Welche Länder Europas haben den günstigsten und am besten zugänglichen ÖPNV?

Straßenbahnen in der Nähe der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main, Deutschland
Straßenbahnen in der Nähe der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main, Deutschland Copyright AP Photo/Michael Probst
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Von Rosie Frost
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In einem neuen Bericht werden europäische Länder und ihre Hauptstädte nach den Kosten und der Nutzerferundlichkeit ihrer öffentlichen Verkehrsmittel bewertet.

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Ein neuer Greenpeace-Bericht hat den Zustand des öffentlichen Nahverkehrs in 30 europäischen Ländern offengelegt.

Der Bericht bewertet die Länder anhand von vier Kriterien: Einfachheit der Fahrscheinsysteme, Erschwinglichkeit von Langzeittickets, Ermäßigungen für sozial benachteiligte Gruppen und Mehrwertsteuersätze. Auch die jeweiligen Hauptstädte wurden dementsprechend bewertet.

Jeder Hauptstadt und jedem Land wurde eine Punktzahl von maximal 100 zugewiesen.

Luxemburg, Malta, Österreich, Deutschland, Zypern und Spanien schnitten mit hohen Punktzahlen für benutzerfreundliche Tickets und Ermäßigungen am besten ab. Tallinn in Estland, Luxemburg und Valletta in Malta belegen die ersten drei Plätze des Städterankings.

Griechenland, Kroatien und Bulgarien landeten auf den letzten Plätze der Länderliste, wobei Bulgarien in keiner der vier Kategorien punkten konnte.

Was die Städte betrifft, so schnitten Amsterdam in den Niederlanden, London im Vereinigten Königreich und Dublin in Irland in Bezug auf Kosten und Erreichbarkeit am schlechtesten ab.

Wo in Europa sind die öffentlichen Verkehrsmittel am günstigsten und wo am teuersten?

Die Städte mit den günstigsten Monats- oder Jahreskarten sind derzeit Prag, Bratislava, Rom und Wien. In diesen Städten liegen die Kosten nach der Preisanpassung bei 0,85 € oder weniger pro Tag.

Auch Madrid steht auf der Liste ganz oben, allerdings nur vorübergehend, denn dort gibt es bis zum 30. Juni dieses Jahres 60 Prozent Rabatt auf Monatskarten. Spanien hat außerdem die Regional- und Pendlerzüge für Vielfahrer bis Ende 2023 kostenlos gemacht, allerdings mit einigen Einschränkungen, darunter maximal vier Fahrten pro Tag.

Die teuersten Städte in Europa waren London, Dublin, Paris und Amsterdam. Die Langzeittickets kosten hier mehr als 2,25 € pro Tag.

Können kostenlose öffentliche Verkehrsmittel die Menschen dazu bringen, ihr Auto nicht zu benutzen?

"Wir plädieren nicht ausdrücklich für kostenlosen Verkehr", sagt Herwig Schuster, Verkehrsexperte der Greenpeace-Kampagne Mobilität für Alle.

"Wir sagen immer, dass der Verkehr erschwinglich, aber nicht kostenlos sein sollte. Es ist aber natürlich in Ordnung, wenn das in Luxemburg, einem superreichen Land, gemacht wird."

Stattdessen sei es für die meisten Länder einfacher und fairer, einen Betrag von etwa 1 € pro Tag anzustreben.

Aber es gibt immer noch einige Ausreißer auf der Liste, die Luxemburg durchaus das Wasser reichen können.

2013 war Tallinn war eine der ersten Städte, die den öffentlichen Nahverkehr für die Einwohner:innen kostenlos machte, was zu einem Anstieg der Nachfrage um 1,2 Prozent seit der Einführung geführt hat.

RAIGO PAJULA/AFP
Fahrgäste warten am unterirdischen Busbahnhof Viru im Zentrum TallinnsRAIGO PAJULA/AFP

Luxemburg war dann zwar das erste europäische Land, in dem sowohl Pendler:innen, wie auch ausländische Tourist:innen den ÖPNV umsonst benutzen können, es ist jedoch nicht gelungen, die Menschen in nennenswertem Umfang zum Ausstieg aus dem Auto zu bewegen.

Greenpeace merkt an, dass dies wahrscheinlich daran liegt, dass mehr als 200.000 Menschen in Luxemburg grenzübergreifend pendeln, was bedeutet, dass sie immer noch ein Ticket für ein Nachbarland kaufen müssen.

"Die Leute fahren typischerweise von Deutschland nach Luxemburg, von Belgien nach Luxemburg und benutzen trotzdem das Auto, weil es nicht wirklich hilfreich ist, wenn nur der luxemburgische Abschnitt umsonst ist", sagt Schuster.

Im Jahr 2022 wurde Malta das zweite EU-Land, das den öffentlichen Verkehr dauerhaft kostenlos gemacht hat. Dies gilt jedoch nicht für alle Verkehrsmittel - Schnellbuslinien und Fähren sind ausgenommen.

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Nutzer:innen öffentlicher Verkehrsmittel müssen nach wie vor eine "Tallinja-Ticketkarte" vorweisen, die nach einer einmaligen Registrierung gegen eine Gebühr von 15 Euro freie Fahrt ermöglicht. Dies bedeutet, dass Maltas erschwingliche öffentliche Verkehrsmittel für Nicht-Einwohner:innen weniger zugänglich sind.

