In einem Interview mit Euronews fordert Salomé Surabischwili die EU-Länder auf, ein „Business as usual“ mit der georgischen Regierung zu vermeiden. Russland erprobe "eine neue Form der Invasion“ in dem Land, sagt sie.
Die scheidende georgische Präsidentin Surabischwili hat in einem Interview mit Euronews ihre Einschätzung wiederholt, dass die georgischen Parlamentswahlen vom 26. Oktober durch russische Propaganda manipuliert wurden. Sie forderte die EU zu schnellem Handeln auf, ohne jedoch näher ins Detail zu gehen.
Im Anschluss an eine Rede im Plenum des Europäischen Parlaments in Straßburg betonte sie noch einmal, am 29. Dezember, dem Tag der Amtseinführung des neu gewählten Präsidenten Micheil Kavelaschwili, nicht zurückzutreten.
„Mein Mandat geht weiter, denn die Verfassung besagt, dass es mit der Amtseinführung eines Präsidenten endet. Aber dieser Präsident muss vom [Wahl-]Kollegium, vom Parlament, gewählt werden, das an sich legitim sein muss, was nicht der Fall ist. Ich werde also bis zu den nächsten Wahlen weitermachen“, sagte sie.
"Wahlen waren manipuliert"
Surabischwili wiederholte die Forderung nach Neuwahlen und betonte, die Parlamentswahlen vom 26. Oktober seien durch russische Einmischung manipuliert worden. Aus dieser Abstimmung war das neue Parlament hervorgegangen, das am 14. Dezember zusammen mit den lokalen Vertretern den neuen Präsidenten gewählt hatte.
Die derzeitige Präsidentin ist überzeugt, dass die georgische Bevölkerung hinter ihr steht, und fürchtet nicht, gewaltsam abgesetzt zu werden, auch wenn sie ihren Sicherheitsapparat verlieren könnte.
„Meine Legitimität beruht auf meiner Wahl und auf dem Vertrauen der Bevölkerung. Sie hängt nicht vom Amtgebäude oder dem Sicherheitsapparat oder von irgendetwas Materiellem ab, das sie bereitstellen oder nicht bereitstellen“, sagte sie und bezog sich dabei auf die Regierungspartei Georgischer Traum. „Sie werden es sicher nicht akzeptieren. Sie haben es schon früher nicht akzeptiert.“
Ihrer Einschätzung nach hätte die Regierungspartei Georgischer Traum zwischen 30 und 35% der Stimmen erhalten müssen, anstatt der 53 Prozent. Sie verwies zudem auf die Schwierigkeiten bei der Stimmabgabe von den rund einer Million Diaspora-Emigranten, von denen sie behauptete, dass nur 34.000 in der Lage waren, zu wählen, „weil man ihnen künstliche Hindernisse in den Weg gelegt hat“.
Surabischwili schilderte verschiedene Möglichkeiten der Einmischung Russlands in die georgischen Wahlen vom 26. Oktober, darunter Wahlmanipulationen mit neuen elektronischen Geräten, Einschüchterung und Stimmenkauf.
Innerhalb eines Monats seien 200 Millionen Dollar an Schwarzgeld ins Land geflossen. „Und das wissen wir, weil die Zentralbank zu dieser Zeit Dollarreserven verkaufen musste und es keine andere Erklärung gab“, sagt sie.
Sie sagte, der Georgische Traum habe den Boden für die Wahlmanipulation bereitet, indem er ein Gesetz einführte, das die Finanzierung von NGOs unter Druck setzen sollte, so dass diese weniger gut auf die Wahlbeobachtung vorbereitet waren.
„Es handelte sich also um eine ausgeklügelte, gut geplante und durchdachte Operation, die von russischer Propaganda unterstützt wurde." Surabischwili zitierte ein Meme, in dem behauptet wurde, eine ‚globale Kriegspartei‘, der auch westliche Länder angehörten, würde Georgien in den Krieg in der Ukraine hineinziehen.
Russland hat die Vorwürfe der Einmischung in die georgischen Parlamentswahlen zurückgewiesen. „Wir weisen solche Anschuldigungen entschieden zurück. Dies ist für viele Länder zum Standard geworden, und bei der kleinsten Sache beschuldigen sie Russland sofort der Einmischung. Nein, das stimmt nicht, es gab keine Einmischung, und die Anschuldigungen sind absolut unbegründet“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow vor Reportern in Moskau wenige Tage nach der Abstimmung.
"Eine neue Form der russischen Invasion"
Surabischwili meinte, sie fürchte eine russische Invasion in Georgien nicht, auch wenn sich russische Truppen bereits auf georgischem Gebiet befinden und verwies auf Abchasien und Südossetien, die Georgien als „besetzte Gebiete“ betrachtet. Aber sie sagte, Russland experimentiere mit „einer hybriden Invasion durch Wahlen, durch Stellvertreter, durch eine autoritäre Regierung“.
Sie forderte die EU auf, schnell zu handeln, um eine „Business as usual“-Verbindung mit der georgischen Regierung zu vermeiden, die „ihr Volk belügt, indem sie sagt, dass sie auf jeden Fall auf den europäischen Weg zurückkehren wird, während sie einen wirklich autoritären Staat nach russischem Vorbild errichtet“.
Die Regierungspartei hatte den EU-Beitritt tatsächlich zwar nicht ausdrücklich abgelehnt, aber am 28. November die Aussetzung der EU-Beitrittsgespräche bis Ende 2028 angekündigt. Die Entscheidung löste massive Proteste aus, die in mehreren georgischen Städten immer noch andauern. Es kam zu gewaltsamer Unterdrückung, chaotischen Zusammenstößen auf den Straßen, Verhaftungen von Oppositionellen und zahlreichen Berichten über Verletzte.
Bis jetzt "wachte Europa nur langsam auf und reagierte nur langsam", wie die georgische Präsidentin in ihrer Plenarrede sagte. Während das Europäische Parlament Neuwahlen in dem osteuropäischen Land forderte, schlugen die EU-Mitgliedstaaten eine Aussetzung der Visumfreiheit für georgische Inhaber von Diplomaten- und Dienstpässen vor. Sie konnten sich jedoch nicht auf die Verhängung von EU-Sanktionen gegen georgische Beamte einigen, da dies durch die Vetos von Ungarn und der Slowakei blockiert wurde.
„Ich weiß, wie schwierig es ist, einen Konsens für die Entscheidung über direktere Maßnahmen zu finden“, so Surabischwili. „Aber ich denke auch, dass die EU nicht zulassen kann, dass ein Land ihre Außenpolitik in einer Region bestimmt, die für die Europäische Union strategisch so wichtig ist wie der Kaukasus."
Daher forderte sie die EU nun auf, ihre Reaktion zu verschärfen und sie jetzt zu unterstützen. Nach ihrer Rede traf sie sich mit Europaabgeordneten und EU-Beamten im Parlament, um für ihre Sache zu werben. „Einige Leute fragen mich, ob ich ins Exil gehen werde, und sagen, sie würden mich gerne unterstützen. Aber nein, ich werde in Georgien bleiben, und sie müssen mich in Georgien zusammen mit der georgischen Bevölkerung unterstützen.“