Darmbakterie E.coli auf der Tiefkühl-Pizza: 75 Kinder krank, 2 Todesfälle in Frankreich

E.coli auf Tiefkühlpizzen sind offenbar für den Tod von zwei Kindern und Lebensmittelvergiftungen von dutzenden weiteren verantwortlich.
E.coli auf Tiefkühlpizzen sind offenbar für den Tod von zwei Kindern und Lebensmittelvergiftungen von dutzenden weiteren verantwortlich. Copyright Unsplash
Von Alexandra Leistner
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Verschimmelte Wände, Zigarettenstummel im Schinken und abgelaufene Lebensmittel: In Frankreich steht die Firma Buitoni unter Druck nachdem zwei Kinder nach dem Verzehr von Tiefkühlpizzen der Marke gestorben sind. Mitarbeiter berichten von miserablen sanitären Verhältnissen.

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In Frankreich schlägt ein Skandal um Lebensmittelvergiftungen in Zusammenhang mit Kolibakterien hohe Wellen. 75 Kinder erkrankten an einem hämolytisch-urämischen Syndrom, das sich in akutem Nierenversagen und schweren Blutproblemen äußert. Zwei Kinder starben.

Mittlerweile wurde ein Zusammenhang zwischen den Vergiftungen und Tiefkühlpizzen der Marke Buitoni hergestellt. Die französischen Gesundheitsbehörden bestätigten am Mittwoch, dass einige Fälle von Escherichia-coli-Bakterien mit dem Verzehr der "Fraich'Up-Pizzen" in Verbindung stehen.

Der Konzern Nestlé, zu dem Buitoni gehört, rief Pizzen, die vor dem 18. März gekauft wurden, zurück und riet von ihrem Verzehr ab.

Produktion geschlossen, Verkauf eingestellt

Die beiden Produktionsstätten in Caudry in Nordfrankreich, wo 200 Mitarbeiter Buitoni-Pizzen herstellten, wurden vorerst geschlossen und der Verkauf eingestellt. Die Pizzen wurden vor allem in Frankreich vertrieben.

"Die Qualität und Lebensmittelsicherheit unserer Produkte hat oberste Priorität und wir arbeiten mit den Behörden zusammen, um herauszufinden, was passiert sein könnte", hieß es ineiner Stellungnahme des Unternehmens.

Bisher habe man E.coli-Bakterien auf den Pizzen nicht nachweisen können, die Produktion werde aber erst wieder anlaufen, "wenn die Ursachen für diese Kontamination ermittelt wurden, damit entsprechende Abhilfemaßnahmen ergriffen werden können".

"Größte bekannte E-coli-Epidemie"

Insgesamt wurden Behördenangaben bisher 75 Lebensmittelvergiftungen bei Kindern erfasst. Eine Mitarbeiterin der französischen Organisation zur öffentlichen Gesundheitspflege Santé public sagte gegenüber dem Sender France Info, es handle sich um die größten bekannte Epidemie von E.coli-Bakterien bisher in Frankreich.

Im Durchschnitte würden Santé public 160 solcher Erkrankungen des hämolytisch-urämischen Syndroms pro Jahr gemeldet, und nach nur drei Monaten sei man nun schon bei der Hälfte dieser Fälle, so Gabrielle Jones.

Die meisten von ihnen befragten Familien hätten angegeben, Buitoni-Tiefkühlpizzen gegessen zu haben. "Wir untersuchen verschiedene Hypothesen, wie es trotz der gebackenen Pizza zu den Kontaminationen kommen konnte. Es könnte der Umgang mit der noch nicht gebackenen Pizza sein."

Die meisten schwer erkrankten Patient:innen hätten Nierenprobleme, bei einer E.coli-Vergiftung könne es aber auch zu anderen Komplikationen kommen, die das Gehirn und das Herz treffen und auch zum Tod führen könnten, so Jones.

"Schimmel an den Wänden, Zigarettenstummel zwischen den Lebensmitteln"

Mitarbeiter berichten in Medien von katastrophalen sanitären Bedingungen in der Produktion des Unternehmens in Nordfrankreich.

Gegenüber dem Sender RMC sagte ein Angestellter, der 18 Monate lang in einer Produktion in Caudry arbeitete, an den Wänden der Produktionshalle hätte sich Schimmel gebildet, "wenn sich Würmer auf den Abfertigungsbändern, auf denen die Pizzen transportiert werden, tummeln und der Lack am Metallgerüst absplittert, Essensreste die Tage oder Wochen lang herumliegen, Zigarettenstummel in den Auffangbecken der Soße (...) dann weiß man, da läuft etwas falsch".

Die meisten Angestellten hätten sich nie die Hände gewaschen, "es hat mich gewundert, dass soetwas nicht schon vorher passiert ist."

Der Whistleblower, der zur Zeit seiner Anstellung die Leitung der Produktionsstätte alarmiert hatte, teilte zahlreiche schockierende Bilder mit den Medien.

Nestlé reagiert: "Alle Proben negativ"

Einige der jetzt zirkulierenden Bilder waren bereits im Mai vergangenen Jahres auf einer Website veröffentlicht worden. Nestlé-Generaldirektor Teulié räumte gegenüber AFP ein, dass die die Aufnahmen tatsächlich aus einer der Fabriken aufgenommen wurde. Aber "was sie zeigen, stellt nicht den normalen, üblichen oder akzeptablen Zustand der Fabrik dar", so Teulié.

Die Bilder zeigen nicht den normalen, üblichen oder akzeptablen Zustand der Fabrik.

"Wenn es einer Realität entspricht", könne es sich nur um punktuelle Situationen handeln, "nach einer Panne" oder "während des Reinigungsprozesses", sagte er und betonte, dass bei unangekündigten Kontrollen im September 2020 und März 2021 keine Abweichungen von den Vorschriften festgestellt worden seien.

Nestlé hat 75 Proben an der betroffenen Fertigungslinie und in der gesamten Fabrik genommen, die "alle negativ" waren, wie Pierre-Alexandre Teulié, Generaldirektor für Kommunikation von Nestlé Frankreich, gegenüber AFP erklärte.

Die Gewerkschaft CGT de l'agroalimentaire beklagte seinerseits eine Neuorganisation der Fabrik im Jahr 2015, die ihrer Meinung nach die Hygiene beeinträchtigt hatte.

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"Seitdem wird weniger Zeit für die Reinigung aufgewendet, die von weniger gut ausgebildeten Personen durchgeführt wird. Das prangern wir seit Jahren an, bei Nestlé wie auch anderswo", betonte Maryse Treton von der Gewerkschaft CGT (Fédération agroalimentaire).

Belgien und Luxemburg rufen Pizzen zurück

In Belgien, wo die Kette Leader Price die betroffenen Pizzen zurückgerufen hat, "wurde kein Fall einer menschlichen Kontamination festgestellt", wie ein Sprecher der Föderalen Agentur für die Sicherheit der Nahrungsmittelkette (FASNK) am Donnerstag der AFP mitteilte.

Die luxemburgische Lebensmittelbehörde berichtete ebenfalls über einen Rückruf der Produkte.

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