Migration: Warum kommen überwiegend Männer nach Europa?

Männer in einem behelfsmäßigen Camp vor dem Petit Chateau-Aufnahmezentrum in Brüssel
Männer in einem behelfsmäßigen Camp vor dem Petit Chateau-Aufnahmezentrum in Brüssel Copyright AP Photo/Olivier Matthys
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Von Scott Reid mit Agencies
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Dieser Artikel wurde im Original veröffentlicht auf Englisch

Belgien will unterbinden, dass alleinstehenden Männern, die Asyl suchen, Unterkünfte angeboten werden. Ein Experte erklärt die Hintergründe vieler Reisen.

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Anfang des Monats hat die Regierung in Belgien erklärt, dass man alleinstehenden Männern, die Asyl suchen, vorübergehend keine Unterkünfte mehr zur Verfügung stellen werde - man müsse Familien, Frauen und Kindern Vorrang einräumen, hieß es.

Staatssekretärin Nicole de Moor betonte, dass in den kommenden Monaten ein zunehmender Druck auf die Asylunterkünfte zu erwarten sei und sie "unbedingt vermeiden wolle, dass Kinder in diesem Winter auf der Straße landen". Stattdessen müssten sich alleinstehende Männer selbst versorgen.

Dies rief wütende Reaktionen hervor, unter anderem von der Region Brüssel sowie Amnesty International, die die Regierung aufforderten, ihre Entscheidung zurückzunehmen. Die Europäische Kommission erklärte, sie werde sich mit den belgischen Behörden in Verbindung setzen.

Auch in anderen Fällen haben Männer, die Asyl beantragen, eine Gegenreaktion erfahren. Als 500 Männer zunächst auf das Schiff Bibby Stockholm in Südengland gebracht wurden, weil die britische Regierung kein Geld für Hotelunterkünfte ausgeben wollte, kam das Thema bei Befragungen von Einheimischen immer wieder zur Sprache.

"Das einzige Problem ist, dass so viele Menschen auf dem Schiff ankommen, es sind alles Männer. Wo sind die Familien? Wo sind die Ehefrauen und Kinder?", wurde eine Person gegenüber der BBC zitiert.

Andere waren noch deutlicher. "Ich bin sehr besorgt, ich habe Angst, ich und meine Kinder kommen ans Meer, an den Strand hier", sagte eine andere Frau, "wie sollen wir das mit 500 Männern machen?"

"Reise nach Europa gefährlich und teuer"

Nach Angaben der EU-Asylagentur entfielen im vergangenen Jahr 71 Prozent der Asylanträge auf Männer. Expertinnen und Aktivisten weisen jedoch darauf hin, dass es Gründe gibt, warum sich häufig Männer auf den Weg machen.

Professor Nando Sigona, Inhaber des Lehrstuhls für Internationale Migration und Zwangsvertreibung an der Universität Birmingham, sagte, dass Männer in vielen Ländern als Hauptverdiener angesehen werden und mehr öffentlichkeitswirksame Tätigkeiten ausüben, von ihnen würde etwa erwartet, dass sie der Armee beitreten. "Dadurch werden sie in einer Situation politischer und sozialer Unruhen auch eher zur Zielscheibe".

Sigona fügte hinzu, dass "die Reise nach Europa gefährlich und teuer ist und es schwierig ist, genügend Geld für alle Mitglieder aufzubringen, um im Ausland Schutz zu suchen, so dass die Männer oft zuerst ins Ausland geschickt werden, um ein Einkommen für den Unterhalt der Familie zu sichern und auch einen sichereren Weg zu internationalem Schutz durch Familienzusammenführung zu finden".

Er fügte jedoch hinzu, dass, angesichts verschärfter Maßnahmen vieler Länder  hinsichtlich der Familienzusammenführung, mehr Kinder und Frauen die gefährliche Überfahrt auf sich nehmen und ihr Leben riskieren. Dies gelte sowohl für die irreguläre Überfahrt über das Mittelmeer als auch über den Ärmelkanal.

Wie Sigona erklärte, die fehlende Kommunikation mit den lokalen Gemeinschaften würde die Angst derjenigen verstärken, "die neue Nachbarn haben und nichts über deren Hintergrund wissen. Asylbewerber werden oft in ohnehin schon armen und ausgegrenzten Gebieten untergebracht, ihre Anwesenheit wird von einigen Anwohnern als eine weitere Form der Ausgrenzung empfunden." Die Kommunikation mit den lokalen Gemeinschaften werde oft vergessen, die Menschen würden ohne vorherige Absprache in Gebieten untergebracht, so Sigona.

Bezüglich des belgischen Plans erklärte der Universitätsprofessor, dass er "keinen Sinn zu ergeben scheint". Frauen mit Kindern und Familien seien im Asylsystem in der Minderheit, "es ist natürlich wichtig, dass sie eine Unterkunft für den Winter haben, aber es ist unwahrscheinlich, dass allen alleinstehenden Männern eine Unterkunft verweigert werden muss, um sie unterzubringen."

Seiner Meinung nach ist das eigentliche Ziel "eine Bestrafung alleinstehender Antragsteller, die den falschen Eindruck in der Öffentlichkeit verstärkt, dass sie das System missbrauchen und gefährlich sind".

In einem Dokument, das die Kampagnengruppe Care4Calais auf ihrer Website bereitstellt, heißt es: "Die jungen Männer, die Sie auf diesen Booten sehen, tun ihr Bestes, um ihre Familien zu schützen. Ihre Mütter, Großmütter, Schwestern, Säuglinge, Töchter. Wie oft sagt ein Vater, er würde für seine Tochter sterben, ein Ehemann, er würde für seine Frau sterben? Nun, diese Leute setzen es in die Praxis um."

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