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Von Baerbock zu Wadephul: Kommt die Kehrtwende in der deutschen Außenpolitik?

Johann Wadephul wird Außenminister im Kabinett Merz und löst Annalena Baerbock ab. 6. Mai 2025.
Johann Wadephul wird Außenminister im Kabinett Merz und löst Annalena Baerbock ab. 6. Mai 2025. Copyright  AP Photo
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Von Franziska Müller
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Von Baerbock zu Wadephul: Nicht nur politisch, auch im Diskurs und in inhaltlichen Schwerpunkten ändert sich einiges in der deutschen Außenpolitik. Was ist neu mit Wadephul?

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Am Dienstagabend hat Johann Wadephul seine Vorgängerin Annalena Baerbock als neuer deutscher Außenminister abgelöst. Direkt am Folgetag sind zwei Staatsbesuche von Bundeskanzler Friedrich Merz in Frankreich und Polen geplant. Außenminister Wadephul wird an seiner Seite stehen.

Laut eigener Aussage will Wadephul "Außenpolitik aus einem Guss" machen. "Das erfordern diese herausfordernden Zeiten, das erwarten unsere Partner", teilte er auf der Plattform X nach dem Ablegen des Amtseides.

Nach Baerbocks feministischer Außenpolitik komme jetzt die "Rückkehr zum konservativen Mindset", schätzt Rafael Loss, Policy Fellow beim European Council in Foreign Relations ein.

Bereits im Vorfeld der Regierungsbildung reiste Wadephul nach Brüssel, traf EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Generalsekretär der NATO Mark Rutte sowie die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas.

Wer ist Johann Wadephul?

Mit Johann Wadephul wird das Amt des Außenministers seit fast 60 Jahren erstmals wieder von den Christdemokraten besetzt. Der 62-Jährige promovierte Jurist und Rechtsanwalt Johann Wadephul hat mit Außen- und Sicherheitspolitik Erfahrung.

Seit 2009 sitzt Wadephul im Bundestag. In den vergangenen sieben Jahren war der Norddeutsche aus Husum als stellvertretender Vorsitzender zuständig für die Bereiche Außen- und Sicherheitspolitik.

"Meine Schwerpunkte liegen dabei insbesondere auf den transatlantischen Beziehungen und der NATO, auf dem Verhältnis zu China und Russland, sowie auf dem Balkan und dem Nahen Osten", schreibt Wadephul auf seiner Website.

In den vergangenen Wochen war der Reserve-Offizier bereits in London, Rom, Warschau und Paris und traf seine künftigen Amtskollegen. Der außenpolitische Handlungsdruck ist angesichts aktueller Herausforderungen durch Russland und die US-Regierung hoch.

Wadephul: "Da werden andere Akzente sein"

Wadephuls Strategie soll laut eigener Aussage Kontinuität sein. "Die geopolitische Lage wird zu viel Konsistenz zwingen", bekräftigt auch Sicherheitsexperte Loss. Wie sich das nach Baerbocks Außenpolitik mit feministischem Schwerpunkt äußern wird, muss sich noch zeigen.

Für die Arbeit der Grünen-Politikerin fand Wadephul lobende Worte. Baerbock wird in New York das Amt als Präsidentin der UN-Versammlung übernehmen.

"Sie hat sehr klar an der Seite der Ukraine gestanden, sie hat sehr klar eine pro-europäische Politik betrieben", sagte er gegenüber WELT TV am Dienstag zwischen den Durchgängen der Kanzlerwahl. "Das will ich fortsetzen. Aber natürlich werden andere Akzente da sein", führte er fort.

"Ich möchte mich darauf konzentrieren, die deutschen und europäischen Interessen zu vertreten und das in den Vordergrund zu stellen. Offen sein für Gespräche, nicht belehrend zu wirken, mehr Kontakte wieder anzustreben und zusammenzuführen."

Kanzler Friedrich Merz und Außenminister Johann Wadephul sind beide langjährige CDU-Mitglieder. 6. Mai 2025.
Kanzler Friedrich Merz und Außenminister Johann Wadephul sind beide langjährige CDU-Mitglieder. 6. Mai 2025. AP Photo

Dass sowohl der Außenminister als auch der Kanzler aus derselben Partei - den Christdemokraten - kommen, wird der Außenpolitik zuträglich sein, bewertet auch Sicherheitsexperte Loss vom European Council on Foreign Relations.

Die Differenzen zwischen Grünen-Politikerin Baerbock und SPD-Kanzler Scholz hätten das Verhältnis "maßgeblich zerrüttet", insbesondere der öffentliche Diskurs darüber, so Loss. "Die neue Bundesregierung wird sich bemühen, hier kohärenter zu kommunizieren", sagt er.

Ende der Klima- und feministischen Außenpolitik

"Es ist sozusagen eine Rückkehr zu bundesrepublikanischen Traditionen, was die Kommunikation und die Ausformulierung von außenpolitischen Zielen angeht", so Loss.

Die neue Bundesregierung unter Merz will mehr als zwei Dutzend Stellen streichen, darunter auch die Ämter des Botschafters für feministische Außenpolitik sowie des Sonderbeauftragten für internationale Klimapolitik.

