Ein hochrangiges Gipfeltreffen der europäischen Staats- und Regierungschefs in Paris endete ohne konkrete Ankündigung. Die Idee der Entsendung von Friedenstruppen in die Ukraine ist nach wie vor sehr umstritten.
Die europäischen Staats- und Regierungschefs versprachen am Montag, die Ukraine angesichts der russischen Invasion weiterhin gemeinsam zu unterstützen. Sie versäumten es jedoch, neue Sicherheitsgarantien zu geben, die angesichts des Vorstoßes von Donald Trump zur Aufnahme von Verhandlungen mit Russland etwas bewirken könnten.
Trumps erklärte Absicht, in den kommenden Wochen eine Einigung zur Beilegung des dreijährigen Krieges zu erzielen, hat Europa zutiefst erschüttert, denn es schürte Befürchtungen, dass dies zu schmerzhaften Zugeständnissen für Kiew führen und den Kontinent für den Expansionismus des Kremls anfällig machen könnte.
Das Weiße Haus hat einen Fragebogen an europäische Verbündete verschickt, in dem unter anderem gefragt wird, ob sie bereit wären, Friedenssoldaten in die Ukraine zu entsenden.
Keith Starmer: Rückendeckung der USA notwendig
Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte sich zuvor offen für ein solches Szenario gezeigt und damit eine Gegenreaktion ausgelöst. Am Montag machte der britische Premierminister Keir Starmer deutlich, dass er bereit sei, dasselbe zu tun, solange die USA Rückendeckung geben würden.
"Ich bin bereit, die Entsendung britischer Truppen in Betracht zu ziehen, wenn es ein dauerhaftes Friedensabkommen gibt. Aber es muss einen US-Backstop geben, denn nur eine Sicherheitsgarantie der USA kann Russland wirksam davon abhalten, die Ukraine erneut anzugreifen", sagte Starmer am Ende des Treffens.
"Wir müssen die neue Ära erkennen, in der wir uns befinden, und dürfen uns nicht hoffnungslos an die Annehmlichkeiten der Vergangenheit klammern. Es ist an der Zeit, dass wir die Verantwortung für unsere Sicherheit und für unseren Kontinent übernehmen."
Die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen erklärte, ihr Land stehe der Idee der Friedenssicherung "aufgeschlossen" gegenüber, gab aber zu bedenken, dass "eine Menge Fragen zu stellen" seien.
"Ein sehr wichtiger Punkt ist, wie die Amerikaner diese Fragen sehen werden", sagte sie. "Werden sie die Europäer unterstützen, wenn es zu einem Einsatz vor Ort kommt?"
Auf die bevorstehenden Friedensgespräche angesprochen, sagte Frederiksen, dass ein Waffenstillstand nicht automatisch Frieden bedeute und auch nicht automatisch einen dauerhaften Frieden darstelle.
Bundeskanzler Scholz: "Irritiert von den Debatten"
Bundeskanzler Olaf Scholz äußerte sich kritischer: Eine Diskussion über Friedenstruppen sei "völlig verfrüht" und zum jetzigen Zeitpunkt "hochgradig unangebracht", da der Krieg mit all seiner Brutalität immer noch andauere.
"Ich bin sogar ein wenig irritiert von diesen Debatten, muss ich sagen", sagte Scholz am Ende des Gipfels. Er war der erste Staats- und Regierungschef, der abreiste.
Scholz begrüßte die Aufnahme von Friedensgesprächen, warnte aber davor, der Ukraine einen "diktierten Frieden" aufzuerlegen. Er betonte auch die Notwendigkeit, eine gemeinsame westliche Front gegen den Kreml aufrechtzuerhalten. Die jüngsten Andeutungen des Weißen Hauses, dass bald ein Abzug der amerikanischen Truppen von europäischem Boden beginnen könnte, haben die Verbündeten verunsichert.
"Es darf keine Teilung der Sicherheit und der Verantwortung zwischen Europa und den USA geben - die NATO beruht darauf, dass wir gemeinsam handeln und gemeinsam im Risiko sind und dadurch unsere Sicherheit garantieren", sagte Scholz vor Reportern.
Ministerpräsident Sanchez: "Sicherheitsgarantien gemeinsam tragen"
"Das darf nicht in Frage gestellt werden. Das müssen wir im Auge behalten."
Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez sagte, dass es keine Einigung zwischen den Staats- und Regierungschefs über eine mögliche Friedensmission gebe und stattdessen jede Lösung zu einer stärkeren Ukraine und einer stärkeren Europäischen Union führen müsse.
"Wir haben noch nicht die Voraussetzungen für Frieden, um über dieses Modell nachzudenken", sagte Sánchez. "Alle Sicherheitsgarantien müssen von allen Verbündeten gemeinsam getragen werden."
Vor dem Treffen hatte sein polnischer Amtskollege Donald Tusk die Entsendung polnischer Soldaten in die Ukraine im Rahmen einer friedenserhaltenden Mission ausgeschlossen. Polen ist bei den Verteidigungsausgaben pro BIP führend in der NATO und wurde von der Trump-Administration gelobt.
