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Europas Geheimwaffe gegen die russischen “Wegwerf-Agenten”

Putins geheimer Terror in Deutschland
Putins geheimer Terror in Deutschland Copyright  euronews
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Von Johanna Urbancik
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Sie sind eine Gefahr für die innere und äußere Sicherheit. Es ist schwierig, sie zu enttarnen. Deshalb rätselt die deutsche Politik, wie wir uns gegen sie verteidigen können. Jetzt bekommt die Strategie erstmals Konturen.

"Wegwerf-Agenten" sind ein Teil der hybriden Kriegsführung Russlands – eine Kombination militärischer, politischer, wirtschaftlicher und cybertechnischer Mittel, die die Grenzen zwischen Krieg und Frieden verwischen.

Mitte Oktober kündigte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) einen "neuen umfassenden Aktionsplan" zur Abwehr hybrider Gefahren an, der vom Nationalen Sicherheitsrat beraten werden soll. Weitere Informationen zu dem Plan gibt es bislang noch nicht.

Bevor Verteidigungsmaßnahmen ergriffen werden können, muss zunächst geklärt werden, welche Handlungen zur hybriden Kriegsführung zählen. Der österreichische Desinformationsanalyst Dietmar Pichler betont, dass bei Vorfällen wie Bränden, Explosionen, Unfällen, Angriffen, prorussischen Veranstaltungen oder Schmierereien im öffentlichen Raum zunehmend geprüft werden sollte, ob es sich um solche Maßnahmen handelt.

Dennoch sieht er das Problem, dass die Widerstände größer werden, je länger bei der Verteidigung gewartet wird. "Wenn man hier nicht kommuniziert und nicht zu einer strategischen Kommunikation kommt – zum Beispiel erklärt, dass es um Verteidigungsfähigkeit geht und nicht um Angreifen – kann das zu massiven Problemen im Informationskrieg führen", so Pichler.

Resilienz statt Reflex-Abschuss

Vor allem die Drohnen-Überflüge in den vergangenen Wochen waren ein Fall dieser Art. Nachdem die ersten Überflüge medial gemeldet wurden, wurden vermehrt Drohnen gesichtet. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte daraufhin von einer "gestiegenen Gefahr für die Sicherheit" in Deutschland gesprochen und den Aufbau eines neuen Drohnenabwehrzentrums angekündigt.

Ein Soldat in Hamburg, 26. September 2025, mit dem Counter UAV Jammer HP 47
Ein Soldat in Hamburg, 26. September 2025, mit dem Counter UAV Jammer HP 47 Marcus Golejewski/(c) Copyright 2025, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten

Der Financial Times zufolge haben NATO-Verbündete über eine "entschlossene Reaktion" auf die zunehmend provokativen Aktionen des russischen Präsidenten Wladimir Putin diskutiert. Darunter fällt die Drohnenabwehr, wie beispielsweise ein "Drohnenwall", entlang der NATO-Ostflanke oder auch die Lockerung der Beschränkung für Piloten, damit sie Feuer auf russischen Flugzeuge eröffnen können.

Obwohl Maßnahmen diskutiert werden, gibt es bislang keinen offiziellen Fahrplan oder ein verbindliches Inkrafttreten. Mehrere Mitgliedstaaten, darunter Deutschland und Frankreich, mahnen zur Vorsicht, um eine direkte militärische Eskalation mit Russland zu vermeiden.

"Es gibt nicht nur Frieden und Krieg, es gibt auch etwas dazwischen", räumte der Terror-Experte Dr. Peter Neumann beim diesjährigen Berlin Peace Dialogue im Verteidigungsministerium ein.

Dennoch funktioniert die Verteidigung nicht immer nach dem Prinzip "Wie du mir, so ich dir", so Neumann, der erklärt, dass man nicht immer mit derselben Maßnahme bestrafen sollte. Stattdessen sollte eine Abschreckung so funktionieren, dass Russland gar nicht erst angreift, weil sich die angegriffene Gesellschaft und Infrastruktur so schnell erholen, dass die Angriffe wirkungslos bleiben. Neumann zufolge bedeutet Resilienz die Mittel zu haben, Angriffe dieser Art abzuschrecken und zu bewältigen.

