Euronews wirft einen genaueren Blick darauf, wie unterschiedlich die Durchschnittsgehälter in Europa ausfallen.
Die Durchschnittsgehälter sind in Europa sehr unterschiedlich. Das gilt auch für die Lebenshaltungskosten. Welche Länder bieten also die höchsten Gehälter? Und wie sehen die Gehälter im Vergleich aus, wenn man sie an die Kaufkraftstandards anpasst?
Es gibt verschiedene Definitionen von Gehalt, Lohn und Verdienst, die jeweils unterschiedliche Aspekte widerspiegeln. Das durchschnittliche kaufkraftbereinigte Vollzeitgehalt pro Arbeitnehmer ist besonders nützlich.
Die Berechnung von Eurostat basiert auf dem durchschnittlichen Bruttojahresgehalt für eine Vollzeitstelle. Euronews hat diese Zahlen in Monatsgehälter umgerechnet, indem sie einfach durch 12 geteilt wurden.
Im Jahr 2023 reichte das durchschnittliche bereinigte Vollzeit-Monatsgehalt pro Arbeitnehmer von 1.125 € in Bulgarien bis 6.755 € in Luxemburg. Der EU-Durchschnitt lag bei 3.155 €.
Dänemark ist neben Luxemburg das einzige EU-Land mit einem Gehalt von mehr als 5.000 €. Es bietet 5.634 €.
Irland (4.890 €) und Belgien (4.832 €) kommen dieser Schwelle sehr nahe.
Österreich (4.542 €), Deutschland (4.250 €) und Finnland (4.033 €) bieten ebenfalls Gehälter über 4.000 €.
Etwa 10 von 26 EU-Ländern zahlen weniger als 2.000 €.
Von den 26 EU-Ländern (ohne die Niederlande, für die keine Eurostat-Daten vorliegen) meldeten 10 ein durchschnittliches Bruttogehalt von unter 2.000 €.
In vier Mitgliedstaaten lag das Durchschnittsgehalt unter 1 500 Euro. Polen lag mit 1 505 € knapp über diesem Wert. In Rumänien, Griechenland und Ungarn lagen die Gehälter bei etwa 1.400 €.
Deutschland (4.250 €) bietet das höchste Durchschnittsgehalt unter den vier größten Volkswirtschaften der EU, gefolgt von Frankreich (3.555 €). Sowohl Italien (2.729 €) als auch Spanien (2.716 €) lagen um mehr als 400 € unter dem EU-Durchschnitt.
Die Daten von Eurostat beziehen sich auf 26 EU-Länder. Aufgrund methodischer Unterschiede sind die Daten der OECD über die durchschnittlichen Jahreslöhne je Vollzeitäquivalent zwar nicht direkt vergleichbar, umfassen aber mehr europäische Länder.
Nach Angaben der OECD lag der Durchschnittslohn in der Schweiz bei 8.104 €, womit sie das Land mit dem höchsten Lohnniveau in Europa ist. Ein weiteres Land der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA), Norwegen, bot ein Durchschnittsgehalt von 5 027 €. Im Vereinigten Königreich lag das Durchschnittsgehalt bei 4 220 €.
Die Niederlande gehören mit 4 629 € zu den bestbezahlten EU-Ländern.
Die Türkei, ein EU-Beitrittskandidat, verzeichnete mit 873 € das niedrigste Durchschnittsgehalt und lag damit als einziges Land unter der 1.000-Euro-Marke.
Der allgemeine Trend zeigt, dass die west- und nordeuropäischen Länder bei den Gehältern führend sind, während die süd- und osteuropäischen Länder in der Regel deutlich niedrigere Nominallöhne bieten.
Höchste Gehälter in Europa nach Kaufkraft
Die Unterschiede bei den Durchschnittsgehältern verringern sich, wenn sie in Kaufkraftstandards (KKS) gemessen werden, da dadurch die Auswirkungen der Preisniveauunterschiede eliminiert werden. Der KKS ist eine künstliche Währungseinheit, mit der man theoretisch in jedem Land die gleiche Menge an Waren und Dienstleistungen kaufen kann.
