Politische Krise in Tunesien: Hilfsorganisationen in Italien warnen vor Anstieg der Migration

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Copyright Adrian Pourviseh/Adrian Pourviseh
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Von Giorgia Orlandi
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Die politische Krise in Tunesien könnte die Zahl derer weiter erhöhen, die das Land in Richtung Europäische Union verlassen. Ihr Ziel ist vor allem die italienische Insel Lampedusa. Hilfsorganisationen warnen vor den Folgen der Krise.

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Italienischen Medienberichten zufolge könnte die politische Krise in Tunesien die Zahl derer, die das Land verlassen wollen und über das Mittelmeer nach Italien flüchten, in die Höhe treiben. Die auf der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa aktive Hilfsorganisation Mediterranean Hope aber hält Vergleiche mit den Auswirkungen des Arabischen Frühlings für verfrüht.

"Folgen der politischen Krise nicht absehbar"

"Die Situation ist mit dem, was sich im Jahr 2011 abgespielt hat, nicht vergeichbar. Damals brachte die Revolution Zehntausende dazu, Tunesien zu verlassen. Es ist eine andere Lage. Das Land befand sich bereits in einer Krise als Pandemie und politische Instabilität hinzukamen. Noch sind die Folgen nicht absehbar", so Francesco Piobicchi von Mediterranean Hope.

Dennoch: Die Zahl der von Tunesien nach Lampedusa gelangten Migranten habe sich seit vergangenem Juli erhöht. Diese Tendenz sei allerdings nicht neu. Tunesische Staatsangehörige stellten zahlenmäßig die größte Gruppe der in Italien anlandenden Migranten. Neu sei die Ankunft ganzer Familien in den vergangenen Monaten, auch die Zahl unbegleiteter Minderjähriger sei gestiegen.

Tunesischer Abgeordneter sieht Gefahr einer Diktatur

Italien und die Europäische Union hatten zuletzt versprochen, die tunesische Wirtschaft zu unterstützen, um der Fluchtbewegung in Richtung Europa etwas entgegenzusetzen.

Bereits im Jahr 2020 stellte die italienische Regierung elf Millionen Euro zur Verfügung, um die tunesische Küstenwache zu stärken, um Personal zu schulen und die Ausrüstung zu verbessern.

Der in Italien gewählte Abgeordnete im tunesischen Parlament, Majdi Karabi, zeigt sich spektisch. Es sei unklar, wozu das Geld letztlich verwendet worden sei. Denn die Überfahrten zumindest seien nicht gestoppt worden.

Früheren Regierungen wirft er vor, der tunesische Wirtschaft nicht ausreichend geholfen und die Lage der jungen Menschen in dem nordafrikanischen Land ignoriert zu haben.

"Es bleibt abzuwarten, wer neuer Ministerpräsident Tunesiens wird. Abhängig davon wird Tunesien einen Kompromiss mit Italien eingehen und die Beziehungen auch zur EU verbessern können. Falls nicht, sollte das fehlschlagen, erhöht sich das Risiko der Errichtung einer Dikatur."

Keine Einigung der EU-Staaten

Bisher haben sich die EU-Mitgliedstaaten auf keinen Kompromiss verständigen können. Sara Prestianni ist Programmverantwortliche für Migration und Asyl der Nichtregierungsorganisation EuroMed Rights und sieht keine Einigkeit der Mitgliedstaaten.

"Die Staaten haben keinen Plan, wie den Ländern geholfen werden kann, die an vorderster Front der Migrationskise stehen. Einig ist man sich lediglich mit Blick auf Rückführungen und die Externalisierung von Grenzkontrollen", so Prestianni.

Tunesien ist eines der wenigen afrikanischen Länder, die ein Rückführungsabkommen mit Italien geschlossen haben. Doch das ist nicht genug. Während die EU-Staaten vor allem einen Stopp der Überfahrten im Blick haben, pocht Italien auf mehr Soldiarität und auf eine fairere Verteilung jener, die bereits an Italiens Küsten angelandet sind.

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