Erdoğan: Europas Muslime "behandelt wie Juden vor dem 2. Weltkrieg"

Recep Tayyip Erdoğan machte den Boykottaufruf während einer Rede am Montag
Recep Tayyip Erdoğan machte den Boykottaufruf während einer Rede am Montag Copyright Anadolu/Mustafa Kamacı
Von Michael Daventry
Diesen Artikel teilenKommentare
Diesen Artikel teilenClose Button
Den Link zum Einbetten des Videos kopierenCopy to clipboardCopied

"Die Muslime erleben heute eine ähnliche Lynchkampagne, wie sie gegen Juden in Europa zur Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg geführt wurde", erklärt der türkische Präsident und rief zum Boykott französischer Produkte auf.

WERBUNG

Den Worten des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan zufolge hat die Islamophobie in Europa hat ein Niveau erreicht, das mit der Behandlung von Juden vor dem Zweiten Weltkrieg vergleichbar ist. "Die Muslime erleben heute eine ähnliche Lynchkampagne, wie sie gegen Juden in Europa zur Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg geführt wurde", sagte Erdoğan wörtlich in einer im Fernsehen ausgestrahlten Rede.

"Die wachsende Islamophobie im Westen hat sich zu einem Großangriff auf unser Buch, unseren Propheten und alles, was uns heilig ist, entwickelt", so Erdogan.

Zudem rief er zu einem Boykott von Produkten aus Frankreich auf. Hintergrund ist ein Streit mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dessen Aussagen zum Islam und Muslimen nach dem Mord an einem französischen Lehrer.

"Umsiedlungen, Inquisitionen und Völkermorde an Mitgliedern verschiedener Religionen sind keine Praxis, die Europa fremd ist", so Erdoğan.

"Die Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die vor 80 Jahren an Juden begangen wurden, die Taten gegen unsere bosnischen Geschwister in Srebrenica vor nur 25 Jahren sind uns noch in Erinnerung."

Erdoğan nannte die jüngsten Ereignisse als Beweis dafür, dass europäische Muslime anhaltenden Angriffen ausgesetzt sind, darunter eine Polizeirazzia in der vergangenen Woche in der Kreuzberger Mevlana-Moschee in Berlin, bei der 150 Beamte im Einsatz waren.

Die Staatsanwalt ermittelt wegen des Verdachts auf Betrug bei Corona-Soforthilfen beim Moschee-Verein. Die Schadenssumme beläuft sich auf 70.000 Euro aus dem Coronavirus-Notfallfonds.

Boykottaufruf für französische Produkte

Dem türkischen Präsidenten zufolge sind sowohl die Razzia in der Moschee, sowie die Behauptung Macrons, der Islam befinde sich weltweit in einer "Krise", ein Beweis für einen umfassenderen Angriff auf Muslime in Europa.

"Diese Vorfälle sind ein Zeichen für einen besonders gefährlichen Prozess, der für die europäischen Muslime sehr schwerwiegende Folgen hat", erklärte Erdoğan.

Er rief zum Boykott französischer Produkte in der Türkei auf. In Jordanien, Kuwait und Katar hatten Händler nach Aussagen Macrons zu Mohammed-Karikaturen und Pressefreiheit am vergangenen Sonntag französische Waren aus ihren Filialen genommen.

"Ich rufe jetzt mein Volk auf, genauso wie sie es in Frankreich gemacht haben, dass sie keine türkischen Marken mehr kaufen sollen, ich rufe mein Volk hier und jetzt auf: Scheren Sie sich nicht um Waren mit französischem Etikett, kaufen Sie sie nicht!"

Auf welchen Boykott türkischer Produkte in Frankreich sich Erdoğan bezog, blieb unklar.

Erdoğan und Macron sind seit den Äußerungen des französischen Präsidenten zum Islam nach der brutalen Enthauptung des Lehrers Samuel Paty Anfang dieses Monats in einen erbitterten Streit geraten.

Macron hatte nach dem Tod des Lehrers in Frankreich klargestellt, dass die Meinungsfreiheit in Frankreich auch das Recht beinhaltet, den Propheten Mohammed zu karikieren. In seinem Land werde nicht "auf Karikaturen und Zeichnungen verzichtet, auch wenn andere sich davon zurückziehen", sagte Macron bei der Gedenkfeier zu Ehren des getöteten Lehrers. Paty hatte mit seiner Klasse eine Diskussion über Karikaturen des Propheten Mohammed geführt.

Muslime lehnen eine bildliche Darstellung des Propheten ab und empfinden sie als beleidigend, explizit verboten ist sie im Koran aber nicht.

Proteste gegen die Aussagen von Macron gab es auch muslimisch geprägten Ländern, wie Jordanien, Marokko, Katar, Kuwait und Pakistan.

Macrons psychische Gesundheit in Frage gestellt

Macron hatte anschließend auch von Problemen gesprochen, die durch radikale Muslime in Frankreich geschaffen würden, diejenigen, die einen "islamistischen Separatismus" praktizierten.

Erdoğan erklärte hingegen, dass der französische Staatschef den Islam und die Glaubensfreiheit angegriffen habe. Er habe zudem Zweifel an Macrons psychischer Gesundheit, er riet ihm zu einer psychischen Untersuchung. Eine Bemerkung, die Frankreich dazu veranlasste, seinen Botschafter aus Ankara abzuziehen. Die Äußerungen Erdoğans seien eine "Beleidigung".

WERBUNG

Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte, dass die Äußerungen von Erdoğan im Zusammenhang mit dem Mord an dem Lehrer "diffamierend" und "völlig inakzeptabel" seien.

Diesen Artikel teilenKommentare

Zum selben Thema

Chanukka mit riesigem Lego-Leuchter in Budapest

Komödie auf Kurdisch? Nicht in der Türkei

Bleibt Mustafa Akinci (72) Präsident des nur von der Türkei anerkannten Nordzypern?