"Seaspiracy": Was tut der Mensch den Ozeanen mit der Fischerei an?

"Seaspiracy": Was tut der Mensch den Ozeanen mit der Fischerei an?
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Von Angela Youngman & Ruth Wright
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Die Lust auf Lebensmittel aus dem Meer könnte laut einem britischen Filmemacher das Ende der Welt bedeuten.

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Die Netflix-Dokumentation "Seaspiracy", die Anfang des Jahres veröffentlicht wurde, hat Wörter wie "Beifang" und "Überfischung" einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht. Der Film hat  zerstörerische Praktiken der Fischereiindustrie angeprangert.

Aber die Doku wurde auch für die Vielzahl an Fakten und Statistiken kritisiert, mit denen der Film die Zuschauer überhäuft. Kritik wurde laut, dass es schwierig sei, alle präsentierten Informationen wirklich aufzunehmen.

Deshalb tauchen wir tief in die Materie ein: Wir wollen erklären, was Grundschleppnetzfischerei und Beifang, zwei Schwerpunkte von "Seaspiracy", wirklich für unsere Ozeane bedeuten.

Wie trägt die Grundschleppnetzfischerei zur globalen Erwärmung bei?

In diesem Jahr wurde erstmals eine Studie veröffentlicht, die die CO2-Kosten der Grundschleppnetzfischerei berechnet. Die Studie "Protecting the global ocean for biodiversity, food and climate" ergab, dass die Grundschleppnetzfischerei so viel CO2 freisetzt wie die gesamte Luftfahrtindustrie.

Dr. Trisha Atwood, Mitautorin der Studie, sagt: "Der Meeresboden ist der größte CO2-Speicher der Welt. Wenn es uns gelingen soll, die globale Erwärmung zu stoppen, müssen wir den Kohlenstoff im Meeresboden ungestört lassen.

Foto: Paul Einerhand
Frischer Fisch auf einer Fischauktion imniederländischen Den HaagFoto: Paul Einerhand

Doch jeden Tag befahren wir den Meeresboden mit Schleppnetzen, dezimieren seine Artenvielfalt, lösen gebundenen Kohlenstoff und verschärfen so den Klimawandel."

Die Studie fand heraus, dass die Grundschleppnetzfischerei jedes Jahr 1 Gigatonne CO2 produziert.

Was kann getan werden, um die Grundschleppnetzfischerei zu stoppen?

Länder mit großen nationalen Gewässern, in denen Grundschleppnetzfischerei stattfindet, könnten 90 Prozent des Risikos der Kohlenstoffemissionen eliminieren, indem sie nur 4 Prozent ihrer Gewässer schützen.

"Mit dieser Studie haben wir einen neuen Weg beschritten, um die Orte zu identifizieren, die - wenn sie geschützt werden - die Nahrungsmittelproduktion steigern und das Meeresleben schützen, während gleichzeitig die Kohlenstoffemissionen reduziert werden", erklärt Dr. Enric Sala von der National Geographic Society.

"Die Menschheit und die Wirtschaft werden von einem gesünderen Ozean profitieren und wir können diese Vorteile schnell realisieren, wenn die Länder zusammenarbeiten, um mindestens 30 Prozent des Ozeans bis 2030 zu schützen."

Schlüsselgebiete für den Meeresschutz

Mithilfe eines Algorithmus ermittelten die Forscher, dass sich die Artenvielfalt verbessern würde, wenn mindestens 30 Prozent des Ozeans geschützt würden.

Charles Clover, Executive Director bei der Blue Marine Foundation, betont die Wichtigkeit dieser Studien:

"Die Wissenschaft ist eindeutig: Die zerstörerische Fischerei ist die größte Bedrohung für das Leben im Meer - und beschleunigt den Klimawandel massiv. Die Interessen der europäischen Bürger liegen mehrheitlich im Schutz der Artenvielfalt und der Bekämpfung des Klimawandels - und nicht im Schutz von Eigeninteressen der Fischereiindustrie. Es ist an der Zeit, Maßnahmen zum Schutz der Lebensräume auf dem Meeresboden vom Polarkreis bis zum Mittelmeer zu ergreifen."

