In Deutschland wurde sie erst ausgeschlossen und jetzt von einer großen Zahl der Politiker:innen befürwortet: Die Pflicht sich impfen zu lassen. Wie halten es die anderen europäischen Länder?
Mit der steigenden Zahl an COVID-19-Fällen in Europa versuchen Regierungen verstärkt, Impfskeptiker zur Immunisierung zu bewegen.
Seit diesem Sommer reichten die Maßnahmen von Gesundheitspässen bis zuletzt hin zu Lockdowns derjenigen, die sich nicht impfen lassen wollen.
Weil ungeimpfte Menschen ein sehr viel höheres Risiko für schwere Krankheitsverläufe haben, diskutieren immer mehr Länder eine Impfpflicht. Am 1. Dezember forderte auch die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, eine EU-Diskussion zu diesem Thema.
Zwar gibt es in vielen Ländern bereits eine Impfpflicht für Kinder, z.B. gegen Masern, aber Ethikexperten halten es für schwieriger, Erwachsene zum Impfen zu verpflichten.
Ein Überblick über die Impfpflicht-Diskussion in Europa.
Österreich
Ab dem 1. Februar wird die Impfung in Österreich verpflichtend sein - Wien hatte als erste Regierung in Europa diesen Schritt gewagt.
Alexander Schallenberg, der zu diesem Zeitpunkt Bundeskanzler war, erklärte, es sei der einzige Weg, um aus dem Teufelskreis der Viruswellen herauszukommen.
Österreich ist das erste Land in der EU, das in der vierten Welle einen harten Lockdown verhängt und eine generelle Impfpflicht eingeführt hat.
Griechenland
Griechenland wird künftig Geldstrafen gegen Personen über 60 Jahre verhängen, die sich nicht impfen lassen.
Wer die Spritze bis zum 15. Januar nicht bekommen hat, muss mit einer Geldstrafe von 100 Euro pro Monat rechnen.
Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis verteidigte die Maßnahme mit der Begründung, dass 90 % der Todesfälle durch COVID-19 die ältere Bevölkerung betreffen.
Seit September muss in Griechenland das Gesundheitspersonal in öffentlichen und privaten Einrichtungen geimpft sein. Außerdem wurden in letzter Zeit die Beschränkungen für ungeimpfte Personen verschärft.
Deutschland
Die deutschen Bundestagsabgeordneten sollen nach Abgaben des designierten Kanzlers Scholz bald über die Einführung einer Impfpflicht abstimmen.
Scholz sagte, er hoffe und glaube, dass die Abgeordneten dafür stimmen würden.
Der Co-Vorsitzende der Grünen, Robert Habeck, der in der neuen Regierung Vizekanzler werden könnte, sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Die Impfpflicht wäre ein weitreichender Eingriff in die Freiheit des Einzelnen. Aber sie schützt das Leben und letztlich die Freiheit der Gesellschaft".
"Um in Zukunft die Oberhand zu behalten und eine fünfte Welle zu verhindern, müssen wir jetzt die Vorbereitungen für eine allgemeine Impfpflicht treffen."
Auch FDP-Chef Christian Lindner, der zunächst gegen eine Impfpflicht war, hat diese zuletzt in Interviews in Betracht gezogen.
Angela Merkel, die sich bisher gegen eine Impfpflicht ausgesprochen hatte, erklärte am Donnerstag (2. Dezember), dass sie, wenn sie Mitglied des Bundestages wäre, für eine Impfpflicht stimmen würde.
Italien
Italien war eines der ersten Länder, das im April die Impfung für Angestellte der Gesundheitsberufe vorschrieb, um die Patienten zu schützen.
"Die Impfung ist eine wesentliche Voraussetzung für die Ausübung des Berufs", erklärte das italienische Gesundheitsministerium.
Kürzlich wurde diese Verpflichtung auf Lehrer:innen und Verwaltungsangestellte an Schulen, das Militär, die Polizei und Rettungskräfte ausgedehnt. Sie tritt am 15. Dezember in Kraft.
Anstatt weitere Impfungen vorzuschreiben, hat Italien seinen "grünen Pass" verschärft, der eine Genesung von COVID-19 oder eine Impfung voraussetzt - was in Deutschland 2G genannt wird -, um an Kulturevents und Sportveranstaltungen teilnehmen zu können und Zutritt zu Nachtclubs zu bekommen.
Frankreich
Seit September müssen sich in Frankreich Angestellte in Gesundheits- und Pflegeberufen, Feuerwehrleute und Angestellte im ÖPNV impfen lassen.
