Bulgarien in der Ost-West-Zerreißprobe

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Von Georgi Karamfilov, su
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Das NATO- und EU-Mitglied Bulgarien ist zu fast 100 % abhängig von Gas aus Russland. Die Ukraine und Russland sind auch wichtige Lieferanten von Metallen und anderen Rohstoffen. Die Energiepreise steigen stark und die Wirtschaft fürchtet negatives Wachstum.

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Als NATO-Mitglied steht Bulgarien im Ukraine-Konflikt hinter der Haltung der Europäischen Union. Aber das Land ist zu fast 100 Prozent abhängig von Gas aus Russland. 

Die Ukraine und Russland sind auch wichtige Lieferanten von Metallen und anderen Rohstoffen für Bulgarien. Und der Mangel an diesen Ressourcen bedroht bulgarische Unternehmen. Der Export von Maschinen und Elektrogeräten macht einen großen Teil der bulgarischen Wirtschaftskraft (BIP) aus. 

Vasil Velev, Bulgarian Industrial Capital Association (Verband des bulgarischen Industriekapitals, BICA):

„Mehr als 50 % unseres Bruttoinlandsprodukts werden durch Exporte erwirtschaftet. Zweifellos könnte die aktuelle Lage das Wirtschaftswachstum Bulgariens begrenzen. Und wenn der Konflikt eskaliert, könnten wir am Ende negative Wachstumszahlen bekommen.“

EU-AUSSENHANDEL

Die wichtigsten Wirtschaftszweige Bulgariens im Jahr 2020 waren nach EU-Zahlen Groß- und Einzelhandel, Verkehr, Beherbergungs- und Gaststättenwesen (21,4 %), Industrie (20,4 %) sowie öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Bildung, Gesundheits- und Sozialwesen (16,7 %).

66 % der Ausfuhren Bulgariens gehen in EU-Länder (Deutschland 16 %, Rumänien 9 % und Italien 7 %); unter den Nicht-EU-Ländern sind die Türkei (6 % der Ausfuhren) und China (3 %) die wichtigsten Handelspartner.

61 % der Einfuhren Bulgariens kommen aus Mitgliedstaaten der EU (Deutschland 12 %, Italien und Rumänien je 7 %), 7 % stammen aus der Türkei und 6 % aus Russland. 

Nach dem sogenannten Kaufkraftstandard (KKS) kam Bulgarien demnach auf den niedrigsten Lebensstandard der 27 EU-Staaten. 

Das NATO- und EU-Mitglied Bulgarien hatte den Angriff von Russland auf die Ukraine scharf verurteilt. Andererseits hatte die Ankündigung, dass Bulgarien humanitäre und militärisch-logistische Hilfe in die Ukraine schicken würde, zu einem heftigen Streit innerhalb der Regierung geführt. Die traditionell moskaufreundliche Bulgarische Sozialistische Partei ist eines von vier Mitgliedern der Regierungskoalition.

SONNENBLUMEN-ÖLKRISE

Bulgarien ist auch ein großer Produzent und Exporteur der Krisen-Produkte Weizen und Sonnenblumenkerne. Der starke Anstieg der Strompreise könnte trotzdem Brot und Speiseöl im Land weiter verteuern. Bisher zogen die Kraftstoff- und Speiseölpreise in Bulgarien um etwa 20 Prozent an.

Rumiana Zhekova, Getreidebäuerin:

"Die Preise für Brot und Speiseöl steigen wegen der Gaspreise und des Ausfalls der Ukraine als Hauptexporteur von Sonnenblumenkernen. Die Produzenten müssen alles Mögliche teurer einkaufen – das spüren die Endverbraucher in den Geschäften."

Bisher hat die bulgarische Regierung die Exporte nicht gestoppt und plant darüber hinaus, Unternehmen für hohe Stromrechnungen zu entschädigen.

DILEMMA

Der Krieg in der Ukraine stürzt Bulgarien in ein Dilemma. Zum Einen hegen viele Bulgaren noch immer Sympathie für Russland aus Dankbarkeit für dessen Verdienste um die Befreiung ihres Landes von der fast fünfhundert Jahre währenden Osmanen-Herrschaft vor 144 Jahren. Andererseits leben in der Ukraine rund zweihunderttausend ethnische Bulgaren und Bulgarinnen vor allem in Bessarabien und in der Region Odessa.

Die Energiewirtschaft des Balkanlandes ist stark abhängig von russischen Lieferungen von Nuklearbrennstäben, Gas und Öl.

Georgi Karamfilov, su

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