Die Antarktis: Unberührt und gefährdet

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Die Antarktis: Unberührt und gefährdet
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Von Claudio Rosmino
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Der Klimawandel macht sich auch auf dem Kontinent auf der Südhalbkugel bemerkbar. Schutz ist gefragt, denn die Antarktis ist für die Erde überlebenswichtig.

Die Antarktis, der weiße Kontinent. In weiten Teilen unberührt. Dieses riesige Gebiet auf der Südhalbkugel und seine umliegenden Gewässer sind für das natürliche Gleichgewicht der Erde von großer Bedeutung. Fast drei Viertel der überschüssigen Wärme und große Mengen Kohlenstoffdioxid saugen diese Gebiete auf. Doch es besteht Gefahr. Der Klimawandel hat spürbare Auswirkungen auf die Antarktis, auf die Wasserwelt und die Artenvielfalt.

Die Temperaturen steigen: 1,8 Grad Celsius innerhalb von rund 30 Jahren

Im Laufe von 30 Jahren (1989 bis 2018) hat der Kontinent einen Temperaturanstieg von 1,8 Grad Celsius verzeichnet - das ist dreimal mehr als der Durchschnittswert auf der Erde. Das Eis verschwindet zusehends.

2019 nahm das Forschungsprojekt Belgica 121 (https://belgica120.be) die Wassertierwelt an der westlichen Antarktis-Halbinsel unter die Lupe. Herausgefunden werden sollte, welchen Arten die steigenden Temperaturen besonders zusetzen.

Die Gletscher schmel­zen und ziehen sich somit gewissermaßen aus dem System zurück
Bruno Danis
Meeresbiologe

Der Meeresbiologe Bruno Danis von der Freien Universität Brüssel (https://biomar.ulb.ac.be/staff/academics/bruno-danis) leitete die Forschungsreise. Mehr als 2000 Gesteins- und Tierproben wurden eingesammelt. „Die erfahrensten Forschungstreibenden, die vor Ort jahrzehntelang Erfahrung gesammelt haben, sagen uns, dass man wirklich sichtbare Veränderungen sieht - besonders auf dem Festland. Aber es beginnt auch unter Wasser. An der antarktischen Halbinsel beispielsweise gibt es von Gletschern gesäumte Fjorde. Die Gletscher schmel­zen und ziehen sich somit gewissermaßen aus dem System zurück“, so Danis.

Die Forschung will mit der Untersuchung der Veränderungen Entwürfe für die zukünftige Entwicklung erstellen. Das hilft bei der Entscheidungsfindung, wenn es darum geht, Maßnahmen zum Schutz der Artenvielfalt im Südpolarmeer zu treffen. Danis erläutert: „Wir haben es mit einem Ökosystem zu tun, das schnellen Veränderungen ausgesetzt ist - wir haben da noch Wissenslücken. Und das Gebiet ist sehr schwer zugänglich. Die Logistik dafür ist umfangreich. Wie kann versucht werden, das Rennen gegen die Wissenslücken zu gewinnen? Wir können statistische Modelle einsetzen, um zu versuchen, Vorhersagen zu treffen und diese Lücken zu schließen.“

Der Klimawandel ist nicht die einzige Schwierigkeit, auch die Überfischung belastet die Unterwasserwelt. Das Krebstier Krill gehört zu den Nahrungsquellen von Meerestieren wie Walen, Pinguinen oder Seevögeln.

1982 wurde ein Ausschuss zum Schutz der antarktischen Tierwelt gegründet (https://www.ccamlr.org) - ebenfalls um die Fischerei in den hiesigen Gewässern zu steuern. Beschlossen wurde die Schaffung von Schutzgebieten. Doch für Abkommen braucht es Einigkeit.

Schutzgebiete im Osten der Antarktis und im Weddellmeer

Bisher sind lediglich zwei Schutzzonen eingerichtet worden, das Rossmeer und nahe den Südlichen Orkneyinseln. Es soll weitere geben: Für die Einrichtung von zwei Wasserschutzgebieten (im Osten der Antarktis und im Weddellmeer) setzen sich unter anderem die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten ein. Argentinien und Chile haben ein weiteres Gebiet (an der westlichen Antarktis-Halbinsel und in der Scotiasee) vorgeschlagen. Rund ein Prozent der Meeresflächen weltweit würden damit unter Schutz gestellt.

