Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) in seiner Rede beim Deutschlandtag die Rentenreform der SPD verteidigt. Beim Jahrestreffen der Jungen Union vertiefte sich damit eine Kluft. Bayerns Ministerpräsident Söder (CSU) und Wirtschaftsministerin Reiche (CDU) stellten sich hinter die Junge Union.
Am Sonntagabend gab Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) ein Kriseninterview in der ARD. Zu hoch schlugen die Wellen seiner Äußerungen vom Samstag, auf dem Deutschlandtag der Jungen Union im baden-württembergischen Rust.
Merz machte auch am Sonntag klar: Er steht weiterhin hinter dem Rentenpaket, so wie es ist – im Gegensatz zu Teilen seiner eigenen Fraktion.
"Wir haben einen Koalitionsvertrag geschlossen, und genau das, was dort vereinbart wurde, findet sich nun in dem Gesetzentwurf wieder, den wir in den Bundestag eingebracht haben." Viele junge Abgeordnete der Union sehen das jedoch anders. Sie verweisen auf die erheblichen Mehrkosten nach 2031.
Als möglichen Kompromiss schlug Merz vor, dem Gesetz einen ergänzenden Erläuterungstext beizufügen, um die Bedenken für die Zeit nach 2031 auszuräumen. "In der Begründung könnte man noch einmal darauf eingehen, wie es nach 2031 weitergehen soll. Dafür bin ich völlig offen", erklärte der Kanzler.
Ob dieses Zugeständnis den Rentenkritikern genügt, ist noch fraglich.
"Ja, ich werde diesem Rentenpaket mit gutem Gewissen zustimmen, wenn es im Deutschen Bundestag zur Abstimmung steht", hatte Merz beim Deutschlandtag am Samstag betont. Er begründete dies damit, dass die Reform nur den Auftakt zu einer umfassenderen Debatte über grundlegende Veränderungen im Sozialstaat darstelle. Die Neuausrichtung der Altersversorgung müsse noch in dieser Legislaturperiode erfolgen, was innerhalb der Koalition bereits vereinbart sei.
Wie groß die Enttäuschung innerhalb der Jungen Union war, wurde nach seiner Rede deutlich. Merz sah sich auf der Bühne des Deutschlandtags einer kritischen Frage nach der anderen ausgesetzt.
Die 18 Bundestagsabgeordneten der Jungen Union (die Junge Gruppe) hatten bereits im Oktober deutlich gemacht, dass sie dem Rentenpaket in seiner aktuellen Form nicht zustimmen werden. Ihr zentraler Kritikpunkt: Nach dem Entwurf von Arbeitsministerin Bärbel Bas würden zwischen 2032 und 2040 zusätzliche Kosten von 120 Milliarden Euro entstehen. Der Vorwurf der Jungen Union: Damit gehe man über die Vereinbarungen des Koalitionsvertrags hinaus. Man habe sich lediglich darauf verständigt, das Rentenniveau zunächst bis 2031 zu stabilisieren – nicht länger.
Am Samstag wurde unübersehbar: Merz enttäuscht die Junge Union. Ausgerechnet jene Gruppe innerhalb von CDU und CSU, die bislang zu seinen wichtigsten Unterstützern zählte. Ohne die JU, erinnerte Verbandschef Johannes Winkel noch am Freitagabend, wäre Merz weder CDU-Vorsitzender noch Bundeskanzler geworden.
Die Junge Union hatte gehofft, Merz würde das Rentenpaket noch einmal nachverhandeln – schließlich hatte er ihnen lange Zeit entsprechende Signale gegeben. Doch in Rust erteilt er diesen Erwartungen eine klare Absage.
Merz: Damit "gewinnen wir keine Wahlen"
Merz appellierte an die Delegierten, sich in die Debatte einzubringen – "aber bitte nicht, indem ihr einfach nur sagt, was nicht geht". Einen politischen Unterbietungswettbewerb, bei dem sich alle damit überbieten, wer das niedrigste Rentenniveau anbieten wolle, lehne er ab. "Damit, liebe Freundinnen und Freunde, gewinnen wir keine Wahlen."
