Ukraine-Krieg: Wie NGOs Kindern helfen, die von Russland deportiert wurden

Ukrainische Kinder und Mütter in einem Erholungscamp
Ukrainische Kinder und Mütter in einem Erholungscamp Copyright Hanna Arhirova/Copyright 2020 The AP. All rights reserved
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Von Rebekah DauntEuronews
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Kiew spricht von fast 20,000 ukrainischen Kindern, die von Russland zwangsdeportiert werden. Einige Hilfsorganisationen bemühen sich, diese Kinder zu ihren Familien zurückzubringen. Doch auch nach ihrer Rückkehr brauchen die Kinder eine intensive Betreuung.

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Nach Angaben des Nationalen Informationsbüros der Ukraine wurden seit der russischen Invasion im Februar 2022 etwa 19,505 Kinder nach Russland entführt oder zwangsdeportiert. Behörden befürchten jedoch, dass die tatsächliche Zahl viel höher ist, da verschleppte ukrainische Waisenkinder kaum eine Möglichkeit haben, sich als vermisst zu melden oder Kontakt zu Verwandten in der Ukraine aufzunehmen.

Russischen Angaben zufolge leben jetzt 744,000 Kinder aus der Ukraine in Russland oder in den von Russland kontrollierten Gebieten. Der Kreml behauptet, diese Überstellungen seien Teil von Evakuierungsmaßnahmen, um die Sicherheit der ukrainischen Minderjährigen in den Frontgebieten zu gewährleisten. Es gibt jedoch immer mehr Beweise dafür, dass ukrainische Kinder deportiert, umerzogen und von russischen Familien adoptiert wurden. Das Europäische Parlament betrachtet die Trennung von Kindern von ihren Familien als einen Akt der Gewalt.

Im März 2023 hatte der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) mit Sitz im niederländischen Den Haag Haftbefehl gegen Kremlchef Wladimir Putin und dessen Kinderrechtsbeauftragte, Maria Lwowa-Belowa, erlassen. Die Ermittler erheben Vorwürfe wegen Kriegsverbrechen, darunter die Verschleppung von Kindern aus besetzten ukrainischen Gebieten.Putin könnte nun in 123 Ländern, die dem Römischen Statut des IStGH beigetreten sind, verhaftet werden.

Einige Tage später eröffnete der oberste russische Untersuchungsausschuss ein Strafverfahren gegen den IStGH-Ankläger und die beteiligten Richter.

Doch kommen vermisste ukrainische Kinder jemals wieder nach Hause?

Am Freitag, den 2. Juni, trafen sich Vertreter der schwedischen EU-Ratspräsidentschaft, der Europäischen Kommission und der Ukraine in Stockholm zu einem hochrangigen Treffen. Beim Treffen ging es um deportierte Kinder und die Reform des ukrainischen Kinderschutzsystems.

"Ich bin der europäischen Gemeinschaft und allen Organisationen, die verzweifelt versuchen, alle unsere Kinder nach Hause zu bringen, sehr dankbar. 300 Kinder sind bereits zu Hause... aber wir dürfen auch nicht aufhören, uns für die Rechte der Kinder einzusetzen, die sich jetzt in der Ukraine und in verschiedenen europäischen Ländern befinden", sagte die ukrainische Ministerin für Soziales, Oksana Zholnovych.

Mehrere Nichtsregierungs- und staatliche Organisationen bemühen sich darum, zwangsdeportierte ukrainische Kinder ausfindig zu machen und sie mit ihren Familien wieder zusammenzuführen, und unterstützen ukrainische Binnenvertriebene.

Die Arbeit von NGO's

"Save Ukraine" ist ein gemeinnütziger Verein, der die Arbeit von Dutzenden Unternehmen, Freiwilligen und Einrichtungen koordiniert, um Hilfe zu leisten und Unterkünfte bereitzustellen. Der Verein hilft aber auch bei der Evakuierung von Ukrainern aus Kriegsgebieten. "Save Ukraine" ist die einzige öffentliche Organisation, die regelmäßig Rettungseinsätze in Russland durchführt.