Wie kann man mehr Menschen dazu bringen, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen?

Laut Greenpeace ist die Senkung der Kosten für öffentliche Verkehrsmittel eine der "einfachsten und schnellsten" Möglichkeiten, um die Menschen zum Umstieg vom Auto auf Züge und Busse zu bewegen. Dies könnte auch dazu beitragen, die Krise der Lebenshaltungskosten und die wachsende “Mobilitätsarmut” zu bekämpfen.

Wenn man den öffentlichen Verkehr billiger macht, dann muss das natürlich vom Steuerzahler gedeckt werden - zumindest auf kurze Sicht.
Herwig Schuster
Verkehrsexperte der Greenpeace-Kampagne Mobilität für Alle

Die Kosten für öffentliche Verkehrsmittel müssen jedoch niedriger sein als die Kosten für den Betrieb eines Autos und ihren Preis auch wert sein, sonst werden sie nicht genutzt. Der Bericht stellt fest, dass viele Länder und Städte die öffentlichen Verkehrsmittel in den letzten Wochen, Monaten und Jahren billiger gemacht haben, aber es bleibt noch einiges zu tun.

"Kurzfristig gesehen ist die Finanzierung in den meisten Ländern ein Problem", sagt Schuster.

"Wenn man den öffentlichen Verkehr billiger macht, dann muss das natürlich vom Steuerzahler getragen werden - zumindest kurzfristig."

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Es gebe jedoch ein "riesiges Potenzial", Geld von den Subventionen für fossile Brennstoffe abzuziehen oder Steuern auf Flugtickets und Kerosin einzuführen, um die reduzierten Ticketpreise zu finanzieren, so Schuster weiter. Eine der einfachsten Möglichkeiten, die Kosten zu senken, wäre die Abschaffung der Mehrwertsteuer, die in einigen osteuropäischen Ländern bis zu 20 Prozent beträgt.

"Ich denke, dass alle Regierungen im Laufe der nächsten Jahre in der Lage sein werden, diese Art von fairen Preisen einzuführen”, so Schuster.

Wichtig ist auch, dass die Systeme durch einfache Fahrkartensysteme leicht zu handhaben sind. Schuster meint, dass elektronische Karten, die überall verwendet werden können - wie in den Niederlanden - eine gute Lösung sind. Vor allem im Vergleich zu Bulgarien, wo man möglicherweise mehrere Fahrkarten für einen Bus oder zum Umsteigen benötigt.

Die Kombination aus niedrigen Kosten, guter Infrastruktur und einem einfach zu verstehenden Fahrkartensystemstellt Greenpeace zufolge den besten Weg dar, um mehr Menschen zur Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zu bewegen.

Was ist ein "Klimaticket" und könnte es die Lösung sein?

Mehrere fortschrittliche Länder und Städte haben unterdessen einen europaweiten Trend zu einem sogenannten "Klimaticket" begonnen.

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"Unsere Definition eines Klimatickets ist ein Fahrschein für den öffentlichen Verkehr, der für alle oder die meisten öffentlichen Verkehrsmittel für einen bestimmten Zeitraum gültig ist", erklärt Schuster.

Drei der 30 Länder - Österreich, Ungarn und Deutschland - haben bisher solche relativ günstigen Tickets eingeführt, die landesweit genutzt werden können.

John MACDOUGALL / AFP
Rolf Erfurt, Betriebsdirektor der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), hält sein Deutschland-Ticket in der Hand.John MACDOUGALL / AFP

"Ich denke, das einzige Modell, das unserer [Empfehlung] recht nahe kommt, ist das österreichische Modell, weil das österreichische Klimaticket alle Verkehrsmittel abdeckt. Man kann das Ticket also sowohl auf dem Land als auch in der Wiener U-Bahn nutzen", sagt Schuster.

Greenpeace fordert, dass alle europäischen Länder, die die Kosten für den öffentlichen Verkehr noch nicht gesenkt haben, ein Klimaticket einführen. Diejenigen, die bereits ein solches Ticket eingeführt haben, sollten es verbessern.

Die Analyse zeigt, dass es das ideale "Klimaticket" in Europa noch nicht gibt. Aber es gibt einige interessante Initiativen, die optimiert werden könnten.

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So sei das österreichische Modell zwar gut, aber zu teuer, so Schuster. Das Deutschlandticket ist zwar billiger, gilt aber in einigen städtischen Verkehrsnetzen nicht.

Auch das grenzüberschreitende Ticketing, wie in Luxemburg, ist ein Thema in Europa. Wenn man für eine Strecke von nur 30 km zwei nationale Fahrscheine kaufen muss, ist ein solches System nicht sinnvoll. Verwirrende und unterschiedliche Ermäßigungen für sozial benachteiligte Gruppen können das Reisen quer durch den Kontinent ebenfalls erschweren.

"Das muss sich ändern, und ich denke, das ist etwas, das die Europäische Kommission übernehmen kann, um einen Prozess in Gang zu setzen, der das erleichtert", so Schuster abschließend.

Journalist • Andreas Rogal

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