Inzidenz bei fast 388: Wieder Proteste und "gesteigertes Gewaltpotenzial"

Protest gegen Corona-Politik in Lübeck am Montag, 10. Januar
Protest gegen Corona-Politik in Lübeck am Montag, 10. Januar Copyright Christian Charisius/(c) dpa-Zentralbild
Von Euronews
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In zahlreichen Städten gab es Proteste gegen die Corona-Politik. In Bautzen kam es zu Ausschreitungen, drei Polizisten wurden verletzt: Es sei ein "gesteigertes Gewaltpotenzial" zu erkennen, so ein Sprecher der Polizei.

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Mit der Veröffentlichung der neuen Zahlen im RKI-Dashboard hatte es am Morgen etwas länger gedauert. Um 05.42 Uhr meldete das Robert Koch-Institut einen erneuten Anstieg der bundesweiten Sieben-Tage-Inzidenz. Sie springt auf 387,9 (Vortag 375,7). Vor einer Woche lag die bundesweite Inzidenz bei 239,9 (Vormonat: 402,9).

Die Gesundheitsämter in Deutschland meldeten dem RKI 45.690 Corona-Neuinfektionen. Vor einer Woche waren es 30.561 Ansteckungen gewesen, wobei es im Zuge der Feiertage Lücken bei Tests und Meldungen gegeben hatte.

Landesweite Corona-Protestee: Drei verletzte Beamte in Bautzen

In zahlreichen Städten Deutschlands demonstrierten am Montagabend erneut Zehntausende bei zumeist unangemeldeten Kundgebungen gegen die Corona-Politik. In Nürnberg beteiligten sich rund 4.000 Menschen, in Cottbus 3.000 und jeweils mehr als 2.000 in Bamberg und Augsburg. In Köln, Magdeburg oder Lübeck zogen ebenfalls größere Gruppen durch die Innenstädte. Teilweise kam es zu Ausschreitungen.

Im sächsischen Bautzen wurden mindestens drei Polizisten verletzt. Sie seien mit Pflastersteinen und Flaschen beworfen worden, teilten die Beamten mit. Gleich zu Beginn, als die Polizei versuchte, das Losmarschieren zu verhindern, habe sich die Gewalt entladen. Insgesamt seien rund 600 Menschen durch die Stadt gezogen. Unter ihnen seien rund 150 bis 200 gewaltbereite Hooligans und Menschen aus dem rechten Milieu gewesen.

"Die Gefahr kommt eher davon, dass wir wirklich eine Radikalisierung innerhalb der Bewegung sehen. Wir sehen deutlich mehr Aufrufe auch zu Gewalt, gegen Amtsträger, gegen Journalisten, und gegen Vertreter:innen der anscheinend herrschenden Meinung. Und da sieht man schon eine Gefahr", erklärt Prof. Dr. Swen Hutter, der am Institut für Soziologie der FU Berlin lehrt. 

Montagsdemonstrationen haben im Osten Deutschlands eine große symbolische Bedeutung, denn auch die Demonstrationen gegen das politische System der DDR im Jahr 1989 fanden an Montagen statt.  

Ahrens: Wenig Verständnis für Menschen, die mit Rechtsextremen demonstrieren

Bautzens Oberbürgermeister Alexander Ahrens (SPD) bringt ein gewisses Verständnis für die Menschen auf, die ihren Unmut über die geltenden Corona-Regeln zum Ausdruck bringen wollen. Weniger Geduld zeigt er aber für jene Menschen, die Woche für Woche zusammen mit Rechtsextremen und Hooligans protestieren:

"Man kann ja gegen diese Maßnahmen insgesamt sein. Und man kann auch mal versehentlich auf einer Demonstration landen, wo meinetwegen noch 100 oder 150 Neonazis mit dabei sind. Aber wenn ich das einmal, spätestens zweimal festgestellt habe, muss ich mir doch überlegen, möchte ich mit Nazis zusammen auf die Straße gehen oder mit Nazis zusammen demonstrieren. Und da sage ich ganz klar: Das geht nicht, das ist nicht in Ordnung", sagt der SPD-Politiker.

AfD-Abgeordneter unter den Demonstrant:innen

Unter den sechs Demonstranten in Hoyerswerda, die eine Anzeige wegen Ordnungswidrigkeit bekamen, war auch ein AfD-Abgeordneter des Landtags. Dort versammelten sich rund 300 Personen, teilte die Polizei in der Nacht zu Dienstag mit. Insgesamt kamen in den Landkreisen Bautzen und Görlitz rund 6 500 Menschen zusammen, so die Polizei. Dabei waren nicht alle Versammlungen angemeldet.

Auch in Freiberg kam es nach Polizeiangaben zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei. Dort hätten sich nach ersten Schätzungen etwa 700 Menschen versammelt, die immer wieder der Polizei ausgewichen seien, sagte ein Sprecher.

Als die Beamten an einem Ort eine Sperre mit Fahrzeugen bildeten, habe es einen Durchbruch von etwa 100 Personen gegeben. Dabei sei ein Polizeifahrzeug beschädigt worden, der Verursacher sei in Gewahrsam gekommen. Es sei "gesteigertes Gewaltpotential" zu erkennen, sagte der Sprecher. Beamte seien nicht zu Schaden gekommen.

Problem: Zunehmende Radikalisierung der Proteste

In Berlin gab es verschiedene Protestaktionen mit teils mehreren hundert Teilnehmern. Auch aus Brandenburg und Sachsen-Anhalt wurden sogenannte Spaziergänge gemeldet. In Mecklenburg-Vorpommern wird die Gesamtzahl auf 15.000 geschätzt – in Thüringen sogar auf 17.000.

Daneben gab es an vielen Orten Gegenproteste. In Leipzig beispielsweise wurden 16 Corona-konforme Versammlungen angemeldet. In Jena folgten 200 Menschen dem Aufruf des neu gegründeten Bündnisses "Jena solidarisch". Doch Corona-Proteste gibt es auch in Westdeutschland. Tausende nehmen an größtenteils friedlichen Demonstrationen teil.

"Also ich glaube schon, dass man von einer starken Protestbewegung sprechen kann, hier in Deutschland. Weil wir über einige Zeit immer Wellen der Mobilisierung gesehen haben. Wir auch eine Bewegung gesehen haben, die sich immer stärker eine organisatorische Struktur gegeben hat", kommentiert Prof. Dr. Swen Hutter von der FU Berlin.

Dennoch unterstützen nur etwa 15 Prozent der deutschen Bevölkerung die Proteste. Aber auch diese kleinen Gruppen können Herausforderungen mit sich bringen.

"Die Demonstrationen gegen die Corona-Beschränkungen und die Corona-Politik in Deutschland scheinen im Moment zu zunehmen und radikaler zu werden. Und das verursacht in diesem Land echte Bauchschmerzen", meint Euronews-Korrespondent Jona Kallgren.

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