Mateusz Morawiecki: "Zum Gaspreisdeckel ist es noch weit"

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Von Efi KoutsokostaSabine Sans
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Korruption im Europäischen Parlament, keine Einigung zum Gaspreisdeckel, wichtige Entscheidungen stehen aus: Themen, zu denen Mateusz Morawiecki bei euronews Rede und Antwort steht.

Die EU wird von einem Skandal im Zentrum ihrer europäischen Institutionen heimgesucht, und das zu einem Zeitpunkt, an dem der Ukrainekrieg noch andauert und wichtige Entscheidungen für die europäischen Bürger getroffen werden müssen. Die EU-Staats- und Regierungschefs tun sich zudem schwer, eine Antwort auf die Energiekrise zu finden. Zu diesen Themen ist der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki zu Gast bei The Global Conversation in Brüssel.

Korruption im Europäischen Parlament

Euronews-Reporterin Efi Koutsokosta: Zunächst möchte ich auf den jüngsten sogenannten "Qatargate"-Skandal eingehen, bei dem es um die mutmaßliche Bestechung von Mitgliedern des Europäischen Parlaments geht, an der auch eine Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments beteiligt sein soll. Als Sie diese Nachricht hörten, waren Sie schockiert von dieser Nachricht? Was sagen Sie dazu? 

Mateusz Morawiecki, polnischer Ministerpräsident: Ich war ziemlich schockiert und habe mich mit den Details vertraut gemacht. Ich hoffe, dass die Rechtsstaatlichkeit im Europäischen Parlament wiederhergestellt wird und dass all diese skandalösen Vorgänge aufgeklärt werden.

Euronews: Die EU-Bürger verfolgen dieses politische Drama, und wir stellen fest, dass die EU nach monatelangen Gesprächen immer noch nicht in der Lage ist, die Energiekrise zu bewältigen. Die EU-Minister sind diese Woche wieder einmal gescheitert. Ist ein Durchbruch in Aussicht? 

Mateusz Morawiecki: Ich bin mir da nicht so sicher, denn ich stelle fest, dass einige Länder, die dieser Krise unter dem Gesichtspunkt der Gas- und Ölpreise begegnen müssen, das auf eine sehr egoistische Weise tun. Sie sehen nicht das Gesamtbild. Sie sehen nicht, dass diese Rohstoffe und die Preise direkte Auswirkungen auf die Ukraine haben, denn das damit verbundene Antreiben der russischen Kriegsmaschinerie sollte schnellstmöglich gestoppt werden. Polen war immer eines der Länder, eines der wenigen Länder, die am radikalsten waren, wenn es darum ging, sehr schnell große Sanktionspakete zu schnüren. Denn wir sind der Meinung, je eher wir die russische Kriegsmaschinerie stoppen, desto eher wird es in Europa wieder Frieden geben. 

Keine Einigung über den Gaspreisdeckel

Euronews: Aber wie erklären Sie den Menschen, deren Rechnungen in die Höhe schießen, dass die EU-Staats- und Regierungschefs keine Lösung finden bei den Verhandlungen über den Gaspreisdeckel? 

Mateusz Morawiecki: Richtig. Mehrere Länder, darunter Polen, haben vor Monaten, im April, Mai und Juni, die Europäische Kommission und einige andere nördliche Länder gedrängt. Zusammen mit Italien und Spanien haben wir versucht, das Thema voranzutreiben. Wir haben versucht, einen geeigneten gemeinsamen Nenner zu finden, denn wir wussten, dass die Obergrenze für den Gaspreis irgendwo in der Mitte zwischen unseren Erwartungen und den Erwartungen Deutschlands, der Niederlande und anderer Länder liegen sollte. Aber die Art und Weise, wie das hartnäckig blockiert wurde, finde ich ziemlich besorgniserregend. Denn ich glaube, wir sind noch weit davon entfernt, einen Kompromiss für einen Gaspreisdeckel zu finden.

Euronews: Deutschland und die Niederlande sind also schuld an diesem Stillstand? 

