Volle Terrassen - Schwedens Sonderweg in der Coronakrise

Volle Terrassen - Schwedens Sonderweg in der Coronakrise
Copyright Mie Olsen, Euronews
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Von Mie Olsen
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Die Regierung in Stockholm verteidigt ihre vergleichsweise lockeren Maßnahmen im Kampf gegen die weltweie Epidemie.

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"Es ist ein Mythos, dass das Leben in Schweden ganz normal weitergeht", sagt die Außenministerin des Landes, Ann Linde, und verteidigte damit die COVID-19-Strategie der schwedischen Regierung.

Schweden ist in die Kritik geraten, weil die Maßnahmen gegen eine Ausbreitung des Coronavirus weniger streng sind als in vielen anderen europäischen Ländern.

Schwedens Sonderweg

Das Land hat große Menschenansammlungen verboten, Schulen und Universitäten bleiben geschlossen und ältere Menschen sind aufgefordert, wenn möglich nicht vor die Tür zu gehen. Aber Restaurants, Bars, Grundschulen und die meisten Geschäfte sind immer noch geöffnet - im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern wie Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien, wo langsam über eine Rückkehr zur Normalität diskutiert wird.

Die Journalistin Mie Olsen reiste nach Malmö, um sich selbst ein Bild zu machen.

"Auf den ersten Blick scheint die Lage in Malmö Lindes Behauptung stützen", sagt sie. "Es gibt nur wenige Menschen, die auf dem Hauptplatz Stortorget zu sehen sind. Die Bars haben alle Live-Veranstaltungen abgesagt. Öffentliche Ansagen danken den Menschen dafür, dass sie Abstand gehalten haben."

Dennoch herrscht auf dem beschaulichen Platz Lilla Torg, direkt neben dem Stortorget, eine ausgelassene Stimmung. Jung und Alt trinken Kaffee unter Heizstrahlern, Familien schlendern über den Bürgersteig. Im gemütlichen Eckcafé “Folk & Rock” sitzen an einem Nachmittag während der Coronavirus-Epidemie rund 20 Gäste.

"Karolina Ingoldsson ist eine Kellnerin im Café. Sie erzählt mir, dass wegen COVID-19 weniger Gäste kommen. Aber sobald die Sonne draußen sei, gingen alle ein Gläschen trinken und setzten sich eng zusammen. Die Leute nähmen die Gefahr durch das Coronavirus nicht allzu ernst”, fügt sie hinzu.

"Sie spricht von einem eher ruhigen Samstag und sagt, dass Stockholm im Hinblick auf die COVID-19-Todesfälle schlechter dran sei als Malmö."

“Alles andere als normal”

Auf der Straße kommt die Journalistin Mie Olsen mit dem in Malmö ansässigen Robert Lind ins Gespräch, der darauf pocht, dass das Leben nicht normal weitergehe.

"Die Menschen sind vorsichtiger, meiden Menschenmassen, bleiben mehr zu Hause und halten Abstand”, sagt er ihr. In seinem Gebäude hätten ein Bekleidungsgeschäft und ein Schönheitschirurg geschlossen, da viele Kunden in den letzten Wochen zu Hause geblieben seien.

Nach dem Gespräch geht Robert zu einem nahe gelegenen öffentlichen Brunnen, um sich die Hände zu waschen.

Außerhalb des historischen Stadtzentrums von Malmö mussten Bars und Cafés schließen, die schon vor COVID-19 mit geringen Einnahmen zu kämpfen hatten.

Doch für Olsen ist kein Unterschied sichtbar. "Im beliebten Restaurant “Mello Yello” ist fast jeder Tisch mit lauten und fröhlichen Gruppen besetzt. Vielen der anwesenden Biertrinker meinen, die Isolation verzögere die lediglich die weitere Ausbreitung des Coronavirus, statt ihn zu besiegen. Das Barpersonal spricht von einem ruhigen Tag und sagt, dass es normalerweise überfüllter wäre”, so Olsen. Derzeit werde die Bar jede Woche von den Gesundheitsbehörden besucht, die den vorgeschriebenen Abstand von 1,5 Metern zwischen den Tischen überwachten.

Draußen trotz Covid

"Die Schweden in Malmö sind der Meinung, auch wenn COVID-19 das öffentliche Leben lahm legt, dass das Virus sie aber nicht davon abhalten sollte, spazieren zu gehen und sich auf einer Terrasse mit einer kalten Erfrischung zu entspannen.

Schweden verzeichnet am 24. April mehr als 2.000 COVID-19 Todesfälle. Mehr als ein Drittel davon sind innerhalb der letzten Woche aufgetreten. Im Vergleich dazu starben bisher fast 22.000 Menschen in Frankreich, mehr als 22.000 weitere in Spanien und fast 26.000 in Italien. In Deutschland sind es fast 6.000.

Trotz des rasanten jüngsten Anstiegs hält der staatliche Epidemologe Anders Tegnell an der Strategie der schwedischen Regierung fest.

Die kommenden Tage werden zeigen, ob Schweden Recht oder kostbare Zeit verloren hat.

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