Warum viele Unternehmen weiter in Russland Geschäfte machen

Eine Burger King Filiale eröffnet in einer Shopping-Mall in Moskau im Januar 2010.
Eine Burger King Filiale eröffnet in einer Shopping-Mall in Moskau im Januar 2010. Copyright Misha Japaridze/AP2010
Von David Mac DougallAlexandra Leistner
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Entweder als direkte Folge der Sanktionen oder aus moralischen Gründen: Tausende internationale Unternehmen haben ihren Handel in und mit Russland eingestellt. Wie begründen die anderen Firmen, dass sie das nicht getan haben?

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Seit Russlands Invasion in der Ukraine vor mehr als einem Monat und den vom Westen verhängten Sanktionen haben etliche internationale Unternehmen ihre Tätigkeit in Russland eingestellt. Für manche kam die Entscheidung als eine direkte Folge der Sanktionen, andere entschieden sich wohl aufgrund des öffentlichen Drucks, in Putins Land kein Geld mehr verdienen zu wollen.

Viele der Unternehmen konnten ihre Geschäftstätigkeit relativ problemlos einstellen, andere haben sich in aller Eile von ihren Interessen in Russland getrennt, indem sie Geschäfte, Hotels und Fabriken verkauften. Wieder andere mussten ihre Verluste begrenzen und das Land verlassen.

"Unternehmen, die einen großen Teil ihrer Produktion in Russland haben, befinden sich in einer schwierigen Lage", sagt Peter Gabrielsson, Professor für internationales Marketing an der Universität Vaasa in Finnland.

"Man kann nicht einfach plötzlich die Produktion einstellen, und wenn man das Land verlässt, hat Russland angedeutet, dass es die Firma und die Einrichtungen dort konfiszieren wird. Es ist wirklich nicht einfach, den Betrieb einzustellen", so Gabrielsson im Gespräch mit Euronews.

Zudem besteht die Gefahr, als ausländisches Unternehmen in Russland enteignet zu werden. Die Zusammenarbeit mit von Sanktionen betroffenen Kunden und Lieferanten ist westlichen Unternehmen zudem verboten.

Aber was ist mit den großen Namen, einige der bekanntesten und umsatzstärksten Unternehmen in Europa, die weiterhin in Russland tätig sind? Warum haben sie ihre Geschäfte nicht eingestellt?

Viele deutsche Unternehmen bleiben

Professor Gabrielsson sagte gegenüber Euronews, dass es "große Risiken" für Unternehmen gibt, die sich nicht aus dem russischen Markt zurückziehen oder zu lange brauchen, um eine Entscheidung zu treffen.

"Diese bekannten und anerkannten globalen Marken haben das Problem, dass die Verbraucher:innen ihre eigenen Entscheidungen treffen. Und wenn ihnen nicht gefällt, was die Marke tut, werden sie nicht mehr kaufen, sodass hier ein großes markenbezogenes Risiko besteht", sagt er.

Laut der Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) waren vor der Invasion russischer Truppen in die Ukraine rund 3.650 deutsche Firmen in Russland aktiv. Eines der Unternehmen, das entschieden hat, weiter Russland zu beliefern, ist der Pharmariese Bayer. Das Unternehmen hat zum einen Saatgut an russische Landwirte geliefert und versorgt das Land auch weiter mit Medikamenten. "Nicht-essenzielle Geschäfte" in Russland will der Konzern aber einstellen.

Auch Fresenuis und Merck haben erklärt, ihre "Patient:innen in Russland nicht allein lassen" zu wollen.

Auch das Düsseldorfer Unternehmen Metro gerät weiter unter Druck, nachdem eine ehemalige ukrainische Angestellte in sozialen Medien den Konzern dafür kritisierte, mit seinem Handel und den in Russland gezahlten Steuern die Aggression in der Ukraine mitzufinanzieren.

"Die Entscheidung wurde nicht leichtfertig und nach sorgfältiger interner Prüfung getroffen. Das Unternehmen trägt auch Verantwortung für die 10.000 Kolleginnen und Kollegen dort, und viele Menschen kaufen ihr Essen bei uns", heißt es in einer Mitteilung der Metro AG.

Das Unternehmen macht nach Rechnung von agrarheute 10 Prozent seines Umsatzes in Russland.

Angst vor einem Imageschaden

In dieser Woche hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mehrere französische Unternehmen, darunter auch Renault, angeprangert, die ihr Werk in Moskau noch immer in Betrieb haben, während andere Marken wie Volkswagen ihr Russlandgeschäft bereits eingestellt haben.

Anfang März hatte Selenskyj auch die Lebensmittelkonzerne Nestlé und Mondelez, die Konsumgüterhersteller Unilever und Johnson & Johnson, die europäischen Banken Raiffeisen und Société General, die Elektronikriesen Samsung und LG, den Chemiekonzern BASF sowie die Pharmakonzerne Bayer und Sanofi erwähnt und kritisiert, dass sie und "Dutzende anderer Unternehmen" den russischen Markt zu diesem Zeitpunkt noch nicht verlassen hätten.

Einige dieser Unternehmen, wie z. B. Samsung haben ihre Geschäftstätigkeit in Russland inzwischen eingestellt.

