Erneuerbare Energien legen am stärksten zu. Treiber ist die Solarenergie. In den kommenden Jahren wachsen sie schneller als jede andere große Energiequelle, meldet der Jahresausblick.
Der Strombedarf wird in den kommenden Jahrzehnten deutlich schneller wachsen als der Energieverbrauch insgesamt. Das unterstreicht den Bedarf an breiter aufgestellten Energiequellen, heißt es in einer am Mittwoch veröffentlichten Analyse.
Der Bericht der Internationalen Energieagentur (IEA) sagt, dass Erneuerbare, angeführt von der Solarenergie, in den nächsten Jahren schneller zulegen als jede andere große Quelle. Die Nachfrage nach Kohle und Öl dürfte weltweit bis Ende dieses Jahrzehnts ihren Höchststand erreichen.
Der Bericht stellt fest, dass im Jahr 2025 zahlreiche Erdgasprojekte genehmigt wurden, ausgelöst durch Kurswechsel in der US-Politik. Das spricht für ein wachsendes Angebot, auch wenn offen bleibt, wofür es eingesetzt wird. Zugleich soll die weltweite Atomstromkapazität nach Jahren der Stagnation bis 2035 um mindestens ein Drittel steigen.
Die Veröffentlichung des jährlichen World Energy Outlook fiel in dieser Woche mit UN-Klimaverhandlungen in Brasilien zusammen, bei denen Staats- und Regierungschefs Wege suchen, die Erderwärmung zu bremsen.
Die Energienachfrage steigt
Die IEA betont, Energiesysteme müssten widerstandsfähiger werden. Rechenzentren, Heizen und Kühlen, Elektrifizierung und anderes treiben die Nachfrage. Der Stromverbrauch dürfte bis 2035 um rund vierzig Prozent zulegen.
„Im vergangenen Jahr sagten wir, die Welt steuere rasant auf das Zeitalter des Stroms zu. Heute ist klar: Es ist bereits da“, sagte IEA-Exekutivdirektor Fatih Birol.
„Anders als im vergangenen Jahrzehnt steigt der Stromverbrauch nicht mehr nur in Schwellen- und Entwicklungsländern. Rasantes Wachstum bei Rechenzentren und KI treibt den Bedarf inzwischen auch in Industriestaaten.“
Birol verwies darauf, dass die Investitionen in Rechenzentren 2025 weltweit voraussichtlich 580 Milliarden Dollar (501 Milliarden Euro) erreichen und damit die 540 Milliarden Dollar (467 Milliarden Euro) für die globale Ölversorgung übertreffen. Für alle, die sagen, „Daten sind das neue Öl“, sei das „ein eindrückliches Beispiel für den Wandel moderner Volkswirtschaften“.
Erderwärmung über 1,5 Grad
Der Ausblick beleuchtet verschiedene Szenarien für die Zukunft des globalen Energiesystems. Keines davon, betont die IEA, ist eine Prognose.
In allen Varianten überschreitet die Welt in diesem Jahr den Schwellenwert von 1,5 Grad, selbst bei sehr schnellen Emissionsminderungen.
Setzen Regierungen ihre angekündigten Politiken wie geplant um, rechnet die IEA bis 2100 mit 2,5 Grad Erwärmung. Das ist leicht mehr als die 2,4 Grad im Vorjahresbericht.
Erreicht die Welt bis zur Mitte des Jahrhunderts Netto-Null, könnten die Temperaturen langfristig wieder unter 1,5 Grad sinken. Dafür bräuchte es neben sehr schnellem Fortschritt im Energiesektor den breiten Einsatz von CO2-Entnahmetechnologien. Diese sind in großem Maßstab bislang nicht erprobt.
Erstmals seit 2019 nimmt die IEA auch wieder einen pessimistischeren Pfad auf, das sogenannte Szenario aktueller Politiken. Es zeigt, was passiert, wenn Regierungen geplante Maßnahmen fallenlassen und nur das umsetzen, was bereits gesetzlich festgeschrieben ist.
In diesem Szenario würde sich die Erde bis 2100 um 2,9 Grad gegenüber vorindustriellen Zeiten erwärmen, mit weiter steigender Tendenz.
Viele Länder haben ihre neuen Klimapläne vor der COP30 nicht fristgerecht vorgelegt. Die IEA will ein Szenario auf Basis der angekündigten Zusagen daher später veröffentlichen, wenn das Bild vollständiger ist.
Wird die Nachfrage nach fossilen Energien ihren Höhepunkt erreichen?
Setzen Regierungen ihre angekündigten Energiepolitiken um, dürfte die Nutzung fossiler Energien insgesamt noch vor 2030 ihren Höhepunkt erreichen, so die IEA.
