Wie die kleine dänische Insel Samsø das Weltklima retten will

Wie die kleine dänische Insel Samsø das Weltklima retten will
Von Hans von der BrelieSabine Sans
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Sie ist ein Vorbild im Klimaschutz und ein Mekka für Entscheidungsträger, Öko-Vips und Forscher, die die Energie-Akademie vor Ort besuchen.

Im Mai sind Europawahlen. Eines der Topthemen im Wahlkampf ist der Klimaschutz. Ein Thema, das viele Menschen umtreibt, angefangen von Politikern, Klimaktivisten bis hin zu Jugendlichen und Studenten, die für die Rettung des Planeten auf die Straße gehen. In dieser Folge von Insiders schaut sich euronews-Reporter Hans von der Brelie an, wie eine kleine Insel in Dänemark das Weltklima retten will. Doch beginnen wir in Aarhus, der zweitgrößten Stadt Dänemarks...

Der Klimawandel muss gestoppt werden - und zwar sofort. Das fordern jungen Dänen im Zentrum von Aarhus. Hunderte sind auf der Straße, es werden wohl um die 2000 sein, vielleicht sogar mehr. Die Jugendlichen sind Teil einer Bewegung, die sich "Fridays For Future" nennt. Immer wieder freitags schwänzen sie die Schule und demonstrieren. Sie wollen nicht, dass unser Planet verheizt wird. Küchenlehrling Nina ist eine der Organisatorinnen, sie läuft ganz vorne in erster Reihe des langen Demonstrationszuges:

"Da läuft was total falsch. Die Politiker haben vor drei Jahren das Pariser Abkommen unterschrieben, doch sie haben keine Pläne, wie die Klimaschutzziele umgesetzt werden sollen. Deshalb sind wir heute auf der Straße."

Klimaschutz ist Topthema bei den Europawahlen

Auch bei den Europawahlen im Mai ist Klimaschutz ein Topthema. Ein koordiniertes Vorgehen gegen CO2-Emissionen könnte etwas bewirken - falls sich die Europäer rechzeitig darauf verständigen könnten.

Wissenschaftler sagen, dass die Nutzung fossiler Brennstoffe Treibhausgase - wie CO2 - freisetzt, die wie in einem Treibhaus Wärme einfangen und so die globalen Temperaturen erhöhen. Dadurch werden mehr Überschwemmungen, Dürren, Hitzewellen und ein steigender Meeresspiegel verursacht. Die Schülerstreikbewegung "Fridays For Future" begann im vergangenen Sommer in Schweden, als die 16-jährige Greta Thunberg anfing, an Schultagen vor dem Parlament zu protestieren. In nur wenigen Wochen vervielfachten sich die Freitagsproteste und finden jetzt weltweit statt.

Samsø- eine dänische Insel will das Weltklima retten

Von Aarhus und dem kleinen Hafen Hou aus nehmen wir Kurs Richtung Samsø, einer dänischen Insel, die alles daran setzt, das Weltklima zu retten. Samsø ist in Sachen Energiewende weltweit führend. In nur fünf Jahren stellte sich Samsø um: statt fossile Brennstoffe zu importieren, wird grüner Strom exportiert.

Samsø hat schon heute erreicht, was anderswo noch wie eine Utopie klingt, es ist klimaneutral. Das Abenteuer Energiewende begann mit einem Wettbewerb: Wer hat den besten CO2-Sparplan? Samsø ist der Gewinner: 

"Ganz Dänemark blickt auf diese Insel, wenn es um die Frage geht, wie der Klimawandel konkret zu bremsen ist", meint euronews-Reporter Hans von der Brelie.

Die Prinzessin Isabella ist eine der ersten Fähren Dänemarks mit einem Flüssiggasantrieb. Betrieben wird die Autofähre von der Gemeinde Samsø . Carsten Kruse, Direktor der Samsø Fährgesellschaft: "Jetzt gehen wir runter in den Maschinenraum."

Foto: Blick in den Maschinenraum der klimafreundlichen Fähre nach Samsø, die mit Flüssiggas fährt.

