Mutmaßlicher Tod von Wagner-Chef Prigoschin: Wie geht es nun weiter?

Eine Frau an einer informellen Gedenkstätte neben dem ehemaligen "PMC-Wagner-Zentrum" in St. Petersburg
Eine Frau an einer informellen Gedenkstätte neben dem ehemaligen "PMC-Wagner-Zentrum" in St. Petersburg Copyright Dmitri Lovetsky/AP Photo
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Von Joshua Askew
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Dieser Artikel wurde im Original veröffentlicht auf Englisch

Der Chef der Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, wurde am Mittwoch für tot erklärt. Die Hintergründe des Flugzeugabsturzes sind noch unklar. Was könnten nun die Folgen sein?

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Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin ist offenbar am Mittwochabend bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen.

Weder der Kreml noch das russische Verteidigungsministerium haben sich bisher dazu geäußert - und Prigoschins Tod muss noch bestätigt werden. Doch der Vorfall hat Russland aufgeschreckt.

Was wären die möglichen politischen Auswirkungen von PrigoschinsTod?

"Der Kreml hat der Hydra den Kopf abgeschlagen", sagt Dr. Stephen Hall gegenüber Euronews und deutet damit an, dass man versucht habe, eine mögliche Bedrohung zu neutralisieren. "Das Regime hatte Angst, dass sich so etwas wie der Wagner-Aufstand möglicherweise wiederholen könnte", so Hall.

Jewgeni Prigoschin hat in den vergangenen Monaten viele Kreml-Insider verärgert. Der Wagner-Chef kritisierte wiederholt - und sehr öffentlich - den Feldzug des militärischen Establishments in der Ukraine und stellte gleichzeitig zentrale Darstellungen des Kremls über den Konflikt in Frage.

Das russische Verteidigungsministerium schlug zurück und versuchte in der Folge, die Gruppe zu übernehmen - was nach Ansicht vieler der Auslöser für Prigoschins Aufstand im Juni war, bei dem die Wagner-Söldner auf Moskau marschierten.

Viele westliche Analysten und Sicherheitsbeamte vermuten, dass Putin und seine Verbündeten für den Absturz vom Mittwoch - bei dem eine Reihe hochrangiger Wagner-Mitglieder ums Leben kamen - verantwortlich sind, obwohl dies derzeit nicht bestätigt werden kann.

Hall deutete jedoch an, dass das Ziel die russischen Eliten im Allgemeinen sein könnten. "Putin sendet Signale an die Menschen", sagte er, "ich denke, dies ist ein ziemlich klares Signal, dass dies mit Verrätern geschieht". Kurz nach dem Ausbruch der bewaffneten Meuterei Prigoschins am 24. Juni hatte der russische Präsident die Rebellion als "Verrat" und "Dolchstoß" bezeichnet und Rache geschworen.

Die Anschuldigungen gegen Prigoschin wurden bald darauf im Rahmen einer geheimen Vereinbarung fallen gelassen, durch die die Söldnertruppe nach Belarus verbannt wurde. Viele spekulierten jedoch, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis der Kreml sich des Söldnerführers annehmen würde.

"Der Krieg läuft schlecht und einige Eliten sind unzufrieden. Durch die Ermordung Prigoschins wird das Signal gesendet, dass ein Aufstand ein sehr brutales Ende nehmen wird", sagt Hall.

Nationalistische und patriotische Gruppen in Russland haben die Militärkampagne ihrer Regierung in der Ukraine immer lauter kritisiert und ihr oft Missmanagement und verpfuschte Manöver vorgeworfen. Hall erwähnt jedoch, der Vorfall könne den Kreml "schwach aussehen lassen".

"Einige Leute werden sagen, dass Putin damit seine Macht festigt, was plausibel ist. Aber ich denke, es ist auch ein Beweis für ein verzweifeltes Regime. Sie versuchen, ein Signal zu senden, dass sie diejenigen, die sich gegen sie erhoben haben, eliminieren werden. Das zeigt den Eliten auch, dass es da draußen Verschwörer gibt."

Wie geht es mit Wagner selbst weiter?

Seit der gescheiterten Meuterei im Juni ist die Existenz der Söldnertruppe mit Fragezeichen versehen.

Berichten zufolge wurde die Truppe im Rahmen einer geheimen Abmachung zwischen Putin und Prigoschin nach Belarus verlegt, um den Aufstand zu verhindern. Es wurde jedoch auch vermutet, dass die Truppe die Finanzierung, die sie angeblich vom Staat erhalten hat, verloren hat.

"Was wir sehen werden, ist, dass Wagner entweder seinen Namen ändern und ein neues Symbol bekommen wird - der Kreml behält gerne Strukturen, die er bereits geschaffen hat - oder es aufgelöst wird", sagt Hall.

Wagner wurde 2014, während der Annexion der Krim durch Russland, gegründet. Bis 2022 war unklar, wer die wahren Gründer waren. In den Medien wurde viel darüber spekuliert, wer die Organisation ins Leben gerufen hatte, was Prigoschin schließlich zugab.

Anfang dieser Woche hielt der 62-Jährige seine erste Videoansprache seit seiner gescheiterten Meuterei, in der er sagte, die Truppe sei in Afrika, um den Kontinent "freier" zu machen. Es ist nicht bekannt, was mit den Operationen von Wagner in Afrika geschehen wird, wo das Unternehmen im Bergbau tätig ist und schwache Regime stützt. Einige Experten vermuten, dass der russische Staat das Geschäft übernehmen könnte, obwohl dazu noch vieles unklar ist.

Wie könnte die russische Bevölkerung reagieren?

Prigoschin geriet während des Ukraine-Krieges immer wieder in die Schlagzeilen, weil er die Art und Weise kritisierte, wie das russische Militär seinen Feldzug führte.

Während er sich damit in den Machtzentralen Feinde machte, respektierten einige einfache Russen seine direkten Worte. Es ist ungewiss, wie die Bevölkerung auf seinen mutmaßlichen Tod reagieren wird.

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"Es stimmt, dass er beliebt war, vor allem bei patriotischen und nationalistischen Gruppen, obwohl er bei den Liberalen sicher nicht beliebt war", sagt Hall, "aber viele Russen werden ziemlich wütend sein."

Dennoch mahnt Hall zur Vorsicht, die russische Politik sei schon immer geheimnisvoll gewesen und "in den vergangenen 18 Monaten war sie besonders mysteriös. Wir wissen einfach nicht, was die Zukunft bringen wird. Ich glaube, wir wussten, dass die Tage von Prigoschin gezählt waren, aber das Ende war doch überraschend."

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