Vor COP26: Kommt der Kohleausstieg in Deutschland schon 2030?

Lützerath, Deutschland 2021
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Von Hans von der Brelie
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Besetzte Schaufelradbagger, Protestcamps und Baumhausdörfer am Tagebaurand, Demonstrationen und deutschlandweite Protestaktionen - Debatte um Kohleverstromung nimmt Fahrt auf.

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Wenige Tage vor dem internationalen Klimagipfel COP26 in Glasgow erhöhen deutsche Klima-Aktivisten den Druck auf Berlin, früher als geplant aus der Kohle auszusteigen. Bei Lützeratz, einem Weiler direkt am Rand des Braunkohletagebaus Garzweiler II gelegen, finden jedes Wochenende Demonstrationen statt, Klimaschützer errichteten ein Protestcamp und eine bislang unbekannte Gruppe mit dem Namen "Gegenangriff - Für das Gute Leben" drang in den Tagebau ein und blockierte mehrere Großgeräte, darunter auch einen Schaufelradbagger. Gefordert werden ein sofortiger Kohleausstieg und der Erhalt der von Abriss bedrohten Dörfer.

Im ebenfalls am Tagebaurand gelegenen Keyenberger Wald bauen Klimaschützer der Gruppe "Unser Aller Wald" ein Baumhausdorf aus. Damit soll das Vorrücken der Braunkohlebagger gestoppt oder zumindest verzögert werden. Auch der Ort Keyenberg steht auf der Liste der Dörfer, die dem Braunkohleabbau zum Opfer fallen könnten.

Interview im Baumhaus

Euronews-Reporter Hans von der Brelie ließ sich von den Aktivisten in die Grundlagen der Klettertechnik einweisen und zeichnete das Interview mit Klimaschützerin Lotte hoch oben im Baumhaus May auf, benannt nach einer französischen Anarchistin. Hier ein kurzer Ausschnitt des Interviews 17 Meter über dem Waldboden: "Wenn da ein Baum steht", so Lotte, "kann der einfach gefällt werden, dann wird der Boden weggebaggert. Wenn da aber ein Baum steht mit einem Menschen drin, dann kann das nicht so einfach geschehen, denn dann würde ja der Mensch in Gefahr gebracht werden."

Kohleausstieg erst 2038? `So hatte es die Koalitionsregierung Merkel geplant. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien kam in der abgelaufenen Legislaturperiode nur langsam voran, weshalb heute immer noch 27 Prozent des Stroms aus deutschen Steckdosen mit Kohle erzeugt wird. Deutschland ist einer der größten CO2-Sünder Europas, auch das geht mit auf das Konto der Kohleverstromung, wenn auch nicht ausschließlich.

Konservative und Sozialdemokraten hatten im Wahlkampf durchblicken lassen, dass sie am "Kohlekompromiss", also einem Ausstiegsdatum 2038, festhalten wollen - während die Grünen ein früheres Datum forderten.

Kohleausstieg schon 2030?

In einem Sondierungspapier im Vorfeld der Koalitionsverhandlungen wird nun erstmals 2030 schriftlich erwähnt. Ob sich Sozialdemokraten, Liberale und Grüne in einem eventuellen Koalitionsvertrag tatsächlich auf dieses Datum werden einigen können, bleibt abzuwarten. Allgemein wird von einer Regierungsbildung noch in diesem Jahr gerechnet.

Bislang hatten sich etliche EU-Kohleländer, wie beispielsweise Polen und Rumänien, wiederholt auf Deutschlands späten Ausstiegstermin berufen und argumentiert, man sehe nicht ein, warum man verstärkte Anstrengungen im eigenen Land unternehmen solle, wenn es noch nicht einmal das reiche Deutschland schaffe, vor 2038 aus der Kohle auszusteigen. Mit diesem Spät-Ausstiegsdatum hatte Deutschland europaweit einen Vorwand geliefert, die Energiewende der EU abzubremsen. Das könnte sich nun ändern, sollte sich 2030 als neues deutsches Ausstiegsdatum bestätigen, zumal auch die EU-Kommission mit ihrem Green Deal und diversen Kohleausstiegshilfen europaweit darauf drängt, Tempo zu machen beim Kohleausstieg.

Aufruf zu Großdemo in Lützerath

Kohlegegner haben für das kommende Wochenende zu Großdemonstrationen und Protestaktionen aufgerufen, unter anderem auch in Lützerath.

Die vollständige Fassung unserer Reportage vom Tagebaurand geht diesen Freitagabend erstmals auf Sendung, in unserem neuen Reportageformat WITNESS.

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