Flüssiggas statt Schiffsdiesel: Das reduziert den CO2-Ausstoß um 15 Prozent. Umweltschutz hat seinen Preis: die Inselbewohner zahlten 30 Millionen Euro für die "grüne Prinzessin", davon fast fünf Millionen als Aufpreis für den Spezial-Antrieb. Es wird diskutiert, die Fähre auf Biogas von der Insel umzustellen, doch Importgas aus Rotterdam ist derzeit noch billiger. Auch andere Technologien wie Wasserstoff-Brennstoffzellen oder sogar eine mit Batterien betriebene Fähre, die von den Windkraftanlagen der Insel aufgeladen werden könnten, sind in der Diskussion, aber das ist derzeit noch Zukunftsmusik.

Video: Auf der Brücke einer klimafreundlichen Fähre.

Die Schüler von Samsø sind umweltbewusst

Viertausend Menschen leben auf Samsø. Ein rauher Wind weht über die 114 Quadratkilometer große Insel. Trotzdem bleibt die Stube warm - auch ohne den Planeten zu zerstören. Viel Zeit bleibt nicht, das Weltklima zu retten. Jonathan hat es eilig, heute ist eines der ersten Treffen des Umweltrates seiner Schule. Auch Maria, Mikaela und Vilja sind Mitglied.

Ein neues, klimaneutrales Schulgebäude ist geplant. Der Umwelt-Schülerrat soll Ideen entwickeln, wie der CO2-Ausstoß reduziert werden kann, weltweit und vor Ort.

"Zuerst sollten überall öl- und kohlebetriebene Kraftwerke abgeschaltet werden. Die Ölsuche auf See muss gestoppt werden. Wir brauchen mehr Wind- und Solarkraftwerke", fordert der 16-jährige Jonathan.

Die 14-jährige Mikaela meint: "Es geht nicht nur um Riesenprojekte. Auch im Alltag müsste sich einiges ändern, beispielweise bessere Mülltrennung und Recyling."

Und Maria, 15 Jahre alt, sagt: "Ich verwende nur noch Stofftaschen. Irgendwann habe ich kapiert, dass die besser sind als Plastiktaschen."

Jonathan meint: "Es reicht nicht, nur auf individueller Ebene aktiv zu werden. Die Gemeinschaft als Ganzes muss handeln, die ganze Stadt, das ganze Land."

Die 13-jährige Vilja macht einen Vorschlag: "Wir könnten unsere Ideen und Projekte ins Internet stellen, auf YouTube, Instagram, Facebook und so weiter. Dann merken die Leute, dass wir was gemerkt haben."

Maria fügt an: "Genau deshalb hat unsere Schule ja diesen Umweltrat gegründet. Unsere Schule wird ein neues Gebäude errichten, das so umweltfreundlich wie möglich werden soll. Und wenn wir Schulausflüge unternehmen, dann sollten wir daran denken, umweltfreundliche Verkehrsmittel zu verwenden."

Mikaela sagt: "Für die Kantine kauft unsere Schule so weit wie möglich nur noch Nahrungsmittel, die hier auf der Insel erzeugt wurden. Dadurch verbrauchen wir keine Energie für die Einfuhr und den Transport dieser Nahrungsmittel."

Und Vilja meint: "Für die Insel ist es auch gut, dass wir soviel Fahrrad fahren. Das ist echt was Gutes, würde ich mal so sagen."

Samsø - das Mekka der Energiewende

Samsø ist weltweit bekannt: Hunderte von Entscheidungsträgern, Öko-Vips und Forscher besuchen jedes Jahr die Energie-Akademie auf der Insel. Der Strippenzieher vor Ort heißt Søren Hermansen, ein ehemaliger Gemüsebauer, der sich zum Klimaschutz-Superhirn gewandelt hat. Heute ist er Direktor der Energie-Akademie.

Søren von Samsø ist ein "Influencer", der die globale Erwärmung sowohl auf lokaler als auch auf globaler Ebene bekämpft. Er ist gerade aus Australien zurückgekehrt und wir haben Glück, ihn zum Interviewtermin zu erwischen, bevor er sich auf den Weg nach Johannesburg, Südafrika, macht. Als wir ihn zum ersten Mal anrufen, sitzt er im Zug, hat eine Verabredung mit einem ehemaligen dänischen Premierminister, um ein gründliches Brainstorming über weitere notwendige Klimaschutz-Maßnahmen zu führen. Zum Euronews-Interviewtermin kommt er allerdings nicht mit dem Fahrrad, sondern mit einem Kleintransporter.

Euronews-Reporter Hans von der Brelie: "Søren, schön dass wir uns treffen. Ist das ein Diesel oder ein Elektro-Auto?"

Søren Hermansen: "Alles hundert Prozent elektrisch."

