Zufall? Länder mit Turberkulose-Impfpflicht haben weniger Covid-Tote

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Tylenol Vaccines Copyright JACK DEMPSEY/AP2006
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Von Marta Rodriguez MartinezAlexandra Leistner mit ap, afp
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Stärkt die Impfung gegen Tuberkulose das Immunsystem in einer Weise, dass einige Bevölkerungsgruppen besser mit dem Coronavirus fertigwerden als andere? Oder sogar vor einer Infektion schützen?

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Warum gibt es in manchen Ländern eine sehr hohe Sterblichkeitsrate nach Infektion mit dem Coronavirus und in anderen scheinen zwar viele zu erkranken, aber nur wenige Menschen sterben an Covid-19?

Diese rätselhafte Diskrepanz der Zahlen erklärt sich möglicherweise durch die universelle Anwendung eines Impfstoffs, der seit Jahrzehnten gegen Tuberkulose eingesetzt wird - oder auch nicht.

Eine neue wissenschaftliche Studie zeigt einen möglichen Zusammenhang zwischen den Ländern, in denen die Tuberkuloseimpfung Bacillus Calmette-Guerin (BCG) Pflicht ist, und den Auswirkungen des neuartigen Coronavirus.

Ein breiter Schutz - aber auch bei SARS-CoV-2?

"Es gibt Berichte, dass der BCG-Impfstoff einen breiten Schutz gegen Atemwegsinfektionen bieten kann", erklärt Gonzalo Otazu, Forscher am New Yorker Institute of Technology und einer der Autoren der Studie, bei Twitter. "Wir haben uns also die Daten angesehen: Länder, die nie einen universellen BCG-Impfstoff eingeführt haben, wurden von COVID-19 hart getroffen, mit einer hohen Zahl von Todesfällen".

Otazu vergleicht die Politik bezüglich der Anwendung von Tuberkuloseimpfstoffen in Italien, das mit 13.915 die höchste Zahl von Todesfällen durch COVID-19 aufweist, mit der Japans, das nur 63 Todesfälle und weniger strenge Eindämmungsmaßnahmen hat. In Italien bestand nie eine universelle Impfpflicht, in Japan dagegen gibt es sie.

Dies könnte auch den Unterschied zwischen den Auswirkungen des Coronavirus in West- und Osteuropa erklären. Der Tuberkuloseimpfstoff wird in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion (UdSSR) in großem Umfang weiterhin eingesetzt.

Klinische Studien beginnen

In mehreren Ländern erforschen Wissenschaftler jetzt, ob sich dieser Zusammenhang in klinischen Studien bestätigen lässt. In Deutschland soll eine großangelegte Studie an mehreren Kliniken durchgeführt werden.

Der von Forschern des Max-Planck-Instituts für Infektionsbiologie gegen Tuberkulose entwickelte Impfstoff-Kandidat VPM1002 soll älteren Menschen sowie Beschäftigten im Gesundheitswesen gespritzt werden, um herauszufinden, ob er auch bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 wirksam ist.

Zwar könne der Impfstoff nicht als direkte Impfung gegen das Coronavirus eingesetzt werden, wie das Max-Planck-Institut mitteilte, jedoch hoffen die Forscher eine Lösung zu finden, mit der die Zeit bis eine entsprechende Impfung auf dem Markt ist, überbrückt werden kann.

Ähnliche Tests werden in den Niederlanden und Großbritannien durchgeführt.

BCG auch die grundlegende Immunkapazität des Körpers und hilft ihm, stärker auf Keime zu reagieren.
Nigel Curtis
Australischer Virologe

Auch ein australisches Forschungsteam gab am Freitag bekannt, dass es mit groß angelegten Tests des Tuberkulose-Impfstoffs begonnen hat, um herauszufinden, ob er Gesundheitspersonal vor dem Coronavirus schützen kann.

An der klinischen Studie werden etwa 4.000 australische Krankenhausmitarbeiter teilnehmen, um zu sehen, ob der Impfstoff die Symptome von Covid-19 reduzieren kann, sagten Forscher des Murdoch-Instituts in Melbourne.

"Obwohl er ursprünglich für Tuberkulose entwickelt und immer noch mehr als 130 Millionen Babys pro Jahr verabreicht wird, steigert BCG auch die grundlegende Immunkapazität des Körpers und hilft ihm, stärker auf Keime zu reagieren", so die Forscher in einer Erklärung.

"Wir erwarten eine Verringerung der Häufigkeit und des Schweregrades der Covid-19-Symptome bei Gesundheitsfachkräften, die mit BCG geimpft wurden", erklärte der Leiter des Forschungsteams, Nigel Curtis.

Ein Jahrhunderte alter Impfstoff

Französische Wissenschaftler begannen 1908 mit der Entwicklung von BCG, das 1921 eingeführt wurde. Der Name BCG, Bacillus Calmette-Guerin geht auf die beiden beteiligten Bakteriologen Albert Calmette und Camille Guerin zurück.

Tuberkulose wird durch ein Bakterium verursacht, das die Lungen angreift und sich durch engen Kontakt mit einer infizierten Person beim Niesen oder Husten verbreitet - ähnlich wie das Coronavirus.

Besonders nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Impfung großflächig eingesetzt, als in den 1950er Jahren große, spezialisierte Krankenhäuser für die Behandlung von Patienten mit der Krankheit eingerichtet wurden.

Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) infizieren sich jährlich 10 Millionen Menschen mit Tuberkulose und 1,5 Millionen Menschen sterben an den Folgen der Krankheit.

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