„Die Erhaltung der Antarktis ist ein weltweites Schachspiel. Die Europäische Union unterstützt einen ehrgeizigen Plan zur Schaffung des größten Meeresschutzgebiets der Geschichte. Doch um erfolgreich zu sein, muss der EU-Kommissar für Umwelt und Ozeane starke Verbündete finden“, kommentiert euronews-Reporter Claudio Rosmino.

Der Vorschlag der EU findet Unterstützung - unter anderem von Australien, Norwegen, Uruguay und den Vereinigten Staaten. China und Russland sind dagegen und begründen ihre Haltung vor allem mit Fischereiinteressen. Die jeweiligen Ausschussdelegationen der beiden Ländern wollten sich in Folge einer euronews-Anfrage nicht äußern. Die EU hat das Südpolarmeer prominent in ihren auf 2030 ausgerichteten Plan zur Schutz der Artenvielfalt aufgenommen.

Virginijus Sinkevičius, EU-Kommissar für Umwelt und Ozeane, meint: „Diese Schutzgebiete sorgen dafür, dass die Natur im Grunde ruhen kann und vom Menschen unberührt bleibt. Die Natur braucht kein zusätzliches Handeln, keinen zusätzlichen Druck, keinen Abbau von Ressourcen, keine Fischerei oder andere Belastungen, die diese Prozesse noch weiter vorantreiben können. Wir müssen daran arbeiten, Russland, China und andere davon zu überzeugen, dass dies auch für sie eine vorrangige Angelegenheit ist. Wir sind bereit, uns dafür einzusetzen.“

Welche Rolle spielt China?

Genéviève Pons vom Institut Jacques Delors (https://www.europejacquesdelors.eu) meint, China sollte beim Umweltschutz im Südpolarmeer vorangehen. „Wir wissen, dass sich der chinesische Präsident Xi Jinping im September 2020 vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen dazu verpflichtet hat, bis 2060 kohlenstoffneutral zu sein. Es wäre also ein großer Widerspruch in seiner Haltung, in seiner Zusage, wenn er die Zerstörung des wahrscheinlich wichtigsten bestehenden Kohlenstoffsenkers zulassen würde“, sagt sie. „Die Russen gehörten zu den ersten Unterzeichnern des Antarktisvertrags vom 1. Dezember 1959, der mitten im Kalten Krieg geschlossen wurde. Das ist ein Kontinent, der dem Frieden und der Wissenschaft gewidmet ist“, betont Pons.

Nicht nur die Politik, sondern auch die Gesellschaft nimmt beim Schutz der Antarktis eine wichtige Rolle ein. Ob in Europa oder in Amerika: Es gibt unterschiedliche Bemühungen, bei der Sitzung des Ausschusses zum Schutz der antarktischen Tierwelt im Oktober Einigkeit zu erreichen. Auch die Meeresschutzgruppe Sea Legacy setzt sich dafür ein.

Wir brauchen öffentliche Unterstützung
Cristina Mittermeier
Sea-Legacy-Mitgründerin

Welche Möglichkeiten und Strategien gibt es, um den Stillstand bei den Antarktis-Verhandlungen zu beenden? Cristina Mittermeier, Sea-Legacy-Mitgründerin (https://www.sealegacy.org), erläutert: „Ich glaube, es ist an uns allen, Russland und China nicht übermäßig anzugreifen, sondern sie stattdessen zu drängen, das Richtige zu tun. Wir brauchen öffentliche Unterstützung. Eine große Gruppe von Menschen auf der ganzen Welt ist bereit, Maßnahmen zu ergreifen. Wir haben eine Plattform namens OnlyOne (https://only.one/), auf der wir diese Aktion aufzeigen. Wir bitten den Ausschuss zum Schutz der antarktischen Tierwelt, die Entscheidung zum Schutz der Antarktis zu beschleunigen.“

Schutzgebiete in der Antarktis sind kein Mittel, um dem Klimawandel unmittelbar entgegenzuwirken, sie könnten aber die Widerstandsfähigkeit der Erwärmung gegenüber stärken. Viele fordern: Bis 2030 sollen rund 30 Prozent der weltweiten Meeresflächen in Schutzgebiete verwandelt werden.

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