Euronews: "Und da oben auf dem Dach, das ist doch eine Solaranlage, oder?"

Søren Hermansen: "Wir haben eine hundert Quadratmeter große Photovoltaikanlage, das Gebäude versorgt sich selbst mit Energie. Mit dem Stromüberschuss laden wir das Elektroauto auf."

Euronews: "Wenn ich das richtig verstehe, dann geht es darum, die vor Ort gewonnenen Erfahrungen zu teilen mit dem Rest der Welt."

Søren Hermansen: "In den Augen der Welt sind wir geradezu die Verkörperung nachhaltiger Entwicklung. Deshalb kommen die Leute von überall her. Gerade war ein Mitarbeiter des indonesischen Regierungschefs hier, um über ein nachhaltiges Entwicklungskonzept für Indonesien zu diskutieren."

Auch die Akademie selbst ist vorzeigbar: "Gute Wärmedämmung hier drin, richtig dick", meint der euronews-Journalist.

Søren Hermansen: "Wir verwenden Papierwolle, Papiergranulat und anderes Recyclingmaterial als Dämmstoff. Das Gebäude zeigt, wie man nachhaltige Baumaterialien verwenden kann. Es ist ein sehr naturnahes Haus, Du steckst sozusagen unter einer dicken Decke, überall sind dick isolierte Wände."

Euronews: "Søren , was kann der Rest der Welt, was kann Europa von Samsø lernen?"

Søren Hermansen: "Was bewegt die Menschen dazu, Veränderungen zu akzeptieren? Da braucht man schon einen Anreiz. Kann ich Geld damit verdienen? Oder sparen? Kann ich nachhaltiger leben? Kann ich meinen Lebensstil positiv verändern? Wenn das den Leuten klar wird, dann geht das mit den Veränderungen rascher, als wenn das Anordnungen von oben sind."

Aufstieg auf 77 Meter: eine Windkraftanlage wird erkundet

Mit Sørens Hilfe bekamen alle Inselbewohner, die einen Anteil an Photovoltaik- oder Windkraftanlagen erwerben wollten, vereinfachten Zugang zu Bankkrediten, auch die einkommensschwachen Haushalte. Sonne und Wind zahlten den Kredit schon nach kurzer Zeit zurück.

Søren Hermansen: "Windkraft ist Teil der Lösung. Weltweit steigen die Windkraftkapazitäten. Doch je größer die Anlagen, umso heftiger der Widerstand der Anwohner, die sagen, nein..."

Euronews: "...nicht vor meiner Türe, das gefällt mir nicht..."

Søren Hermansen: "...zu groß, zu häßlich, die Landschaft wird verschandelt... Dieses Argument hebeln wir aus, indem wir die Menschen in der Nähe zu Miteigentümern machen. Dann schaut man auf die eigene Windkraftanlage und nicht auf einen fremden, aggressiven Investor. Und auf einmal sieht die viel hübscher aus, hört sich angenehmer an und sie macht Sinn, denn da steckt ja ein Stück von Dir selbst mit drin."

Der Direktor zeigt dem Journalisten das Innere einer Windkraftanlage:

"Ich mache das mal auf. Ich muss an den Computer heran, damit ich umstellen kann von Fernbedienung auf manuelle Steuerung. 2,3 Millionen Killowattstunden werden hier im Jahr produziert. Auch wenn das für heutige Verhältnisse eine kleine Anlage ist, so ist sie doch ausgesprochen produktiv", so Søren Hermansen.

Euronews: "Wenn Sie jetzt die Turbine stoppen, kann das ganz schön teuer werden, oder?"

Søren Hermansen: "Na, für Euch mache ich das. Wenn wir da hochwollen, müssen wir das Ding stoppen."

Je nach Windaufkommen versorgt allein diese Windmühle bis zu 700 Haushalte pro Jahr. An diesem Tag ist der Aufstieg auf 77 Meter möglich, der Wind ist nicht so stark. Manchmal, wenn der Wind 12 oder 14 Meter pro Sekunde beträgt, beträgt die Produktion der Tubine bis zu 1000 kw/h. Der Direktor öffnet das Dach der Windturbine. Der Blick ist atemberaubend.

Euronews: "Hier ist es rutschig."

Søren Hermansen: "Das ist ein Öltank, nicht ausrutschen! Das Getriebe ist am empfindlichsten, hier wird die Windenergie der Leistung des Generators angepasst, das ist ein 3000 PS Generator."