"Wir planen nicht, polnische Soldaten in die Ukraine zu entsenden, aber wir werden Länder, die möglicherweise in Zukunft solche Garantien geben wollen, logistisch und politisch unterstützen“" sagte Tusk vor seiner Abreise nach Paris.
Krisengipfel im Élysée-Palast
An dem Treffen in Paris, zu dem Präsident Macron eingeladen hatte, nahmen neben den bereits erwähnten Staats-und Regerungschefs auch Keir Starmer aus Großbritannien, Giorgia Meloni aus Italien, Donald Tusk aus Polen und Dick Schoof aus den Niederlanden teil.
Ursula von der Leyen, die Präsidentin der Europäischen Kommission, António Costa, der Präsident des Europäischen Rates, und Mark Rutte, der Generalsekretär der NATO, waren ebenfalls anwesend.
"Die Sicherheit Europas steht an einem Wendepunkt. Ja, es geht um die Ukraine - aber es geht auch um uns. Wir brauchen ein Bewusstsein für die Dringlichkeit. Wir brauchen eine Verstärkung der Verteidigung. Und wir brauchen beides jetzt", sagte von der Leyen bei ihrer Ankunft in Paris.
Das Gipfeltreffen erfolgte als Reaktion auf das Telefongespräch zwischen Donald Trump und Wladimir Putin in der vergangenen Woche abgehalten, bei dem beide Staatsoberhäupter vereinbarten, "umgehend" Verhandlungen zur Beendigung des Krieges aufzunehmen.
Das Gespräch durchbrach die dreijährigen Bemühungen des Westens, Putin, dem Kriegsverbrechen vorgeworfen werden, zu isolieren, und führte zu einer raschen Gegenreaktion der Europäer, die sich als ausgeschlossen vom diplomatischen Prozess betrachten.
Keith Kellogg, der US-Sonderbeauftragte für die Ukraine und Russland, bestätigte später, dass Europa während der Verhandlungen konsultiert werden würde, aber letztlich keinen Sitz am Verhandlungstisch haben würde. Kellogg fügte hinzu, er arbeite auf "Trump-Time" und der amerikanische Präsident rechne damit, dass er innerhalb von "Tagen und Wochen" einen Vertragsentwurf vorlegen könne.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte, er werde keine "Abmachungen akzeptieren, die hinter unserem Rücken ohne unsere Beteiligung getroffen werden" und unterstütze die Einbeziehung Europas in die Gespräche. Russland hat jedoch erklärt, es würde es vorziehen, die Europäer von den Gesprächen fern zu halten.
Sergej Lawrow, Russlands Außenminister, sagte am Montag: "Ich weiß nicht, was sie am Verhandlungstisch sollen. Wenn sie sich ein paar schlaue Ideen über das Einfrieren des Konflikts aus den Fingern saugen wollen, während sie im Grunde (...) die Fortsetzung des Krieges im Sinn haben, warum sollten sie dann eingeladen werden?"
Treffen in Saudi-Arabien
Lawrow, gegen den die EU Sanktionen verhängt hat, wird voraussichtlich am Dienstag in Saudi-Arabien mit US-Außenminister Marco Rubio zusammentreffen. Es ist das erste Mal, dass sich EU- und russische Beamte seit dem Telefonat zwischen Trump und Putin persönlich treffen. Rubio wird von Mike Waltz, dem nationalen Sicherheitsberater, und Steve Witkoff, dem Nahost-Beauftragten, begleitet.
Die Gespräche zwischen den USA und Russland würden "keine Ergebnisse bringen", sagte Selenskyj bei einem Besuch in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Am Mittwoch will er nach Saudi-Arabien weiterreisen.
Das hohe Verhandlungstempo versetzte Europa in Aufregung und löste eine Flut von diplomatischen Aktivitäten aus, um politische Einigkeit und neue Entschlossenheit zu demonstrieren.
Europa kann nicht mehr auf den "großen Bruder" USA zählen
Die Trump-Administration hat deutlich gemacht, was sie erwartet: Europa soll den überwiegenden Teil der künftigen Unterstützung für die Ukraine übernehmen, sowohl militärisch als auch finanziell. Europa hat auch seine Bereitschaft signalisiert, eine größere Rolle zu übernehmen und gleichzeitig die westliche Front aufrechtzuerhalten, die in den frühen Stunden der Invasion errichtet wurde.
Trumps jüngste Aktionen und die jüngsten Äußerungen seines Verteidigungsministers Pete Hegseth deuten jedoch darauf hin, dass Amerika Europa nun nicht mehr als Priorität ansieht und möglicherweise bald damit beginnen wird, Militärpersonal vom Kontinent abzuziehen, um sich auf China und die Grenze zu Mexiko zu konzentrieren. Letzte Woche sagte Hegseth, dass jede friedenserhaltende Mission, die in die Ukraine entsandt wird, nicht mehr unter Artikel 5 der kollektiven Verteidigung der NATO fallen würde.