Solarmodule auf Wasserkanälen: Warum gibt es sie nicht häufiger?

Indische Arbeiter legen letzte Hand an die Solarpaneele, die den Narmada-Kanal im Dorf Chandrasan außerhalb von Ahmadabad, Indien, abdecken, April 2012\.
Indische Arbeiter legen letzte Hand an die Solarpaneele, die den Narmada-Kanal im Dorf Chandrasan außerhalb von Ahmadabad, Indien, abdecken, April 2012\. Copyright AP Photo/Ajit Solanki
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Von Euronews Green mit APTN
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Dieser Artikel wurde im Original veröffentlicht auf Englisch

Eine Studie schätzt, dass die Abdeckung der Kanäle in Kalifornien mit Sonnenkollektoren genug Energie erzeugen könnte, um Los Angeles fast das ganze Jahr über mit Strom zu versorgen.

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Im Jahr 2015 litt die trockene Erde Kaliforniens bereits im vierten Jahr unter einer Dürre. Der damalige Gouverneur Jerry Brown ordnete noch nie dagewesene Wassersparmaßnahmen für Privathaushalte an, um 25 Prozent sollte der Verbrauch sinken. Auch die Landwirte, die das meiste Wasser verbrauchen, machten freiwillig mit,  um tiefere, verpflichtende Kürzungen zu vermeiden.

Brown setzte sich auch das Ziel, dass der Staat angesichts des Klimawandels die Hälfte seiner Energie aus erneuerbaren Quellen beziehen sollte.

Doch als die Unternehmer Jordan Harris und Robin Raj mit einer Idee an die Türen klopften, die sowohl dem Wasserverlust als auch der Klimabelastung entgegenwirkt - die Installation von Solarzellen über Bewässerungskanälen -, konnten sie niemanden dazu bewegen, sich zu engagieren.

Angesichts der verheerenden Hitze, der rekordverdächtigen Waldbrände, des wachsenden Engagements im Kampf gegen den Klimawandel und einer kleinen Bewegung stellte ihr Unternehmen Solar AquaGrid damals das erste mit Solarzellen bedeckte Kanalprojekt in den USA auf die Beine.

Verdunstung verringern und Strom erzeugen

"All das kommt in diesem Moment zusammen", sagt Harris. "Gibt es ein dringenderes Problem, dem wir unsere Zeit widmen könnten?" Die Idee ist einfach: In sonnigen, wasserknappen Regionen sollen Solarpaneele über Kanälen angebracht werden, wo sie die Verdunstung verringern und Strom erzeugen.

Eine Studie der University of California Merced, gibt dieser Idee Auftrieb. Sie schätzt, dass 63 Milliarden Gallonen Wasser eingespart werden könnten, wenn die 6.437 Kilometer Kanäle in Kalifornien mit Sonnenkollektoren bedeckt würden, die zudem 13 Gigawatt Strom erzeugen könnten. Das ist genug für die gesamte Stadt Los Angeles von Januar bis Anfang Oktober.

Aber das ist nur eine Schätzung - weder diese noch andere potenzielle Vorteile wurden bisher wissenschaftlich getestet. Das soll sich mit dem Projekt Nexus im kalifornischen Central Valley ändern.

Wie lange wird an Solarkanälen schon gearbeitet?

Solar AquaGrid via AP
Artist's impression of a wide-span solar canal canopy being piloted in California’s Central Valley.Solar AquaGrid via AP

Solarkanäle werden in Kalifornien schon seit langem als Zwei-in-Eins-Lösung diskutiert, weil erschwingliches Land für die Energieentwicklung ebenso knapp ist wie Wasser. Aber die Idee war noch hypothetisch.

Harris, ein ehemaliger Geschäftsführer einer Plattenfirma, war Mitbegründer von "Rock the Vote", einer Kampagne zur Wählerregistrierung in den frühen 1990er Jahren, und Raj organisierte sozial verantwortliche und nachhaltige Kampagnen für Unternehmen. Sie wussten, dass die Menschen einen Anstoß brauchten - am besten von einer vertrauenswürdigen Quelle.

Sie dachten sich, dass die Forschung einer angesehenen Institution das bewirken könnte, und besorgten der University of California Merced Mittel, um die Auswirkungen von mit Solarzellen bedeckten Kanälen in Kalifornien zu untersuchen.

Die Ergebnisse der Studie, die 2021 veröffentlicht wurde, erregte Aufsehen. Sie erreichten Gouverneur Gavin Newsom, der Wade Crowfoot, seinen Sekretär für natürliche Ressourcen, anrief. "Lassen Sie uns das auf den Weg bringen und sehen, was möglich ist", sagte Crowfoot nach den Worten des Gouverneurs.

Günstiger Bau auf der bestehenden Infrastruktur

Etwa zur gleichen Zeit wandte sich "Turlock Irrigation District", ein Unternehmen, das auch Strom liefert, an die University of California Merced. Er wollte ein Solarprojekt bauen, um das vom Staat gesteckte Ziel von 100 Prozent erneuerbarer Energie bis 2045 zu erreichen. Doch Land war sehr teuer, so dass der Bau auf der bestehenden Infrastruktur attraktiv war.

Außerdem bestand die Aussicht, dass der Schatten der Paneele das Unkraut in den Kanälen reduzieren könnte - ein Problem, das den Versorger jährlich 1 Million Dollar, also etwa 900 Millionen Euro, kostet.