Euronews: "Hier oben schwankt es ganz schön; auch in der Energiepolitik kommt einiges in Bewegung. Wie geht es weiter?"

Søren Hermansen: "Wir müssen die Infrastruktur erneuern. Diese Windkraftanlagen werden wahrscheinlich in ein paar Jahren stillgelegt und wir bauen größere."

Euronews: "Noch größere?"

Søren Hermansen: "Die Windturbinen der nächsten Generation sind drei- bis viermal größer als diese. Die Entwicklung ist rasant, wir brauchen immer mehr Energie. Es führt kein Weg daran vorbei. Wir müssen die Infrastruktur erneuern."

Euronews: "Eine großartige Aussicht von hier oben. Wenn es um Visionen geht: Wie ist Ihre Prognose für 2030?"

Søren Hermansen: _"Die Insel soll völlig unabhängig von fossilen Energieträgern werden. Transport, Rohstoffe, Handelgüter, alles wird mit einkalkuliert. Wir wollen keine fossile Energie mehr."_

Euronews: "Gibt es noch Hoffnung für den Planeten, auf dem wir leben? Oder ist es bereits zu spät?"

Søren Hermansen: "Ich bin ein Optimist und glaube, dass die Natur uns helfen wird. Erfindungsgabe und Einfallsreichtum sind Teil der Gleichung. Wir werden Lösungen finden."

Insiders erkundet eine Windmühle auf der dänischen Insel Samsø, die sich im Besitz einer lokalen Bürgergenossenschaft befindet.

Wind ernten und reich werden

Jorgen ist einer der ersten Windfarmer. Seit zwanzig Jahren erntet er Sonne und Wind. Die Gewinne investierte er erneut in grüne Energie. Jetzt ist er reich.

Euronews: "Jorgen, schön, dass wir uns treffen. Großartiger Bauernhof. Da drüben, das ist doch Ihre Windkraftanlage, oder?"

Jorgen Tranberg: "Ja. Alles in allem habe ich über die Jahre vier Millionen Euro in Windturbinen und Solaranlagen investiert, hier auf der Insel, aber auch in eine halbe Offshore-Windkraftanlage draußen auf See. Ich habe auch Photovoltaikanlagen in Deutschland, Belgien und Italien."

Euronews: "Wenn es darum geht, Geld aus eigener Tasche zu investieren, was ist da ausschlaggebend?"

Jorgen Tranberg: "Mein Geld hatte ich nach sieben Jahren wieder zurück. Ausserdem brauchen wir nicht soviel Öl aus dem Nahen Osten oder von Putin kaufen und: Wir produzieren weniger CO2."

Es war Soren, der die Bauern der Insel davon überzeugte, mitzumachen bei Samsøs "grüner Energiewende".

Euronews: "Geht es nur um vier oder fünf Landwirte, die jetzt diese Windturbinen besitzen?"

Søren Hermansen: "Nein, es geht um Miteigentümerschaft: Den Bauern gehört das Land, doch sie sind bereit, mit den Nachbarn zu teilen. So war es doch bei Dir, Jorgen, als Du mitgemacht hast in dem Programm, oder?"

Jorgen Tranberg: "Ja. Auf der Insel stehen elf Windturbinen, zwei davon wurden mit Anteilsscheinen verkauft. Ich schätze, so etwa zehn Prozent der Menschen auf Samsø sind Mitbesitzer einer Windturbine. Es ist schwierig, jemanden auf Samsø zu finden, dem die Windturbinen nicht gefallen. Sie können es ja mal ausprobieren."

Soren hat eine Verabredung mit Arne, der sich um das Heizkraftwerk in der Nähe kümmert. Nachdem Samsø die Energiewende beschlossen hatte, wurden als erstes viele der unzähligen Heizölbrenner abgeschafft und durch ein Fernwärmesystem ersetzt. Statt fossiler Energieträger wie Öl oder Gas wird hier Stroh verbrannt. Der Unterschied: Das dabei freigesetzte Kohlendioxyd wird eins zu eins wieder vom nachwachsenden Getreide absorbiert. Ein CO2-neutraler Kreislauf.

