Auf Tiktok kursiert derzeit die Behauptung, die Bundesregierung würde eine "Solidaritätssteuer" für Militärhilfen an die Ukraine und Israel von der Bevölkerung verlangen. Der Haken: Dahinter steht eine ausgeklügelte Desinformationskampagne.
Zwei Monate nach der Vereidigung von Friedrich Merz als zehnter Bundeskanzler Deutschlands verbreitet sich auf TikTok ein Gerücht, in dem behauptet wird, er wolle eine sogenannte "Solidaritätssteuer" einführen, um Militärhilfen an Länder wie die Ukraine und Israel zu finanzieren.
Euroverify liegen mehrere Beispiele für diese Behauptung vor, die zuerst von den Faktenprüfern von Correctiv entdeckt wurde und in den letzten Wochen in KI-generierten Videos weiterverbreitet werden soll.
Während einige der Konten, die diese Behauptung verbreiten, sich selbst als satirisch" darstellen, verbreiten andere die Desinformation ohne jeglichen Disclaimer und stiften so Verwirrung unter den TikTok-Nutzern.
Unser Team entdeckte auch ähnliche Falschnachrichten, die zunächst als Satire gekennzeichnet waren, dann aber auf der Plattform weiterverbreitet wurden.
Dazu gehörten unbegründete Behauptungen, die deutsche Regierung würde Barzahlungen in Supermärkten verbieten, Hausbesuche durchführen, um den Krankenstand von Arbeitnehmern zu überwachen, und Renten kürzen, um EU-Waffenbeschaffungsprogramme zu finanzieren.
Merz' Koalitionsregierung - bestehend aus Christdemokratischer Union (CDU), der Christlich-Sozialen Union (CSU), und der Mitte-Links-Sozialdemokratischen Partei (SPD) - wurde im Mai, fast drei Monate nach den Parlamentswahlen, angelobt.
Eine Studie fand im Vorfeld der Bundestagswahl heraus, dass deutsche Nutzer von TikTok, der Social-Media-Plattform des chinesischen Unternehmens Bytedance, tendenziell eher Klimaskeptiker sind, Russlands Einmarsch in der Ukraine weniger kritisch gegenüberstehen und glauben, dass das chinesische politische System besser als die Demokratie ist.
Keine Anzeichen für entsprechende "Steuer"
Die Merz-geführte Regierung gilt zwar als fester Verbündeter der Ukraine und Israels, hat dem Gerücht entgegen aber keine Pläne, den sogenannten "Solidaritätszuschlag" zur Finanzierung dieser Länder zu erhöhen, wie TikTok-Nutzer behaupten.
Einige der Nutzer erklären irreführenderweise auch, die Regierung werde ab dem 1. August "automatisch Geld von den Löhnen abziehen", "ohne vorherige Genehmigung, direkt über die Lohnabrechnung".
"Das einbehaltene Geld wird am Ende des Monats automatisch ins Ausland überwiesen, um die politischen Partnerschaften zu stärken und die Hilfe vor Ort zu finanzieren", heißt es in den von Euroverify entdeckten TikTok-Videos fälschlicherweise, und es wird hinzugefügt, dass der Zuschlag in den kommenden Monaten "deutlich steigen" könnte.
Ein Sprecher der Bundesregierung bestätigte gegenüber Correctiv, dass solche Behauptungen nicht wahr seien und "jeder Grundlage" entbehrten.
Die Desinformation spielt auf den Begriff des Solidaritätszuschlags an, der in Deutschland zur Finanzierung der Kosten der deutschen Einheit eingeführt wurde.
Er beträgt 5,5 Prozent und wird als zusätzliche Abgabe auf die Einkommensteuer, die Kapitalertragsteuer und die Körperschaftsteuer erhoben. Heute zahlen rund zehn Prozent der Spitzenverdiener sowie Unternehmen und Investoren den Zuschlag, sodass der Großteil der deutschen Bevölkerung davon befreit ist.
Satire entfacht Desinformation
Euroverify entdeckte eine Reihe ähnlicher Videos auf TikTok - mit demselben Stil und derselben Technik -, die andere falsche Behauptungen über die Politik der Merz-Regierung verbreiteten.
Dazu gehörte die Behauptung, dass deutsche Supermärkte ab dem 1. Januar 2026 nur noch Kartenzahlungen akzeptieren würden und dass Bargeld abgelehnt werden wird. An diesen Behauptungen ist nichts Wahres dran.
Andere behaupteten, Merz werde "Hausbesuche" einführen, um Menschen, die krankgeschrieben sind, zu "überwachen".
Zwar gibt es Berichte darüber, dass immer mehr in Deutschland ansässige Privatunternehmen darum bitten, dass Agenturen Mitarbeiter überprüfen, die im Verdacht stehen, sich krankzumelden, obwohl sie arbeitsfähig sind, doch gibt es keinen Hinweis darauf, dass die deutsche Regierung solche Besuche einführen will.