Einen Flugzeugabschuss sieht er demnach kritisch: "Es muss andere Maßnahmen davor geben, wie zum Beispiel die Cyber-Operationen der Russen lahmzulegen oder so etwas. Das würde ich alles machen, bevor ich dann ein Flugzeug abschieße."

Neumann zufolge hat das Abschießen eines Flugzeuges "immer auch so ein Eskalationspotential". Dann müssen die Russen wieder drauf reagieren, so Neumann, was zu einer weiteren Eskalation führen kann.

"Putins geheimer Terror in Deutschland": Die ersten vier Artikel aus der Serie

Was sind "Wegwerf-Agenten"?

Saboteure dieser Art sind auch in Deutschland aktiv – genannt werden sie "Wegwerf-Agenten" oder "Low-level Agents". Sie sind keine klassischen Spione, sondern werden meist nur für wenig Geld für eine Tat angeheuert, um "kleine" Sabotageakte durchzuführen.

Danach werden sie von den ausländischen Akteuren – vermutlich Russland und seine Verbündeten – "weggeworfen" und nicht für weitere Taten eingesetzt. Behörden in mehreren EU-Staaten, darunter Litauen und Tschechien, berichten von ähnlichen Fällen.

Russische Geheimdienste werden beschuldigt, soziale Netzwerke, vor allem Telegram, zu nutzen, um "Low-level Agents" anzuheuern. Über offene Kanäle, in denen prorussische Inhalte und Verschwörungstheorien verbreitet werden, beobachten russische Akteure das Verhalten der Nutzer: Wer regelmäßig Beiträge liked, kommentiert oder teilt, kann als potenzieller Kandidat markiert werden. Mithilfe spezieller Software werden Millionen Profile nach Loyalität und politischer Haltung ausgewertet.

Der erste Kontakt erfolgt meist durch scheinbar harmlose Anfragen oder Angebote, bevor die Kommunikation auf verschlüsselte Messenger verlagert wird. Ziel ist es, die angeworbenen Personen für Aufgaben wie beispielsweise das Fotografieren militärischer Anlagen, das Anzünden von Fahrzeugen oder das Sprühen politischer Parolen einzusetzen. Die Täter sind meist ungeschult, nicht nur ideologisch motiviert und werden nach einer Aktion fallen gelassen.

Russland hat sich Kacper Rękawek, leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter und Programmleiter am International Centre for Counter-Terrorism (ICCT), zufolge bei der Zielgruppe zum Teil jedoch weiterentwickelt. Er würde die Menschen, die sich rekrutieren lassen, nicht generell Zivilisten nennen, sondern Kriminelle.

"Leute, die kriminell waren, aber vorher vielleicht nicht viel mit Russland zu tun hatten, sondern vielleicht in Europa, der Ukraine oder Belarus kriminell waren, bevor sie rekrutiert wurden", so Rękawek.

Der Chef des Verfassungsschutzes, Sinan Selen, beschuldigte diesbezüglich "fremde Staaten", die "unsere Demokratie und Sicherheit durch den Einsatz von teils unbedachten und nachrichtendienstlich ungeschulten Wegwerf-Agenten gefährden, die auf schnelles Geld aus sind und durch soziale Medien und Messengerdienste rekrutiert werden". Er warnte, sich "nicht zum Spielball eines ausländischen Nachrichtendienstes" zu machen.

Polen ist ebenfalls betroffen

Acht Menschen, darunter ein ukrainischer Staatsbürger, wurden vor kurzem in Polen festgenommen. Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk schrieb in einem Beitrag auf X, dass die Personen unter Verdacht stehen, Sabotageakte vorbereitet zu haben. Die Festnahmen erfolgten laut polnischen Medienberichten Mitte Oktober 2025 in mehreren Städten, unter anderem in Warschau und Białystok.

Laut dem Geheimdienstkoordinator Tomasz Siemoniak sollen sie neben dem Ausspähen von Militärobjekten und kritischer Infrastruktur auch Mittel zur Ausführung von Sabotageakten und Anschlägen vorbereitet haben.

Die Festgenommenen stünden laut dem Inlandsgeheimdienst ABW (Agencja Bezpieczeństwa Wewnętrznego) im Kontakt zu Auftraggebern in Russland und Belarus. Warschau wirft Russland und seinen Verbündeten vor, Agenten ins Land zu schicken, um Saboteure anzuwerben. Moskau weist diese Anschuldigungen wie üblich zurück.

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