Während der Heizperiode schaut Arne zweimal täglich hier vorbei und belädt die vollautomatisierte Förderbandanlage mit Strohballen:

"Mit dieser Anlage sind dreihundert Haushalte verbunden, meist Privathaushalte, aber auch ein paar Hotels und Restaurants. Es ist ein Fernwärmesystem mit unterirdischen Wasserrohren, durch die wir 80 Grad heißes Wasser zu den Leuten schicken. Die verwenden das dann im Bad oder zum Heizen der Wohnung. Wenn das Wasser zu uns zurückkommt, hat es noch 40 Grad - und wird von uns wieder aufgewärmt", erklärt Arne Kremmer.

Forschung am dezentralen Stromnetz der Zukunft

Wir haben eine Verabredung mit Brian, dem grünen Stromnetz-Superhirn der Insel. Eigenhändig hat er sich eine Windkraftanlage in den Garten gestellt. Brian weiss: "grün" reimt sich auf "Geld".

Euronews: "Ja, Windenergie bedeutet Geld, denn Wind geht direkt auf das Bankkonto, das ist die Methode, die die Leute auf Samsø für sich entdeckt haben."

Der Elektriker Brian Kjaer leitet ein Europäisches Pilotprojekt, das jetzt erstmals in Samsøs Freizeithafen getestet wird. In der Touristensaison gehen hier Hunderte Jachten vor Anker, der Stromverbrauch schnellt in die Höhe. Eine Photovoltaikanlage speist Sonnenstrom in neuartige Superbatterien, zu Spitzenverbrauchszeiten übernehmen die dann die Elektrizitätsversorgung.

Gemeinsam mit Madeira und den schottischen Orkney-Inseln forscht Samsø am dezentralen Stromnetz der Zukunft.

"Jeder Container enthält Lithiumbatterien mit einer Leistung von insgesamt 80 Kilowattstunden. Die Photovoltaikanlage im Hafen speist tagsüber Energie in die Batterien. Abends wird dann der Energieverbrauch der vor Anker liegenden Boote und Jachten von den Batterien gedeckt", erklärt Brian Kjaer. "Ich mache das hier einmal auf, damit Sie was sehen. Acht Batterie-Boxen mit einer Leistung von jeweils zehn Kilowattstunden sind hier drin."

Die Mehrfachpackungen modulierbarer Superbatterien sind vielleicht die Lösung für eines der größten Probleme der Energiewende: Speicherkapazität und Netzstabilität. Heute handelt es sich nur um ein Pilotprojekt auf einer Insel, doch morgen könnte das Konzept überall in Dänemark Anwendung finden - und übermorgen vielleicht in ganz Europa.

Brian Kjaer: "An windigen Tagen haben wir die Energie bislang in das Stromnetz eingespeist, das ist - wegen der Netzschwankungen - gewissermaßen ein Problem. Doch mit diesen verkoppelbaren Batterie-Paketen können wir den Überschuss vor Ort speichern. Bei Windflaute speisen die Batterien dann das Netz. Wir kappen also sowohl Spitzenproduktion wie Spitzenverbrauch. Wenn man abends nach Hause kommt, sein Elektroauto auflädt und alle gleichzeitig zu kochen anfangen, dann kommt der Strom dafür aus der Batterie. Wenn viele Haushalte da mitmachen, ist das Stromnetz auf der Insel stabiler. Das kann man auch auf Landesebene übertragen."

Dänemark diskutiert einen ehrgeizigen Klimaaktionsplan. Aber während Samso bereits klimaneutral ist, versucht Dänemark, bis 2050 dorthin zu gelangen. Ähnliche Pläne gibt es in anderen EU-Ländern. Und der Autoverkehr? Die Zukunft ist elektrisch. Schon 2030 könnte Dänemark den Verkauf von Benzin- und Dieselneuwagen stoppen.

Der Verkehr der Zukunft ist elektrisch

Als Nachkomme eines Dänenkönigs aus dem frühen Mittelalter hat Stefan Wolffbrandt sein eigenes kleines Königreich aufgebaut: eine beeindruckende Oldtimer-Sammlung. Heute erklärt er seiner Tochter die Nachteile altmodischer Verbrennungsmotoren. Stefan liebt das Alte und ist doch ein Mann der Zukunft. Als Gründer von Samsøs Elektroautoverein will er den Verkehr auf der Insel revolutionieren. Der Erfolg steht noch aus.

"Bereits jetzt sollten wir fünfzig Prozent Elektroautos haben. Das ist nicht der Fall. Eine echte Katastrophe. Wir wollen, dass Samsø weltweit erstes Testgebiet für den flächendeckenden Einsatz selbstfahrender Elektrofahrzeuge wird. Und im Jahr 2030 soll es hier auf der Insel keine Benzin- oder Dieselautos mehr geben", sagt Stefan Wolffbrandt.

