Der belarusische Aktivist, Journalist und Filmemacher Andrei Gnyot war ein Jahr in serbischer Haft, seit Juni im Hausarrest in Belgrad, Alles deutet auf einen politisch motivierten Haftbefehl des Lukaschenko-Regimes hin. Jetzt ist Gnyot frei und vorerst in Berlin.
Der belarusische Journalist, Filmemacher und Aktivist Andrei Gnyot hat nach einem Jahr Haft Serbien verlassen. Am Donnerstag wurde bekannt, dass das Oberste Gericht von Belgrad seine Haft in Belgrad nach der gesetzlichen Frist von einem Jahr beendet hat. Gnyot wurde am 30. Oktober vergangenen Jahres am Belgrader Flughafen aufgrund eines internationalen Haftbefehls festgenommen. Er war sieben Monate in Einzelhaft in einem Gefängnis in Belgrad, seit Juni 2024 war er im Hausarrest in einer Wohnung in der serbischen Hauptstadt, stets über eine elektronische Fußfessel überwacht. Ständig drohte ihm die Abschiebung nach Belarus.
Nach seiner Entlassung aus dem Hausarrest in Belgrad Ende Oktober dieses Jahres, ist Gnyot direkt in die EU eingereist. Am Samstag gaben Gnyot und seine Anwältinnen Anna Matsiyeuskaja und Mariya Kolesava-Hudzilina eine Pressekonferenz in Berlin. Die Anwältinnen konnten ihn persönlich nicht in Serbien treffen, auch sie werden aufgrund ihrer Menschenrechtsaktivitäten vom Lukaschenko-Regime verfolgt. In Serbien wurde Gnyot von serbischen Anwälten vertreten, denn nur diese können ihn in dort vor Gericht verteidigen.
Gnyot fängt damit an, allen zu danken, die ihm geholfen haben, aus der Haft in Serbien frei zu kommen. Die Liste ist lang und reicht von Diplomaten zu Menschenrechtsorganisationen, das Team der Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja zählt er auf sowie den serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić.
Gnyot sagt: “Es ist wichtig zu betonen, dass meine Befreiung ein Ergebnis großer Solidarität ist.” Dass schließlich das Team Tichanowskaja vor einigen Wochen den serbischen Präsidenten bei einer UN-Konferenz auf Gnyot aufmerksam gemacht hat, war der “letzte Tropfen” für seine Befreiung , sagt Gnyot.
Politisch motivierter Haftbefehl
Am 30. Oktober 2023 war Andrei Gnyot nach Serbien gereist, um einen Werbespot zu drehen. Noch am Flughafen wurde er festgenommen. Der Vorwurf: Steuerhinterziehung. Er wurde mit internationalem Haftbefehl gesucht. Gnyot selbst vermutet, dass die Vorwürfe politisch motiviert waren. Gnyot war 2020 maßgeblich an den Protesten gegen das Lukaschenko-Regime beteiligt und arbeitete für in Belarus als “extremistisch” eingestufte Medien.
Außerdem gründete er SOS-BY mit, ein Netzwerk aus regimekritischen belarusischen Sportlerinnen und Sportlern. Durch die Arbeit des Netzwerks hat das Internationale Olympische Komitee 2020 Alexander Lukaschenko in seiner Rolle als nationalen IOK-Präsidenten in Belarus abgesetzt. Und schließlich wurde im Januar 2021 die Eishockey-Weltmeisterschaft der Herren von Belarus komplett nach Lettland verlegt, zuvor war geplant, dass sie in beiden Hauptstädten Riga und Minsk stattfinden sollte. Aufgrund der Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen gegen Belarus’ Präsidenten Alexander Lukaschenko hatten die Hauptsponsoren Beiersdorf AG, Škoda Auto und Liqui Moly gedroht, sich zurückzuziehen, sollte die WM in Minsk stattfinden. Aber auch der Verband SOS-BY hatte einen Brief an die Internationale Eishockey-Föderation geschrieben.
Gnyot erklärt in Berlin: “Sobald ich aus der Haft entlassen wurde, wurde mein Instagram-Account als extremistisch eingestuft. Das ist eine Anerkennung des Lukaschenko-Regimes, dass der Haftbefehl gegen mich politisch motiviert war.” Der internationale Haftbefehl, die sogenannte “Red Notice” von Interpol, in der man Gnyots Auslieferung an Belarus forderte, wurde im Juli 2024 von Interpol zurückgezogen. Die Organisation gab zu, dass dieser Haftbefehl nicht den Werten von Interpol entspreche.
Noch immer nicht in Sicherheit
Die Anwältinnen von Gnyot betonen aber: “Der Kampf ist noch nicht vorbei.” Für Gnyot kann es noch überall, in jedem Land der Welt gefährlich werden. Belarus nutze Interpol aus, um Regimekritiker auf der ganzen Welt aufzuspüren und festzuhalten. Die Menschenrechtsanwältin Anna Matsiyeuskaja rät allen belarusischen Staatsbürgern im Ausland präventiv Interpol zu kontaktieren, um solche poltisch motivierten Interpol-Ausschreibungen von Ländern zu verhindern.
Gnyot erklärt, ihm hat der belarussische Auslieferungsversuch ein Jahr seines Lebens gekostet. Er ist tief verschuldet, denn für die Wohnung in Belgrad, in der er seinen Hausarrest verbringen musste, für seine Anwälte für Lebensmittel, Medizin, musste er selbst aufkommen. Über die Zukunft sagt er: “Ich brauche noch Zeit. Ich fühle gerade nichts.” Er sei komplett im Überlebensmodus geschaltet.
Belarus steht weltweit auf dem drittletzten Platz im Ranking der Sicherheit für Journalisten. Am 1. Dezember 2023 saßen laut dem Komitee zum Schutz von Journalisten dort mindestens 28 Journalisten hinter Gittern. Schätzungen der Opposition zufolge sind 1300 politische Häftlinge in Belarus im Gefägnis. Viele von ihnen sind komplett von der Außenwelt abgekapselt.