"Wunderwaffe"-Taurus? Die Frage ob Deutschland den Marschflugkörper an die Ukraine liefert oder nicht, steht erneut im Raum. Experten zufolge wäre die Taurus-Lieferung nicht kriegsentscheidend, sie wäre jedoch eine starke politische Botschaft.
Taurus, ja oder nein? Soll Deutschland den Marschflugkörper an die Ukraine liefern? Diese Frage wird immer und immer wieder gestellt. Der ehemalige Bundeskanzler Olaf Scholz lehnte es konsequent ab, während sein Nachfolger Friedrich Merz mit der Aufhebung der Reichweitenbeschränkung bei westlichen Waffen, die an Kyjiw geliefert werden, andere Signale sendet.
Taurus: Weiter, schneller, besser?
Taurus ist ein hochmoderner Marschflugkörper, der nur aus der Luft gestartet werden kann - das heißt, er braucht ein Trägerflugzeug. Ist er einmal abgeschossen worden, verfolgt der Taurus eine zielstrebige, eher flache Flugbahn. Die Rakete kann extrem tief - in weniger als 50 Meter Höhe - fliegen und ist sehr manövrierfähig. Sie ist in der Lage, ihr Ziel zu umfliegen und es so "von hinten" anzugreifen. Anders als bei vergleichbaren Modellen, wie dem britischen Storm Shadow oder dem französischen SCALP hat Taurus eine deutlich bessere Reichweite.
Zuvor hatte die Reichweite nicht viel ausgemacht, da deutsche Waffen eine Reichweitenbeschränkung einhielten. Allerdings wurde diese Beschränkung inzwischen aufgehoben, wodurch die vollen 500 bis 600 Kilometer an Reichweite von Taurus ausgenutzt werden können.
Taurus ist übrigens die Abkürzung von Target Adaptive Unitary and Dispenser Robotic Ubiquity System.
Der Taurus könnte etwa in der Lage sein, beispielsweise die Krimbrücke zu zerstören. Die Reichweitenbeschränkung westlicher Waffenhersteller sollte diese Szenarien verhindern, um eine potenzielle Eskalation mit Russland zu vermeiden.
Die Reichweite macht die Kriegsführung für die Ukraine allerdings auch sicherer. Trägerjets, die Taurus abfeuern, können diese aus einer größeren Distanz abfeuern, ohne zu nah und zu tief an die Front fliegen zu müssen.
Zu der Reichweite von Taurus kommt auch die Geschwindigkeit. In Kombination mit der neuesten Technologie, schaffen Taurus-Flugkörper, automatisierten Flugabwehr-Systemen gekonnt zu entkommen. Das erlaubt es Taurus-Marschflugkörpern, deutlich tiefer zu fliegen.
Taurus im technischen Überblick
- Erstveröffentlichung: 2005
- Preis (Stand 2005): 1 Million Euro
- Anzahl in Deutschland: Rund 600
- Reichweite: bis zu 500-600 Kilometer
- Navigation: Vier unabhängige GPS Systeme
Das Hauptziel
Trotz des Hype um Taurus wird es wohl nicht direkt zu einer fundamentalen Kriegswende reichen. Präzisionswaffen wie Taurus werden noch nicht auf einem Niveau produziert, das den Krieg ernsthaft ändern könnte. Deutschland hat aktuell rund 600 Taurus-Marschflugkörper, die Hälfte von ihnen einsatzbereit.
Taurus kann vor allem spezifische, komplexere Ziele angreifen wie z.B. russische Kommandozentralen oder Überwachungsflugzeuge.
Doch neben den Zielen braucht die Ukraine im Allgemeinen mehr Nachschub. Monatlich werden etwa 20 bis 30 Marschflugkörper wie Taurus im Krieg verwendet. Die deutschen Taurus-Lieferungen, wenn sie denn beschlossen werden würden, könnten daher den Bedarf für sechs bis neun Monate erfüllen, je nachdem wie häufig die Waffen eingesetzt werden.
Was würde die Nutzung von Taurus für Deutschland bedeuten?
Nur rund 30 Prozent der deutschen Bevölkerung befürworten die Taurus-Lieferungen an die Ukraine, so eine Umfrage des Statistischen Bundesamts. Die Auffassung ist, dass die Lieferung eines Präzisionskörpers wie Taurus, sowie die Aufhebung der Reichweitenbeschränkung, von Russland als Provokation verstanden werden könnte.
Allerdings gibt es Möglichkeiten, eine direkte Beteiligung zumindest offiziell zu vermeiden. Falls das Ziel ein unabhängiger Nutzen ist, könnte Kyjiw mit dem Hersteller ein "autonomes" Taurus System nutzen, welches allerdings einen erheblichen Kosten-und Zeitaufwand darstellt, vor allem im Vergleich zu einer bloßen Lieferung der Waffen an die Ukraine.
Ob und wie Russland die Lieferungen oder ein autonomes System auffassen wird, bleibt abzuwarten. Der Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow hatte auf Merz' Äußerung zur Aufhebung der Reichweitenbeschränkung gesagt, dies seien "ziemlich gefährliche Entscheidungen, wenn es sie gegeben hat".
Allerdings steht bereits fest, dass die Ukraine mehr Marschflugkörper benötigt. Monatlich nutzt Russland zwischen 60 und 100 vergleichbare Waffen, sowie 9000 Drohnen.
Die Ukraine könne sich nur verteidigen, wenn sie auch militärische Stützpunkte angreifen könne, "die auf dem Territorium des Angreifers liegen", sagte Merz. Für ihn kann die Ukraine ohne neue Lieferungen und präzisere Waffen es nicht schaffen, im Aufrüstungskrieg Schritt zu halten.