"Fragen wie Klima-Außenpolitik, wie feministische Außenpolitik, auch die Rhetorik, mit der die Außenministerin Baerbock über Herausforderungen in der Welt gesprochen hat, mit humanistischen Narrativen", werden laut Loss keine Schwerpunkte der neuen Außenpolitik sein. Wadephul und die neue Regierung werden mit einem "konservativen Mindset an die Regierungsarbeit" gehen.

Nach Angaben des Außenministers Johann Wadephul wird das Auswärtige Amt die Zuständigkeit für Klimadiplomatie an das SPD-geführte Umweltministerium abgeben. Das Auswärtige Amt unter Wadephuls Führung soll sich stärker auf außen- und sicherheitspolitische Kompetenzen konzentrieren. Die sogenannte Klimaaußenpolitik von Baerbock falle hier in den sicherheitspolitischen Bereich, sei aber kein eigener Bereich mehr. "Die Klimakrise geht nicht weg, nur weil man sie nicht bespricht", warnt Loss.

Unterstützung der Ukraine steht im Vordergrund

Am Mittwoch wird Merz bei seiner ersten Auslandsreise in Paris und Warschau erwartet. Im Élysée will man die deutsch-französischen Beziehungen stärken und sich über Energiepolitik austauschen. Wadephul trifft seinen Amtskollegen Jean-Noël Barrot.

In Warschau begegnen Merz und Wadephul andere EU-Vertreter zu einem informellen Treffen. Hier wird es um die Unterstützung der Ukraine und eine mögliche Sicherheitsarchitektur gegen Russland auf europäischer Ebene gehen.

Es gebe "zahlreiche Signale, dass Merz sich sehr um die Beziehungen zu Polen und Frankreich bemühen will, dass die Beziehungen zu Großbritannien eben auch wichtig sind", so Loss. Insbesondere in den europäischen Gesprächen über die Ukraine-Politik haben die Briten mit den Franzosen eine Führungsrolle übernommen.

Ein Bericht des Londoner Royal United Services Institute von Anfang April zeigte auf, dass Russlands Rüstungsproduktion deutlich erfolgreicher ist als Europas. Laut Bericht ist dies eine "strategische Bedrohung für die NATO". Auch Sicherheitsexperte Loss bestätigt: "Die europäische Rüstungsindustrie hängt überraschenderweise in einigen Bereichen der russischen Industrie hinterher" und sieht dort Handlungsbedarf.

Deutschlands Position in Europa wieder festigen

Deutschland wird mit den europäischen Partnern schärfer nachrüsten müssen, so Loss. "Im Kontext der NATO haben wir seit mittlerweile 76 Jahren Erfahrungen, gemeinsame militärische Verfahren zu planen, zu üben und dann auch in die Tat umzusetzen." Auch, wenn die USA wegfallen könnten, so könne sich die sogenannte Koalition der Willigen auf diese vorhandenen Strukturen berufen.

Innerhalb der Europäischen Union hat Deutschland in der vergangenen Legislaturperiode mehrmals Verhandlungspositionen kurzfristig geändert. Deutschlands Uneinigkeit bei Abstimmungen in Brüssel wie etwa zur Lieferkettenrichtlinie sowie Abgasregelungen für LKWs ist auf Unverständis gestoßen. Einer der Gründe laut Loss seien die unterschiedlichen politischen Traditionen der Ampel-Koalition. Mit Scharz-Rot läge man ideologisch und traditionell deutlich näher beieinander.

Die sogenannte Koalition der Willigen hat sich bereits mehrmals getroffen, hier in Paris. 27. März 2025.
Die sogenannte Koalition der Willigen hat sich bereits mehrmals getroffen, hier in Paris. 27. März 2025. AP Photo

"Auf der anderen Seite ist aber der Dissens mit einer konservativ geprägten Bundesregierung sehr viel größer, was zentrale europäische Projekte Von-der-Leyens angeht", schätzt Loss. Grüne Industriepolitik, digitale Transformation und die Frage der Grenzschließungen, die von Kanzleramts-Chef Thorsten Frei bereits als Priorität angekündigt wurde, könnten zu Konfrontation führen. "Da riskiert Deutschland wirklich, Brücken in Europa zu verbrennen. Hier muss man sehr vorsichtig sein in Berlin", sagt Loss.

Sicherheitsexperte: Gleichförmigkeit schadet Außenpolitik

Die Außenpolitik und Regierung wird laut Loss nicht nur eine Rückkehr zum Konservativen. "Aus gesellschaftlicher und politikpraktischer Perspektive werden Frauen keine maßgeblichen Rollen in der schwarz-roten Außenpolitik, vor allem in den unionsgeführten Häusern haben", sagte Loss. Für ihn ist das ein bedauernswerter "Rückschritt".

Diverse Teams produzieren durch diverse Perspektiven bessere Arbeitsergebnisse, so Loss. Das Institut für angewandte Arbeitswissenschaft in Düsseldorf nennt das sogenannte Vielfaltsbewusstsein eine Schlüsselkompetenz für erfolgreiche Unternehmen.

"Die Erfahrung des Sehens ist nicht gegeben, wenn Teams im Aussehen und Denken gleichförmig sind", so Loss. Ihm fehlen in den Ministerien diverse Hintergründe und Unterschiede in Deutschland: unterschiedlicher Migrationshintergrund, Geschlecht, finanzieller oder Bildungshintergrund bereichere die Perspektiven.

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