Seine 12-jährige Tochter Flora meint: "Wenn ich erwachsen bin, werde ich ebenfalls ein Elektroauto fahren, das produziert keinen Dreck und ist gut für die Umwelt - und cool ist es auch."

Stefan Wolffbrandt ist ein nicht nur auf der Insel bekannter Liedermacher. Gerade eben hat er seien neueste CD fertig gestellt und bereitet sich auf eine Dänemark-Tournee vor. Für den euronews-Journalisten stimmt er sein dänisch gesungenes Anti-CO2-Lied an, darin heißt es:

"Verbrauchst Du mehr als Du brauchst? / Und denkst Du, dass Dich das glücklicher macht? / Wenn Du all Dein CO2 emittierst? / Denkst Du an die Welt? / Oder an das, an was Du glaubst? / Hast Du daran gedacht es zu versuchen? / Etwas Gutes zu tun und etwas für die Umwelt? / Ganz tief in Dir drin weißt Du bestimmt, dass alles mit Dir beginnt..." (Stefan Wolffbrandt)

Euronews: "Wow, danke Stefan, für die Musik. Es ist schon erstaunlich, ein Anti-CO2-Song... Was tun Sie selber eigentlich für die Energiewende?"

Stefan Wolffbrandt: "Wir sitzen hier in einem Energiesparhaus, das wirklich sehr wenig Energie verbraucht. (...) Ich habe fast 25.000 Euro in nachhaltige Energiesysteme investiert, pro Jahr spare ich in meinen fünf Häusern dadurch 8000 Euro Heizkosten, die Investition hat sich nach drei Jahren ausgezahlt. (...) Meine persönliche CO2-Bilanz kann sich sehen lassen. Es ist wie in meinem CO2-Lied, man muss bei sich selbst anfangen, wenn man die Welt verändern will."

Auch die Kinder wissen um den dramatischen Weltklimawandel

Man könnte auch mit den Bussen anfangen. Hier auf Samsø sind immer noch Diesel-Stinker im Einsatz. Für eine Öko-Insel eigentlich ein Skandal. Auch Soren Hermansen gibt zu, dass im Bereich des Transport- und Verkehrssektors wirklich noch Einiges im Argen liegt, selbst auf seiner nachhaltigen Super-Insel... 

Ein Abschlussbesuch in der "Freien Schule": Kleingruppen, gemischte Altersstufen und persönliche Hilfe für jeden - mit dieser Methode sollen Inselbürger mit Verantwortungsbewußtsein heranwachsen. In der Schulkantine hat die neunjährige Lyra Küchendienst. Selbst die jüngeren Kinder sind sich des dramatischen Wandels des Weltklimas bewusst:

"Das ist ganz schön mies. Die globale Erwärmung führt dazu, dass Pflanzen und Bäume nicht mehr genug Wasser haben, es wird weniger Tiere geben. Und dann haben wir irgendwann auch nicht mehr genug zu essen - das ist dann das Ende", meint Lyra Hesseldal-Haines.

Europa soll bis 2050 klimaneutral werden, fordert die Europäische Kommission. Das Europaparlament ist mit großer Mehrheit einverstanden. Doch der Entschluss der Europaabgeordneten ist rechtlich unverbindlich. Das Problem liegt bei den Staats- und Regierungschefs, die sind in Sachen Energiewende gespalten zwischen Ost und West, weshalb sie ihre Entscheidung vertagt haben. Irgendwann später im Jahr, nach den EU-Wahlen, soll das Thema dann erneut auf die Tagesordnung.

Der Euronews-Reporter vor Ort: "Samsø ist Dänemarks Aushängeschild, dass es doch noch Hoffnung gibt, den Klimawandel zu bremsen und den CO2-Ausstoß in nur wenigen Jahren massiv zu reduzieren. Das ist Fakt. Bleibt die Frage, ob Europas Entscheidungsträger fähig und willens sind, von Samso zu lernen. Da darf man zweifeln."

Die anstehenden EU-Wahlen entscheiden mit darüber, ob Europa in Sachen Energiewende in sichere Gewässer steuert, oder direkt Kurs nimmt auf stürmische Zeiten.

Journalist • Hans von der Brelie

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