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Der Koalitionsvertrag steht - überwiegend Enttäuschung von Opposition und Verbänden

Friedrich Merz von der CDU, Markus Söder von der CSU und Lars Klingbeil von der SPD
Friedrich Merz von der CDU, Markus Söder von der CSU und Lars Klingbeil von der SPD Copyright  AP Photo
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Von Franziska Müller
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Der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD steht. Nach 45 Verhandlungstagen haben die Parteivertreter das Programm vorgestellt. Von Zustimmung zu scharfer Kritik ist aus der deutschen Politik alles zu hören - ein Stimmungsbild.

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Union und SPD haben sich auf einen gemeinsamen Koalitionsvertrag geeinigt und diesen am Nachmittag in Berlin vorgestellt. In den vergangenen Tagen wurde zwischen SPD und Union noch hart um den Kurs in der Migrationspolitik sowie bei den Steuern und der Rente gerungen. Nun sind auch alle Ministerien verteilt.

CDU und CSU wollen auf einem Kleinen Parteitag, der voraussichtlich am 28. April stattfinden soll, über den Vertrag abstimmen. Der SPD-Mitgliederentscheid über den Koalitionsvertrag soll zehn Tage dauern. Sollte es mit diesem Zeitplan klappen, könnte Friedrich Merz (CDU) Anfang Mai im Bundestag zum Kanzler gewählt werden, schätzt CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt.

Reaktionen der deutschen Parteien auf den Koalitionsvertrag

Mit den Worten "Der Koalitionsvertrag ist ein Aufbruchsignal und kraftvolles Zeichen für unser Land", hat CDU-Vorsitzender Friedrich Merz die Vorstellung des 146-seitigen Vertrags über die Zusammenarbeit mit der SPD begonnen. Markus Söder (CSU) pflichtete ihm bei, der Vertrag sei eine "Fitness- und Modernisierungskur." Der Koalitionsvertrag sei "ein roter Faden für die Modernisierung des Landes", sagte SPD-Vorsitzender Lars Klingbeil.

Eins der großen Themen des CDU-Wahlkampfes war Migration. Dazu teilte Merz auf der Social Media Plattform X: "Wir ordnen und steuern Migration besser [...] und stoppen die Turbo-Einbürgerung."

Dafür erntet der voraussichtliche Kanzler deutliche Kritik von Bundestagsmitglied Kassem Taher Saleh für die Grünen. "Wer beim 'Stichwort Integration' (Merz) zuerst über Abschiebung" sprechen würde, hat laut dem Grünen-Politiker "nicht nur den moralischen Kompass verloren", schrieb er auf X. Der Grünen-Politiker bedauert auch, dass "kein Wort über Ostdeutschland" fiel und machte auf den wirtschaftlichen Aspekt des Standorts aufmerksam.

Auch die Grünen im Bundestag geben sich enttäuscht. "Die 90er haben angerufen, sie wollen ihre Politik zurück", teilte der Fraktions-Account auf X mit einem Bild des jungen Merz. Co-Parteichefin Franziska Brantner sagte: "Diese Koalition hat Geld wie Heu, aber Ideen wie Stroh."

Laut der Bundestagsfraktion der Grünen gebe die Koalition keine Antworten auf die existenziellen Probleme. "Rente, Pflege, Gesundheit - die Koalition hat keine Ahnung, wie sie die Sozialausgaben von morgen stemmen soll und scheint nach dem Motto 'Die jungen Leute werden es schon richten' zu handeln."

Das sieht der Noch-Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach von der SPD anders. Er bewertet den Koalitionsvertrag seiner Partei gemeinsam mit der Union als "gelungen" und ist sich sicher, dass mit der Koalition "die Gesundheitsversorgung besser wird." Der Minister muss sein Amt abgeben und wünschte seinem Nachfolger viel Glück.

Der nächste Gesundheitsminister wird von der CDU gestellt und ist vermutlich Tino Sorge. Er teilte auf X, die CDU hätte für Gesundheit und Pflege "mit der SPD viele gute Impulse vereinbart."

Der Sozialverband VdK Deutschland nuanciert. Auf der Plattform X sowie in einem Statement bewertete die Präsidentin Verena Bentele z.B. die Stabiliserung des Rentenniveaus als "sehr positiv." Die fehlende Verpflichtung zu Barrierefreiheit und Regelungen des Pflegelohns nannte sie jedoch einen "groben Missstand." Auch die "Pläne zum Bürgergeld sind irritierend".

Der ehemalige Vizepräsident des Deutschen Bundestags Wolfgang Kubicki (FDP) bemängelte die Vereinbarungen zu den Themen Sicherheit und Datenschutz. Auf X teilte er seine Sorge über "herausfordernde Jahre für die Freiheit":

Auch der Verein LobbyControl kritisierte, dass der Koalitionsvertrag nicht dazu beitrage, Transparenz und Lobbykontrolle in Deutschland voranzubringen.

Deutschland hätte "Mut zur Reformpolitik" gebraucht, sagte Christian Dürr, der ehemalige Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion. "Die Wirtschaftswende ist abgesagt worden. Echter Bürokratieabbau ist abgesagt worden. Echte Strukturreform, Staatsmodernisierung ist abgesagt worden."

In ihrer Wahlkampagne vor Februar setzte die FDP auf ein bürokratiefreies Jahr für Unternehmen. Die FDP, die bei den Wahlen im Februar die Fünf-Prozent-Hürde nicht erreicht hatte, sitzt nicht im neuen Bundestag.

Die AfD, die zuletzt in Umfragen Deutschlands stärkste Kraft waren, kritisieren die Vereinbarungen scharf. Alice Weidel nannte den Koalitionsvertrag ein "Kapitulationsurkunde von Friedrich Merz". In einem gemeinsamen schriftlichen Statement von Weidel und Co-Chef Tino Chrupalla moniert die AfD Versäumnisse in Asyl- und Energiepolitik sowie eine fehlende Steuerreform "im Interesse der Bürger".

Gemischte Reaktionen von sozialen Verbänden und Organisationen

Der Digitalverband Bitkom begrüßte die geplante Einrichtung eines Ministeriums für Digitalisierung und Staatsmodernisierung - Bitkom-Chef Wintergerst sprach von einem lange erwarteten Aufbruchsignal.

Neben dem Sozialverband VdK haben auch andere Organisationen ihre Einschätzung des Koalitionsvertrags geteilt. Diakonie und Caritas zeigten sich erleichtert. Es gehe auch darum, soziale Sicherheit zu verteidigen. Das stehe im Koalitionsvertrag deutlich.

Fridays for Future Germany veröffentlichte auf X: "Wir sind sauer." Ähnlich wie die Grünen-Bundestagsfraktion schrieben sie, dass "diese 146 Seiten komplett in den 90er Jahren fest" hängen.

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, kritisierte den Koalitionsvertrag als Kompromiss, der den Status quo weitgehend beibehalte und zentrale Zukunftsfragen unzureichend adressiere.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie sieht Ansätze für Strukturreformen. Die kurzfristige, konkrete Entlastung von Industrie, Gewerbe und privaten Haushalten von zu hohen Energiekosten sei wichtig und richtig, heißt es in einer Stellungnahme. Steuerpolitisch bleibe die Koalition jedoch "hinter dem Notwendigen" zurück.

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