Die Landwirtschaftsminister der EU haben sich darauf geeinigt, für die meisten Fischbestände in der stark verschmutzten Ostsee niedrige Fangquoten beizubehalten. Allerdings wächst die Sorge über die Präsenz russischer Schiffe, die die verringerten Möglichkeiten für EU-Fischer ausnutzen könnten.
Nach langwierigen Verhandlungen haben sich die Landwirtschaftsminister der EU darauf verständigt, vorsichtige Gesamtfangmengen (TACs) für kommerziell bedeutende Fischbestände in der Ostsee für 2025 festzulegen. Die Verhandlungen waren überschattet von der Befürchtung, dass russische Trawler die Situation ausnutzen könnten und die Versuche zur Wiederherstellung der Fischbestände durchkreuzen.
Im Januar hatte der Oberste Gerichtshofs der EU die Notwendigkeit betont, sowohl die langfristige Nachhaltigkeit von Fischbeständen wie Hering, Kabeljau, Scholle, Sprotte und Lachs als auch die weitere Rentabilität des Fischereisektors sicherzustellen.
Das Ziel der Einigung war es, „ein Gleichgewicht zwischen der Unterstützung der Erholung der Fischbestände, dem Schutz der Meeresökosysteme und der Sicherung der zukünftigen Rentabilität des Sektors zu finden“, sagte der ungarische Landwirtschaftsminister István Nagy, der einen Kompromisstext vorlegt hatte, mit dem die Pattsituation durchbrochen werden konnte, die zu Verhandlungsbeginn bestand.
Die Minister verfolgten einen vorsichtigen Ansatz bei den Quoten, um die empfindlichen Fischbestände in dem am stärksten verschmutzten Gewässer Europas zu schützen. Allerdings gab es Bedenken hinsichtlich der Präsenz Russlands in der Region.
Russische Schiffe in der Ostsee
Mehrere Minister äußerten Bedenken, dass Beschränkungen für europäische Fischer eine Öffnung für russische Schiffe schaffen könnten, die nicht denselben strengen Umweltvorschriften unterliegen.
Ein EU-Beamter sagte Euronews, einige Mitgliedstaaten hätten während der Verhandlungen ihre Sorge geäußert, dass eine verstärkte russische Fischereitätigkeit die Umweltvorteile reduzierter EU-Quoten zunichte machen könnte.
Während der vorbereitenden Gespräche wiesen einige Delegationen auch auf den potenziellen Doppelschlag hin, der durch den Verkauf russischer Ostseefischprodukte auf dem EU-Markt entstehen könnte, sagte der Beamte.
Ein Beamter der Europäischen Kommission erinnerte in der Sitzung daran, dass es unter den Mitgliedstaaten noch immer keinen Konsens darüber gegeben habe, das Problem der russischen Überfischung anzugehen, so der EU-Beamte.
Der Kommissionsbeamte teilte den Ländervertretern mit, dass die EU-Exekutive weiterhin bereit sei, in dieser Angelegenheit tätig zu werden, wenn der politische Wille vorhanden sei. Die Optionen reichten von Sanktionen (die Einstimmigkeit erfordern) bis hin zu höheren Zöllen auf russische Fischereiprodukte (die mit qualifizierter Mehrheit genehmigt werden können), sagte der EU-Beamte.
Neue Quoten für 2025
Die neuen Quoten wurden auch angepasst, um den ökologischen Herausforderungen in der Ostsee gerecht zu werden.
Kabeljau beispielsweise darf nur behalten werden, wenn er unbeabsichtigt gefangen wurde, um die Erholung der Art zu unterstützen – ein Fangverbot für Kabeljau während der Laichzeit gilt seit 2016 in der westlichen und seit 2018 in der östlöichen Ostsee.
Die Quoten für Sprotten wurden im Hauptbecken der Ostsee um 31 % und die für Lachs um 36 % gesenkt, während die Quoten für die Bestände im Finnischen Meerbusen unverändert blieben.
Für die WWF-Fischereiexpertin Justyna Zajchowska ist die festgelegte Fanggrenze für Sprotten immer noch zu hoch, um das Gleichgewicht des Ökosystems wiederherzustellen, da dieser pelagische Fisch eine Schlüsselrolle als Beute für viele gefährdete Raubtierarten wie die erschöpften Kabeljaubestände spielt.
Die Fanggrenzen für Schollen bleiben dieselben wie im Jahr 2024, obwohl der Bestand insgesamt in einem gesunden Zustand ist. Doch bereitet der Beifang von gefährdetem Kabeljau beim Schollenfang weiterhin Anlass zur Sorge.
Umgekehrt werden die Fangmöglichkeiten für Hering aufgrund positiver wissenschaftlicher Empfehlungen deutlich erhöht – um 108 % in der zentralen Ostsee, 10 % im Rigaischen Meerbusen und 21 % im Bottnischen Meerbusen.
Diese Entscheidung wurde jedoch von Umweltgruppen kritisiert. Cathrine Pedersen Schirmer, leitende politische Beraterin bei FishSec, warnte, dass die EU mehr vorsorgliche Fangmengen und zusätzliche Maßnahmen zur Wiederherstellung der Heringspopulationen benötige.
Warum ist die Ostsee in einem so schlechten Zustand?
Die Kommission beschrieb die Ostsee als „Ökosystemversagen“ aufgrund der unzureichenden Durchsetzung der EU-Umweltvorschriften, darunter der Nitratrichtlinie und der Abwasserbehandlungsvorschriften.
Der EU-Exekutive zufolge haben landwirtschaftliche Emissionen zu übermäßigen Nitratwerten im Meer geführt, was zu einer weit verbreiteten Eutrophierung oder Sauerstoffmangel führt, der das Meeresleben stark beeinträchtigt.
Fischarten wie Kabeljau sind besonders anfällig für niedrige Sauerstoffwerte, die es ihnen erschwert, unter diesen Bedingungen zu gedeihen. Die Kommission warnte, dass selbst ein vollständiger Stopp der Fischerei in der Ostsee den Schaden nicht rückgängig machen würde, wenn nicht die zugrunde liegende Ursache – die Nitratverschmutzung – angegangen würde.
Für Remi Cossetti, Fischereipolitikbeauftragter bei Seas At Risk, wurden bei den neuen Fangquoten die wesentlichen Bedürfnisse des Ökosystems der Ostsee außer Acht gelassen. „Diese verantwortungslose Entscheidung wird den Niedergang des Ökosystems verschärfen und die Lebensgrundlage der Fischer und Küstengemeinden bedrohen“, sagte er.