Personen, die beruflich mit der Öffentlichkeit in Berührung kommen, müssen einen "pass sanitaire" haben, um zur Arbeit gehen zu können. Der Gesundheitsausweis weist nach, dass man gegen COVID-19 geimpft oder davon genesen ist. Er kann aber auch durch einen selbstbezahlten, negativen PCR-Test für 24 Stunden gelten.
Auch für den Zutritt zu Bars, Restaurants, Fitnessstudios und andere Veranstaltungen ist ein Gesundheitspass erforderlich.
Gesundheitsminister Olivier Véran sprach sich gegen eine Impfpflicht aus. Sie sei für Erwachsene schwieriger durchzusetzen als für Kinder.
Großbritannien
Der britische Gesundheitsminister Sajid Javid erklärte im November, dass die COVID-19-Impfung für Beschäftigte im Gesundheits- und Sozialwesen ab dem 1. April in England obligatorisch sein werde. In diesem Bereich waren die COVID-19-Fälle in die Höhe geschossen.
In einem BBC-Interview sagte Javid gleichzeitig, dass die Impfmüdigkeit im Land gering sei und er deshalb nicht glaube, dass eine allgemeine Impfpflicht kommen werde.
Schweden
Ein Sprecher des schwedischen Gesundheitsministers sagte Euronews, dass die Regierung nicht plane, eine Impfpflicht einzuführen.
"Die Beibehaltung der Freiwilligkeit von Impfungen, die Schaffung von Vertrauen und die Unterstützung der Bürger:innen bei der Entscheidungsfindung haben sich als erfolgreich erwiesen, um hohe Impfraten in Schweden zu erreichen", sagte der Sprecher.
Ab dem 1. Dezember hat Schweden einen COVID-19-Ausweis für den Zutritt zu öffentlichen Veranstaltungen in geschlossenen Räumen mit mehr als 100 Personen eingeführt.
Der Ausweis bescheinigt, dass der Inhaber vollständig geimpft, negativ auf das Virus getestet oder von der Krankheit genesen ist.
Ungarn
In Ungarn ist die Impfung für Mitarbeiter des Gesundheitswesens, Lehrerkräften an staatlichen Schulen und Personen, die in staatlichen Einrichtungen arbeiten, vorgeschrieben.
Privatunternehmen können entscheiden, ob ihre Mitarbeiter:innen geimpft werden müssen oder nicht.
Ungarische Politiker:innen, darunter auch Ministerpräsident Viktor Orban, haben die Bürger:innen aufgefordert, sich so bald wie möglich impfen zu lassen.
Dänemark
Premierministerin Mette Frederiksen sagte am Mittwoch, dass sie es sehr begrüßen würde, wenn die Entscheidung zur Impfung von der Einzelperson getroffen würde.
Dänemark stellt COVID-19-Ausweise aus, die eine Impfung, eine Genesung vom Virus oder einen negativen Test voraussetzen, um Zugang zu einem Großteil des öffentlichen Lebens zu erhalten, darunter Restaurants, Kinos und Frisöre.
Schweiz
Die Schweizer Regierung erklärt, dass "eine allgemeine Impfpflicht für die Bevölkerung rechtlich ausgeschlossen ist".
"Transparente und verständliche Informationen sollen es jeder Person ermöglichen, ihre Entscheidung frei zu treffen", so das Gesundheitsamt.
Der Bund oder die Kantone können jedoch "gefährdeten Personengruppen und bestimmten Personen die Impfung unter sehr strengen Auflagen vorschreiben". Niemand kann jedoch "gezwungen" werden, sich impfen zu lassen.
Die Schweizer:innen haben kürzlich in einer Volksabstimmung für die COVID-19-Maßnahmen gestimmt, einschließlich der Beibehaltung der Verwendung von Gesundheitspässen für den Zugang zum öffentlichen Leben.
Lettland
Lettland hat Maßnahmen für ungeimpfte Personen ergriffen.
Ab dem 15. Dezember müssen Arbeitnehmer:innen eine COVID-19-Impfung oder eine Genesungsbescheinigung vorlegen. In staatlichen Einrichtungen gilt dies auch für Personen, die von Zuhause aus arbeiten.
Ein COVID-19-Ausweis, der die Impfung oder die Genesung vom Virus belegt, ist für den Zugang zu Einzelhandelsgeschäften, kulturellen Veranstaltungen und Restaurants erforderlich.