisty.

Im Geschmack gibt es keinen großen Unterschied zwischen Wild- und Zuchtfisch.
Marcell Boros
Koch

Die Mastanlage in Lillafüred bietet Forellen aller Entwicklungsstufen an, angefangen bei Fischeiern. Doch der Renner des Betriebs ist die vollkommen ausgereifte Forelle: Frisch gefangen und geräuchert, zubereitet und auf den Tisch gebracht in der angeschlossenen Gaststätte. Während der Coronavirus-Pandemie setzte man auf Außerhauslieferungen. Marcell Boros ist als Koch für die Zubereitung des Fisches zuständig. „Im Geschmack gibt es keinen großen Unterschied zwischen Wild- und Zuchtfisch. Fisch aus Mastanlagen kann etwas fetter sein, wächst aber in einer geschützten Umgebung auf, die regelmäßig überprüft wird, sodass es keine unerwarteten Krankheiten gibt. Die Gäste vertrauen uns, sie wissen, dass diese Anlage eine lange Geschichte hat. Sie können sich sicher sein, dass sie hochwertigen Fisch auf den Tisch bekommen", so Boros.

Die Kundschaft will fangfrischen, gesunden und schmackhaften Fisch. Diesen noch in größeren Mengen zu liefern, ist das Ziel der Mastanlage in Lillafüred - die eigene Wasseraufbereitung macht's möglich.

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