Eine Störung bei Amazon Web Services hat weltweit zahlreiche Websites und Dienste offline genommen, Europa war massiv davon betroffen. Politiker und Experten fordern nun mehr digitale Souveränität und eine stärkere europäische Cloud-Infrastruktur.
Eine schwerwiegende Störung bei Amazons Cloud-Computing-Dienst AWS hat weltweit zahlreiche Online-Dienste lahmgelegt. Auch Deutschland war davon massiv betroffen. Stundenlang gingen Apps wie Snapchat oder Reddit, Anwendungen wie Slack, Zoom oder Canva nicht.
Beim Cloud-Computing werden Speicherplatz, Rechenleistung und Software nicht mehr auf lokalen Servern betrieben, sondern über das Internet von Anbietern wie beispielsweise Amazon Web Services (AWS) bereitgestellt und genutzt.
Fällt also ein Anbieter aus, können Banken, Regierungsseiten, soziale Medien oder Lieferdienste gleichzeitig betroffen sein.
Expertin: Ausfälle sind nicht technische Probleme, sondern "demokratische Versäumnisse"
Das zeigte die Störung bei AWS. Eine fehlerhafte Anbindung in den USA legte zahlreiche Dienste lahm. AWS teilte mit, die Systeme liefen inzwischen wieder stabil.
"Diese Ausfälle sind nicht nur technische Probleme – sie sind demokratische Versäumnisse", sagte Corinne Cath-Speth, Expertin für Cloud-Computing und Leiterin Digitales bei der Menschenrechtsorganisation ARTICLE 19.
"Wenn ein einzelner Anbieter ausfällt, gehen mit ihm kritische Dienste vom Netz – Medienangebote sind nicht mehr erreichbar, sichere Kommunikationsapps wie Signal funktionieren nicht mehr, und die Infrastruktur unserer digitalen Gesellschaft bröckelt."
Sie forderte Unternehmen auf, ihre Cloud-Nutzung zu diversifizieren. Die Cloud sei "die Infrastruktur, die demokratischen Diskurs, unabhängigen Journalismus und sichere Kommunikation trägt", und Firmen dürften "nicht von einer Handvoll Unternehmen abhängig sein".
Britisches Parlament fordert Aufklärung
Auch im Vereinigten Königreich wird die Abhängigkeit von US-IT-Diensten zunehmend kritisch gesehen, nachdem unter anderem die Steuerbehörde HMRC und mehrere Banken betroffen waren. Ein Parlamentsausschuss verlangt Aufklärung und fragt, warum AWS nicht als "kritischer Drittanbieter" eingestuft ist – ein Status, der strengere Aufsicht ermöglichen würde.
AWS führt den Markt für Cloud-Infrastruktur an. Der Vorfall befeuert erneut die Forderungen nach einem Cloud-System aus Europa.
„Europas überwältigende Abhängigkeit von Big Tech bei der digitalen Infrastruktur macht uns extrem verwundbar“, sagte Robin Berjon, unabhängiger Technologieexperte.
Europäischer Cloud-Markt von Big Tech aus den USA dominiert
Amazon, Microsoft und Google beherrschen rund siebzig Prozent des europäischen Cloud-Marktes.
Aber Europa versucht mit Gaia-X, einem 2020 von der Europäischen Union gestarteten Projekt, einen eigenen Anteil am Markt zu sichern – als Gegenmodell zur US-Dominanz bei Cloud-Diensten.
Gaia-X ist jedoch kein Cloud-Anbieter. Das Ziel des Projekts ist eine europäische Cloud-Infrastruktur, über die Unternehmen Daten austauschen können. Sie woll leistungs- und wettbewerbsfähig für Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung aus Deutschland und seinen europäischen Nachbarn sein.
Die Europäische Kommission will in diesem Jahr außerdem einen Cloud and AI Development Act vorlegen. Er soll die Rechenzentrumskapazitäten der EU in den nächsten fünf bis sieben Jahren mindestens verdreifachen.
Nach Angaben der Kommission soll das Gesetz mit einer einheitlichen, EU-weiten Cloud-Strategie für Verwaltungen und öffentliche Beschaffung verzahnt werden.
Für die EU stellt sich jedoch nicht nur die Frage der Regulierung von Big Tech. Entscheidend ist, ob die Maßnahmen reichen, damit europäische Unternehmen wirklich mithalten können.