Selenskyjs öffentliche Schelte für den französischen Autogiganten hatte fast unmittelbare Auswirkungen, da Renault ankündigte, die Produktion in Russland einzustellen und seine Beteiligung an der Firma AvtoVaz, die Lada-Autos herstellt, zu überdenken.

Der Grund für diese Verzögerung? Renault beschäftigt in seinem Moskauer Werk zweitausend Arbeiter, AvtoVaz hat 45.000 Angestellte. Das französische Unternehmen erklärte, es müsse ihre Interessen berücksichtigen und "verantwortungsvoll" handeln.

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Marks und Spencer

Das britische Einzelhandelsunternehmen Marks and Spencer steht in der britischen Politik in der Kritik, weil seine 48 Geschäfte in Russland noch immer geöffnet sind.

Das Unternehmen beschäftigt dort 1.200 Mitarbeiter, aber die Läden sind eigentlich an ein türkisches Unternehmen lizenziert, das sie im Rahmen eines Franchisevertrags betreibt - selbst man die Läden in Russland schließen wollte, wäre das also nicht möglich.

Als Reaktion auf die Lage hat das Unternehmen bereits Anfang März die Lieferungen von M&S-Waren an den türkischen Franchisenehmer eingestellt, sodass die Regale der russischen Geschäfte mit der Zeit immer leerer werden. Als Zeichen der Unterstützung für die Menschen in der Ukraine hat Marks and Spencer zudem angekündigt, seine Unterstützung für UNHCR und UNICEF als Reaktion auf die Flüchtlingskrise.

Die Sonderstellung von Franchise-Unternehmen

Andere westliche Marken, die in Russland als Franchiseunternehmen geführt werden, stehen vor ähnlichen Problemen wie Marks and Spencer, auch wenn dies von der jeweiligen Franchisevereinbarung abhängt.

McDonalds zum Beispiel besitzt die meisten seiner Filialen in Russland und beschäftigt 62.000 Mitarbeiter an mehr als 800 Standorten. Anfang dieses Monats kündigte das Unternehmen an, alle Filialen vorübergehend zu schließen. Die 100 McDonalds-Restaurants, die in Russland Franchisebetriebe sind, bleiben aber geöffnet.

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Auch in rund 800 Burger-King-Restaurants in ganz Russland können die Kund:innen weiterhin essen, da diese Standorte als Franchiseunternehmen in Partnerschaft mit lokalen russischen Unternehmen betrieben werden und es aufgrund dieser Vereinbarung nicht möglich ist, kurzfristig zu schließen. Auch dann nicht, wenn die Kund:innenen das wollen. Denn auch die Partner haben sich geweigert, die Fastfood-Restaurants zu schließen.

Die Muttergesellschaft RBI sagte, dass sie versucht, sich von Burger King in Russland zu trennen, dass dies aber eine Weile dauern werde. In der Zwischenzeit habe man jegliche Unterstützung für die russischen Betriebe eingestellt.

"Würden wir gerne alle Burger King-Geschäfte in Russland sofort schließen? Ja. Sind wir in der Lage, eine Aussetzung des Betriebs heute zu erzwingen? Nein", sagt RBI-Präsident David Shear in einer Erklärung.

Die Sandwich-Kette Subway befindet sich in der gleichen Situation: Die 450 Filialen werden alle per Franchising betrieben. Die Muttergesellschaft ist daher nicht in der Lage, sie zu schließen. In einer Erklärung sagte Subway jedoch, dass alle Gewinne aus Russland für humanitäre Hilfe für ukrainische Flüchtlinge verwendet werden sollen.

AP Photo
Ein Subway-Sandwich - Archivbild.AP Photo

Nestlé und Mars

Auch Nestlé wurde dafür kritisiert, dass es seine Geschäftstätigkeit in Russland nur langsam einstellt.

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Der in der Schweiz ansässige multinationale Lebensmittel- und Getränkekonzern kündigte jetzt an, dass er die meisten Geschäfte in Russland wegen der Invasion in der Ukraine einstellen werde - Baby- und Krankenhausnahrung will man aber weiter verkaufen.

Das Unternehmen hat fast 6.000 Angestellte in Russland und sagte auf Anfrage von Euronews: "Wir sind dabei, Lösungen für unsere Mitarbeiter:innen und unsere Fabriken in Russland zu finden. Wir werden unsere Mitarbeiter:innen weiter bezahlen."

Auch andere große europäische und US-amerikanische Konsumgüterunternehmen sagen, dass sie ihr Geschäft zurückfahren, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, sich aber nicht vollständig aus Russland zurückziehen werden.

Der Süßwaren- und Tiernahrungshersteller Mars beispielsweise, der seit Jahrzehnten in Russland tätig ist und dort fast 6.000 Angestellte und mehrere Fabriken hat, erklärte vor kurzem, dass neue Investitionen sowie Ein- und Ausfuhren nach Russland ausgesetzt und Werbung und soziale Medien pausieren werden.

Mars wird jedoch weiterhin Tiernahrung und Lebensmittel verkaufen. In der Begründung hieß es, man spiele eine "wesentliche Rolle bei der Ernährung der russischen Bevölkerung und ihrer Haustiere". Allerdings sollen die Gewinne aus dem Russland-Geschäft humanitären Zwecken zugute kommen.

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