Mateusz Morawiecki: Ich gebe niemandem die Schuld, ich weise darauf hin, dass Solidarität für ganz Europa bedeutet, so schnell wie möglich einen gemeinsamen Nenner zu finden und nicht immer den kleinsten gemeinsamen Nenner. 

Keine Energiesicherheit in nächster Zeit?

Euronews: Ist die Energiesicherheit in Europa in diesem und in den kommenden Wintern gefährdet? 

Mateusz Morawiecki: Auf jeden Fall. Die Europäische Union ist ein wirtschaftliches Schwergewicht. Wir können diktieren - diktieren ist vielleicht ein zu starkes Wort -, aber wir können unsere Partner unter Druck setzen. Und damit meine ich nicht Russland. Ich meine damit andere Länder, damit sie mittel- oder langfristige Vereinbarungen über Gas auf einem angemessenen Niveau treffen und wir nicht von solchen enormen Schwankungen und Spekulationen abhängig sind, wie es im August dieses Jahres und im September der Fall war.

Euronews: Beim Ukrainekrieg ist kein Ende in Sicht. Der französische Präsident Emmanuel Macron meinte, der Westen solle erwägen, Russland Sicherheitsgarantien zu geben, um den Krieg zu beenden. Ist das eine realistische Option?

Mateusz Morawiecki: Ich denke, dass Russland als Supermacht, die zwar geschwächt ist, aber immer noch über Atomwaffen und eine starke Armee verfügt, wirklich keine Garantien benötigt, weil es die Garantien in Händen hält. Das einzige Land, das Unterstützung und Garantien für seine Souveränität und Sicherheit braucht, ist die Ukraine. Unser angemessener Ansatz sollte darin bestehen, die Ukraine durch stärkere Waffenlieferungen und finanzielle Hilfe zu unterstützen, damit Putin und der Kreml sehen, dass wir es mit der Unterstützung der Ukraine ernst meinen, nicht nur in diesem Winter, sondern auch in den kommenden Jahren.

Euronews: Zum Schluss noch ein EU-Thema: Die EU hat beschlossen, die EU-Gelder für Ungarn einzufrieren, weil sie befürchtet, dass diese Gelder die Korruption fördern könnten. Was ist Ihre Meinung dazu? 

Mateusz Morawiecki: Ich bin überrascht und schockiert von der Korruption im Europäischen Parlament. Das ist der erste Punkt. Die Verfahren im Europäischen Parlament und in den anderen Institutionen sollten gründlich überarbeitet werden. Was die Haltung der Europäischen Union gegenüber Ungarn betrifft, ist die Tatsache, dass Ungarn eine recht konservative Regierung hat, einer der Gründe, warum Ungarn derart angegriffen wird. Ich bin kein Experte für das ungarische Wirtschaftssystem, aber ich denke, dass ein großer Teil der Angriffe, wenn nicht sogar alle, ungerechtfertigt sind.

Euronews: Auch gegenüber ihrem Land, Polen, gab es Bedenken. Aber es wurden keine derartigen Entscheidungen getroffen. Was antworten Sie denen, die Polen und Ungarn eine Doppelmoral vorwerfen?

Mateusz Morawiecki: Ich kann nur betonen, dass sowohl Ungarn als auch Polen sehr ungerecht behandelt werden, das sollte nicht der Fall sein.

Euronews: Fühlen Sie sich von der EU-Kommission angegriffen? 

Mateusz Morawiecki: Die Europäische Kommission hatte es in den vergangenen Jahren immer wieder auf uns abgesehen, weil sie mit der Reform des postkommunistischen Justizsystems nicht einverstanden ist.

Euronews: Hat Brüssel seine Haltung gegenüber Polen seit dem Krieg etwas abgeschwächt?

Mateusz Morawiecki: Abgeschwächt? Das sehe ich überhaupt nicht. Ich sehe, dass sie immer noch sehr brutal über ihre Befugnisse hinaus eingreift, die nicht von den Verträgen abgedeckt sind. Das sprechen wir offen und deutlich an. Deshalb bin ich so überrascht über ihr Vorgehen in den vergangenen Jahren.

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