Beifang bei der Grundschleppnetzfischerei

Als Beifang werden alle Meereslebewesen bezeichnet, die sich neben den Zielfischen zufällig in den Netzen der Schleppnetzfischer verfangen. Das passiert, weil die Netze so groß und schwer sind, dass Meereslebewesen keine andere Wahl haben, als mitgeschleppt zu werden. Die meisten Arten, die sich in den Netzen verfangen, werden wieder ins Meer zurückgeworfen.

Das Ausmaß des Schadens, den die Grundschleppnetzfischerei und die industrielle Fischerei auf der Sandbank "Doggerbank" anrichten, wurde in einem Bericht der Blue Marine Foundation, Client Earth, Marine Conservation Society und dem WWF analysiert. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass das Gebiet, 100 km vor der Ostküste Englands, so stark geschädigt ist, dass es als "Testfall" für die Erhaltung der europäischen Meeresschutzgebiete deklariert werden sollte.

Foto: Paul Einerhand
Ein Fischer verarbeitet den Tagesfang in den Tiefen eines FischkuttersFoto: Paul Einerhand

Als Region speichert die "Doggerbank" die größte Menge an blauem Kohlenstoff in britischen Gewässern und hält etwa 5,1 Millionen Tonnen CO2 im Meeresboden, was 31.000 Hin- und Rückflügen von London nach Sydney entspricht.

Großbritannien, die Niederlande und Deutschland haben eine separate Studie zur "Doggerbank" durchgeführt. Sie kam zu dem Ergebnis, dass die Grundschleppnetzfischerei zu einer Meeresumwelt geführt hat, die eher von kurzlebigen wirbellosen Tieren als von gefährdeten Arten wie Rochen und Atlantischem Heilbutt dominiert wird.

Die drei Länder planen, 18.765 Quadratkilometer der Doggerbank zu einem Meeresschutzgebiet zu erklären. Großbritannien plant, in naher Zukunft eine Verordnung für diesen Abschnitt einzuführen.

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Überfischung - der schlimmste Fein einer erfolgreichen Fischerei

"Manche argumentieren, dass die Sperrung von Gebieten für die Fischerei den Interessen der Fischer schadet. Aber der schlimmste Feind einer erfolgreichen Fischerei ist die Überfischung - nicht die Schutzgebiete", sagt Dr. Sala.

Beweise aus bestehenden Meeresschutzgebieten zeigen, dass der Schutz eines Gebietes die Fischbestände in den umliegenden Gewässern erhöht. Wärmeres Wasser und weniger Sauerstoff führten 2010 zu einem starken Rückgang der Abalone-Fische auf der "Doggerbank".

Aber das Überleben von hochreproduktiven Abalonen in einem nahegelegenen Schutzgebiet führte dazu, dass sich die Fischbestände in der gesamten Region wieder auffüllten und die Fangdichte innerhalb von fünf Jahren um bis zu 90 Prozent anstieg.

Die Sperrung der Gebiete um die Isle of Arran, Isle of Man, Lundy und Skomer für Baggerarbeiten führte ebenfalls zu einem starken Anstieg der Anzahl von Jakobsmuscheln und Hummern.

Ein Verbot der Grundschleppnetzfischerei in bestimmten Gebieten wie der "Doggerbank" könnte außerdem über 80 Prozent der Lebensräume für bedrohte Meeresarten schützen und gleichzeitig das Potenzial schaffen, die Fangmengen auf über 8 Millionen Tonnen zu erhöhen.

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Das Beste von allem: Es würde die bestehende und zukünftige Kohlenstoffspeicherung schützen und so helfen, den Klimawandel abzuschwächen.

Für die Dauer der Europäischen Grünen Woche stellen die Magazin- und Nachrichtenteams von euronews Geschichten und Lösungen für einen besseren Planeten aus ganz Europa vor.

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