In diesem Sommer dürfte Europa seinen direkten Weltraum-Zugang wiedererlangen. Denn die neue Trägerrakete Ariane 6 geht im Juni an den Start, derzeit ist die Endmontage in vollem Gange.
Wenn alles planmäßig läuft, wird im Juni der erste Testflug der europäischen Trägerrakete Ariane 6 stattfinden. Sie hätte bereits 2020 ihre Vorgängerin Ariane 5 ersetzen sollen, doch die Corona-Pandemie und Probleme mit den Lieferketten sorgten für Verzögerungen.
"Stolz auf Europa"
Nun freut sich Jens Franzeck, Betriebsleiter und Geschäftsführer von ArianeGroup, besonders auf den Start im Juni. "Ich bin nicht entspannt. Ich bin äußerst gespannt, denn dies ist das Ergebnis von rund zehn Jahren Arbeit. Heute ist ein historischer Tag," sagte Franzeck im Gespräch Euronew in Französisch-Guyana. "Es gibt mehr Spannung, und wir sind stolz auf Europa."
Die Trägerrakete Ariane 5 war von 1996 bis 2023 im Einsatz. Sie war die leistungsfähigste europäische Trägerrakete. Seitdem hat Europa keine Möglichkeit, größere Satelliten und weitere schwere Nutzlasten ohne Drittanbieter wie SpaceX in Erdumlaufbahnen und Fluchtbahnen zu befördern.
Eine Krise der europäischen Raumfahrt
Lucia Linares, Leiterin von Weltraumtransportstrategie und institutionellen Starts bei der Europäische Weltraumorganisation (ESA) sieht das Fehlen einer eigenen leistungsfähigen Trägerrakete als eine Krise in der europäischen Raumfahrt. "Es ist wahr, dass wir seit dem letzten Start der Ariane 5 im Juli vergangenen Jahres keine eigenen Mittel hatten, die für den direkten Weltraum-Zugang nötig sind", sagt sie. "Ich meine, Ariane 5 war unser Arbeitstier. Ariane 6 sollte sie ersetzen. Es gab einen Krieg. Leider hat niemand damit gerechnet. Von einem Tag auf den anderen war Sojus nicht mehr hier in diesem wunderschönen europäischen Weltraumbahnhof, um institutionelle Satelliten hochzubringen."
Nicht nur für die Wissenschaft wichtig
Linares zufolge wird Ariane 6 künftig sowohl in den Bereichen Verteidigung und Telekommunikation eingesetzt als auch für wissenschaftliche und kommerzielle Zwecke. Die neue Trägerrakete verwendet eine Mischung aus flüssigem Sauerstoff und flüssigem Wasserstoff zum Antrieb und wird bis zu zwölf Mal im Jahr Satelliten ins All bringen. Außerdem soll Ariane 6 genauso wettbewerbsfähig sein, wie die Raketen von SpaceX.
Damit nicht genug: Die ESA hofft, dass die neue Trägerrakete eines Tages europäische Astronauten und Astronautinnen zu bemannten Missionen vom Territorium der Europäischen Union aus befördern wird. Dem Leiter der zivilen Trägerraketenprogramme von ArianeGroup, Frank Huiban zufolge sei das Unternehmen bereit, seinen Beitrag dazu zu leisten, momentan sei aber noch keine entsprechende politische Entscheidung getroffen worden. Huiban betont: "Zunächst brauchen wir von der Politik grünes Licht".