Olga Yerokhina, Pressesprecherin der Organisation, erklärt gegenüber Euronews, dass bewaffnete russische Soldaten regelmäßig Häuser in den von Russland besetzten Gebieten aufsuchen und Familienangehörige unter dem Vorwand kostenloser Sommerlager unter Druck setzen, damit dieses ihre Kinder übergeben. Viele davon befinden sich auf der besetzten Halbinsel Krim. Später werde den Kindern das Recht verweigert, nach Hause zurückzukehren, so Yerokhina.

Sobald ein Verwandter ein Kind als vermisst meldet und sich mit "Save Ukraine" in Verbindung setzt, dauert es in der Regel einen Monat, bis die erforderlichen Unterlagen vorliegen, damit die Kinder identifiziert und nach Hause gebracht werden können.

Hilfsmaßnahmen

Yerokhina sagt, dass viele dieser Kinder keine Reisepässe haben: "Wir leisten  rechtliche Hilfe, psychologische Hilfe, wenn sie sie brauchen, und auch finanzielle Hilfe. Während dieses Monats denken wir über den Weg nach und treffen mit unseren Mitarbeitern und Partnern einige Vorbereitungen. Und wenn alles fertig ist, werden die Mütter (oder die Verwandten des vermissten Kindes) an die Zentrale von Save Ukraine in Kiew geschickt und die Reise beginnt von dort aus".

Laut Mykola Kuleba, dem Gründer der NGO und ehemaligen ukrainischen Beauftragten für Kinderrechte, werden deportierte Kinder oft von einem Lager zum nächsten gebracht, wo sie unter schlechten Bedingungen leben müssen und russischer Propaganda ausgesetzt sind. Darüber hinaus müssen die Familienmitglieder beim Grenzübertritt oft lange warten und werden von den russischen Behörden verhört.

"Save Ukraine" hat nach eigenen Angaben bisher 118 zwangsdeportierte ukrainische Kinder aus Russland und Weißrussland gerettet und 95,200 Menschen aus dem Kriegsgebiet der Ukraine evakuiert.

Lwowa-Belowa, die russische Beauftragte für Kinderrechte, wies ukrainische und westliche Behauptungen zurück, es gebe "geheime Lager zur Umerziehung" der Kinder. "Wenn ein Kind vermisst wird, haben die Ukrainer die Möglichkeit, sich mit einer Suchmeldung an den Kinderbeauftragten zu wenden", sagte sie.

Das "European Resilience Initiative Centre" hat jedoch kürzlich aufgedeckt, dass Russland seit Jahren ukrainische Kinder zwangsdeportiert und seine Gesetzgebung geändert hat, um dies weiterhin zu ermöglichen.

Am 31. Mai kündigte der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte an, die EU wolle Personen in Russland bestrafen, die an der Entführung von Kindern aus der Ukraine beteiligt sind.

"Das 11. Sanktionspaket ist sehr wichtig. Es wird zum Beispiel die Möglichkeit bieten, gegen diejenigen vorzugehen, die für die Entführung von Kindern verantwortlich sind - ein Bereich, in dem wir ebenfalls zusammenarbeiten, indem wir der Umgehung von Sanktionen Priorität einräumen und die Verantwortlichen ins Visier nehmen", sagte Rutte in Den Haag.

Was passiert, wenn diese Kinder in die Ukraine zurückkehren?

"Der Wiederaufbau und die Reform des ukrainischen Sozialsystems, einschließlich eines modernen und integrativen Kinderschutzsystems für Kinder und Jugendliche, sowie individuelle und familiäre Betreuung im Einklang mit europäischen Standards - das ist eine dringende Aufgabe für die ukrainische Regierung", erklärte die schwedische Ministerin für Soziales, Camilla Waltersson Gronvall, am 2. Mai in Stockholm.

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Save Ukraine bietet auch Unterstützung für gerettete Kinder und ihre Familien, wenn sie wieder in ihrer Heimat sind. Die Organisation verfügt über ein Team von Therapeuten, die sich um die Familien und die Rückkehrer kümmern. Ihnen wird geraten, in ihren Erholungszentren in Kiew zu bleiben und ihre Traumata zu verarbeiten, bevor sie nach Hause zurückkehren.

"Unsere Erfahrung zeigt, dass kleine Kinder nichts sagen. Sie sind verschlossen. Aber Teenager verstehen, was los ist und was los war. Und nach vielleicht einem oder zwei Monaten fangen sie an, etwas zu sagen, über ihr Leben dort, ihre Umstände oder einige Unfälle zu sprechen", so Yerokhina.

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