Dennoch bestehen innerhalb der EU weiterhin erhebliche Unterschiede. Nominal gesehen ist das höchste Durchschnittsgehalt sechsmal so hoch wie das niedrigste. Bereinigt um die KKS verringert sich dieser Unterschied auf ein Verhältnis von 2,6.
In der EU reichen die Durchschnittsgehälter in KKS von 1.710 € in Griechenland bis 4.479 € in Luxemburg, während der EU-Durchschnitt bei 3.155 € liegt.
Belgien (4.038 € KKS), Dänemark (3.904 € KKS), Deutschland (3.898 € KKS) und Österreich (3.851 € KKS) waren ebenfalls unter den ersten fünf Ländern.
Auf den letzten Plätzen folgen die Slowakei, Bulgarien und Ungarn mit Durchschnittsgehältern von weniger als 2.100 € in KKS.
Rumänien rangiert in KKS deutlich höher.
Bei den OECD-Daten sticht die Schweiz mit einem hohen Gehalt in Kaufkraft von 4.412 € KKS hervor. Es folgen die Niederlande und Norwegen, die beide rund 3.800 € KKS bieten. Das Durchschnittsgehalt im Vereinigten Königreich lag bei 3 357 € in KKS.
Wie Rumänien hat auch die Türkei (2.413 € KKS) bei diesem Indikator eine deutlich bessere Position.
Bedeutung von höherer Produktivität und Verhandlungsmacht
Zur Erklärung der Lohnunterschiede auf Länderebene merkte Dr. Sotiria Theodoropoulou, Leiterin der Abteilung Europa-, Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik beim Europäischen Gewerkschaftsinstitut (ETUI), an, dass eine höhere Produktivität eine wesentliche Grundlage für nachhaltig höhere Löhne/Gehälter sei. Sie wies darauf hin, dass Volkswirtschaften mit mehr Industrie- oder Finanzaktivitäten tendenziell produktiver sind. Auch Hightech-Industrien weisen in der Regel eine höhere Produktivität auf.
Sie betonte auch die Rolle der Arbeitsmarktinstitutionen. Generell gilt, dass eine größere Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer - sei es aufgrund starker Tarifverhandlungsinstitutionen oder/und aufgrund von politischen Maßnahmen, die ihnen "externe Optionen" auf dem Arbeitsmarkt bieten - es wahrscheinlicher macht, dass sich Produktivitätssteigerungen in höheren Löhnen und Arbeitskosten niederschlagen", erklärte sie gegenüber Euronews.
In welchen Ländern sind die Durchschnittsgehälter am stärksten gestiegen?
In den letzten fünf Jahren (2018-2023) ist das durchschnittliche bereinigte Vollzeitgehalt in allen 26 EU-Ländern nominal in Euro gestiegen.
In der gesamten EU stieg das durchschnittliche Monatsgehalt um 507 Euro, was einem jährlichen Anstieg von 6.708 Euro entspricht, was einen Anstieg von 19 % bedeutet.
Der prozentuale Anstieg reichte von nur 4 % in Schweden bis zu bemerkenswerten 102 % in Litauen.
In den vier größten Volkswirtschaften der EU fiel der Anstieg deutlich geringer aus: In Spanien betrug er 19 Prozent, in Deutschland 18 Prozent, in Frankreich 14 Prozent und in Italien nur 10 Prozent.
Auch die nordischen EU-Länder blieben unter dem EU-Durchschnitt, ebenso wie Zypern und Griechenland.
In Euro ausgedrückt reichte der Anstieg der Durchschnittsgehälter von 91 € pro Monat in Griechenland bis zu 1.291 € pro Monat in Luxemburg. Litauen verzeichnete ebenfalls einen beeindruckenden Anstieg von 1.141 € pro Monat.
Eurostat wird die Gehaltszahlen für 2024 Ende 2025 veröffentlichen.