"Bis zur Veröffentlichung dieses Dokuments der UC Merced war uns nicht klar, welche Nebeneffekte sich daraus ergeben würden", so Josh Weimer, Leiter der Abteilung für externe Angelegenheiten des Bezirks, und weiter: "Wenn schon jemand dieses Konzept erprobt, dann wollten wir sichergehen, dass wir es sind."

Der Staat stellte öffentliche Mittel in Höhe von 20 Millionen Dollar (18 Mio. Euro) zur Verfügung und machte das Pilotprojekt zu einer Zusammenarbeit zwischen dem privaten, dem öffentlichen und dem akademischen Sektor. Etwa 2,6 km lange Kanäle, die zwischen 6 und 33,5 Meter breit sind, wurden mit Solarpaneelen bedeckt, die sich zwischen 1,5 und 4,5 Meter über dem Boden befinden.

Das Team der UC Merced untersucht die Auswirkungen, die von der Verdunstung bis zur Wasserqualität reichen, so Brandi McKuin, leitende Wissenschaftlerin der Studie. "Wir müssen diesen Fragen auf den Grund gehen, bevor wir Empfehlungen für eine breitere Anwendung geben können."

Was Kalifornien von Indien über Solarkanäle lernen kann

Ajit Solanki/AP
The Narmada dam project brings water to hundreds of thousands of villages in the dry, arid regions of western India’s Gujarat state.Ajit Solanki/AP

Kalifornien ist nicht der erste Staat, der diese Technologie einsetzt. Indien hat bei einem der größten Bewässerungsprojekte der Welt Pionierarbeit geleistet. Das Staudamm- und Kanalprojekt "Sardar Sarovar" versorgt Hunderttausende Dörfer in den trockenen, dürren Regionen des westindischen Bundesstaates Gujarat mit Wasser.

Der damalige Ministerpräsident des Bundesstaates Gujarat, Narendra Modi, der heute Ministerpräsident des Landes ist, weihte das Projekt 2012 ein. Das Ingenieurbüro Sun Edison versprach 19.000 km Solarkanäle. Doch seither sind nur eine Handvoll kleinerer Projekte entstanden. Das Unternehmen meldete Insolvenz an.

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"Die Kapitalkosten sind wirklich hoch, und die Wartung ist ein Problem", sagt Jaydip Parmar, ein Ingenieur in Gujarat, der mehrere kleine Solarkanalprojekte betreut. Da es dort viel trockenes Land gibt, ist die Solarenergie auf dem Boden wirtschaftlich sinnvoller, sagt er.

Das klobige Design ist ein weiterer Grund dafür, dass sich die Technologie in Indien noch nicht durchgesetzt hat. Die Paneele des Pilotprojekts in Gujarat befinden sich direkt über dem Kanal, was den Zugang für Wartungs- und Notfallteams einschränkt.

Zurück in Kalifornien nahm Harris die Erfahrungen aus Indien und machte sich auf die Suche nach einer besseren Lösung. Das dortige Projekt wird bessere Materialien verwenden und höher liegen.

Wann wird Kalifornien Solarkanäle bekommen?

Das Projekt "Nexus" wird vielleicht nicht lange allein bleiben. Der "Gila River Indian Tribe" erhielt Mittel aus dem "Bipartisan Infrastructure Law", um Solaranlagen auf seinen Kanälen zu installieren, um Wasser zu sparen und den Colorado River zu entlasten. Und eines der größten Wasser- und Energieversorgungsunternehmen Arizonas, das "Salt River Project", untersucht die Technologie zusammen mit der Arizona State University.

Dennoch wird der schnelle Wandel in der Welt der Wasserinfrastruktur nicht gerade begrüßt, so der kalifornische Abgeordnete Jared Huffman. "Es ist eine verknöcherte Bastion von schwerfälligen alten Ingenieuren", sagte er.

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Huffman wirbt seit fast einem Jahrzehnt für diese Technologie und stellt fest, dass die Menschen immer noch viel mehr daran interessiert sind, höhere Dämme zu bauen, als an einer seiner Meinung nach viel sinnvolleren Idee.

Im Rahmen des Inflationsbekämpfungsgesetzes vom letzten Jahr hat Huffman 25 Millionen Dollar (22 Millionen Euro) zur Finanzierung eines Pilotprojekts eingesetzt. Die Projektstandorte für dieses Projekt werden derzeit geprüft.

Eine Gruppe von mehr als 100 Klimaschützern, darunter das "Center for Biological Diversity" und Greenpeace, haben jetzt einen Brief an Innenministerin Deb Haaland und die Kommissarin des Bureau of Reclamation, Camille Touton, geschickt, in dem sie sie auffordern, den weit verbreiteten Einsatz von photovoltaischen Solarenergiesystemen über den Kanälen und Aquädukten zu beschleunigen.

Die Abdeckung aller 8.000 Meilen der Kanäle und Aquädukte des Bundesstaats könnte "über 25 Gigawatt erneuerbare Energie erzeugen - genug, um fast 20 Millionen Haushalte mit Strom zu versorgen - und die Wasserverdunstung um mehrere Milliarden Gallonen zu reduzieren".

Die Abdeckung aller Kanäle wäre ideal, sagt Huffman, beginnend mit dem California Aqueduct und dem Delta-Mendota-Kanal. "Das ist ein wirklich überzeugender Fall", sagt er, "und es ist an der Zeit, dass wir damit anfangen".

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