Besonders unangenehm: Die Delegierten feierten jede kritische Nachfrage aus ihren Reihen mit stehenden Ovationen und lautem Applaus. Sobald Merz sprach, kehrte Ruhe im Saal ein. Applaus blieb aus.
Kevin Gniosdorz, Landesvorsitzender der Jungen Union in Nordrhein-Westfalen, erinnerte Merz daran, dass man "in einem Team" spiele. So wie die JU stets "an der Seite von Merz gestanden" habe, müsse nun auch er "an der Seite der Jungen Union stehen".
Ein weiterer Delegierter verwies auf Finanzminister Lars Klingbeil, der gleichzeitig auf dem SPD-Landesparteitag in Ulm bekräftigte, dass es keinerlei Änderungen am Rentenpaket geben werde. Er forderte Merz auf, seinem Vizekanzler "die Richtlinienkompetenz des Kanzlers" in Erinnerung zu rufen.
Pascal Reddig, der Vorsitzende der Jungen Gruppe im Bundestag, machte unmissverständlich deutlich, dass die Junge Gruppe bei ihrem Nein zum Rentenpaket bleiben wird: "Ihr könnt euch darauf verlassen: Wir bleiben in dieser Frage standhaft."
Die Delegierten dankten ihm mit stehenden Ovationen und lautem, rhythmischem Applaus.
Das Nein der Jungen Gruppe zu diesem Rentenpaket bleibt also bestehen. Der Konflikt, der ursprünglich zwischen den jungen Unionsabgeordneten und SPD-Sozialministerin Bärbel Bas entstanden war, hat sich zu einem offenen Streit mit dem Kanzler entwickelt.
Dabei können sich die jungen Unions-Abgeordneten auch auf Unterstützung anderer sozialpolitisch orientierter Gruppen innerhalb der Unionsfraktion verlassen. Bei der letzten Sitzung der Jungen Gruppe in Berlin zeigten rund 30 weitere Unionsabgeordnete Solidarität.
Damit wäre eine Mehrheit für das Rentenpaket kaum noch erreichbar - und eine Regierungskrise unaufhaltsam.
Bayerns Ministerpräsident Söder für neue Diskussion
Am Sonntagvormittag bemühte sich Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) darum, die Lage zu entspannen.
Bei seinem Auftritt vor dem Parteinachwuchs zollte er der Jungen Union Respekt: "Ihr habt euch in den vergangenen Wochen sehr konstruktiv eingebracht." Die jungen Politiker hätten "wirklich gute Argumente", die man ernst nehmen müsse.
Und: "Ein reines SPD-Basta von der Seite geht auch einfach nicht", so Söder in Richtung SPD-Chef Lars Klingbeil. Der hatte am Samstag auf einem Landesparteitag der baden-württembergischen SPD in Ulm betont, am Renten-Gesetz werde nichts mehr geändert.
Man werde noch einmal reden müssen, meinte Söder.
Söder nahm gleichzeitig diplomatisch auch Merz in Schutz: "Ich bitte um Verständnis – ich falle weder Friedrich Merz noch Jens Spahn in den Rücken." Der Kanzler bemühe sich darum, die Regierung zusammenzuhalten - in einer Situation, in der die SPD ums politische Überleben ringe.
Im Gegensatz zu Merz’ Auftritt am Vortag wurde der CSU-Chef von der Jungen Union mit stehenden Ovationen gefeiert.
Wirtschaftsministerin Reiche stellt sich gegen Merz
Für den Kanzler wird die Lage noch komplizierter durch die Unterstützung der Jungen Union durch Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) (die das Paket zuvor zwar im Kabinett mitbeschlossen hatte).
Auch der baden-württembergische CDU-Chef Manuel Hagel schließt sich dem Ruf der JU nach weiteren Reformen an. Solange diese Reformen nicht umgesetzt seien, dürfe es im Sinne der Generationengerechtigkeit keine weiteren Beitragserhöhungen in den Sozialversicherungen geben. Reiche hält zudem ein späteres Renteneintrittsalter für denkbar.