In früheren Jahren deutete der Jahresausblick der IEA an, dass die Nutzung von Öl, Gas und Kohle ab den 2030er-Jahren sinken könnte. Inzwischen ist das Bild deutlich komplexer. In einigen großen Volkswirtschaften hat der Schwung beim Klimaschutz nachgelassen, der Abschied von Fossilen ist damit unsicherer geworden.
Der Kohleverbrauch hat seinen Scheitelpunkt bereits erreicht oder steht kurz davor. Er dürfte bei Umsetzung der aktuellen Energie- und Klimapolitik stetig sinken. Die Ölnachfrage dürfte bis 2030 stagnieren und danach allmählich fallen. Beim Erdgas hingegen rechnet die IEA mit weiterem Wachstum bis in die 2030er, anders als in früheren Ausblicken.
Im Szenario aktueller Politiken könnten Öl- und Gasnachfrage sogar bis 2050 weiter steigen.
In einer Telefonkonferenz am Mittwoch sagte Birol: „Wir werden weiter Öl und Gas nutzen. Aber das Wachstum beim Strombedarf ist spektakulär.“
Er verwies etwa auf den Verkehr, der für 45 Prozent des globalen Ölverbrauchs steht.
„Wie die Elektrifizierung des Verkehrs verläuft, besonders in Ländern außerhalb Chinas und Europas, wird Verlauf und Wachstum der Ölnachfrage prägen.“
Kein Weiter-so-Szenario
Die am Mittwoch veröffentlichte Ausgabe ist die erste seit Beginn der zweiten Amtszeit von Präsident Donald Trump. Nach dem erneuten Ausstieg aus dem Pariser Abkommen hat seine Regierung Dutzende Klimaregeln zurückgenommen und die Förderung für Projekte mit erneuerbaren Energien stark gekürzt.
Stattdessen setzt Trump auf die fossile Industrie, investiert in Kohle und lockert Auflagen für Schadstoffausstoß.
Berichten zufolge stand die IEA unter Druck der USA, einem ihrer größten Geldgeber, das Szenario aktueller Politiken aufzunehmen. Es zeichnet eine positivere Zukunft für fossile Energien.
Die Autoren erklärten in einem Online-Essay, man bringe dieses Szenario zurück, weil es wichtig sei, die Welt aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten. Vom US-Druck ist nicht die Rede.
Der Ausblick betont, dieses Szenario sei kein „Weiter so“ und setze keinerlei weitere Schritte der Regierungen voraus, selbst dort, wo sie Absichten bekundet haben. In der EU etwa würde das bedeuten, dass Länder ihre Kohleausstiegsversprechen nicht einhalten oder Effizienzvorgaben nicht weiter verschärfen.
Erneuerbare und Elektrifizierung werden die Zukunft prägen
Energieanalystinnen und -analysten sehen den Umstieg auf saubere Energie weltweit im Gange, unabhängig von der jeweiligen Klimapolitik.
„Die Belege vor Ort sind überwältigend. Die Verkäufe von Elektroautos ziehen in vielen Schwellenländern an, Solar dringt sogar in den Nahen Osten vor“, sagte Dave Jones, Chefanalyst des globalen Energie-Thinktanks Ember.
„Erneuerbare und Elektrifizierung werden die Zukunft prägen.“
Manche, wie Ben Backwell, Chef des Global Wind Energy Council, meinen, der Ausblick bilde die Dynamik bei den Erneuerbaren nicht vollständig ab. Er hätte stärker betonen sollen, dass die Entwicklung Fahrt aufnimmt, getrieben von den sinkenden Kosten der Technologien, starker politischer Unterstützung und dem Trend zur Elektrifizierung.
„Wir beschleunigen“, sagte er. „Man sieht es weltweit, in unseren Zahlen für das vergangene Jahr und das erste Halbjahr. Die Aussichten sind sehr, sehr erfreulich, für Wind wie für Solar. Und fürs nächste Jahr noch mehr.“
Stephan Singer, Global Energy Senior Advisor bei CAN International, sagte, die IEA falle zurück.
„Als globaler Thinktank bildet die IEA kaum ab, wo die meisten Staaten in der OECD und in der Entwicklungswelt stehen: Sie unterstützen Netto-Null mit 98 Prozent CO2-Minderung bis zur Mitte des Jahrhunderts“, fügte er hinzu.
In der Telefonkonferenz am Mittwoch ging die IEA auf Teile der Kritik ein. Weltweit gebe es wirtschaftliche und politische Unterschiede sowie unterschiedliche Anstrengungen für saubere Energie; die Analyse versuche, dem Rechnung zu tragen.