Prozess um Staatsversagen in der Pandemie - 520 Angehörige klagen

In Italien hat die juristische Aufarbeitung von folgenschweren staatlichen Versäumnissen zu Beginn der Pandemie begonnen.
Vor einem Gericht in Rom versammelten sich zahlreiche Angehörige von Covid-19-Toten, die Klage eingereicht hatten.
Mehrere von ihnen vertritt die Anwältin Consuelo Locati:"Vielleicht ist dies das erste Mal in Italien, dass 520 Menschen den Mut finden, sich zusammenzutun und die öffentlichen Behörden, wie das Gesundheitsministerium, die Präsidentschaft des Ministerrats und die Region Lombardei, zu verklagen und sie für ihre Fehler zur Verantwortung zu ziehen."
Die Klageschrift umfasst 2000 Seiten. Auf ihr sind die Namen von 6500 Menschen geführt, die in den Provinzen Bergamo und Brescia gestorben sind.
"Höherer ziviler Wert"
Eine Angehörige, die anonym bleiben wollte, sagte vor dem Begin der ersten Anhörung:_ "Wir wünschen uns auch, dass in einem Land, das zu Recht neu beginnt, die Erinnerung nicht verloren geht und wir für unsere Familien da sind, aber auch für einen höheren zivilen Wert."_
Die Angehörigen eint die Suche nach Aufklärung und Gerechtigkeit. Sie fordern aber auch finanzielle Entschädigung im Gesamtvolumen von rund 100 Millionen Euro.
Der Zivilprozess in Rom dürfte mehrere Jahre dauern. Es geht nicht nur darum, mögliches Versagen zu klären, sondern auch Fälle von Vertuschung. In der ersten Coronawelle starben allein in der Region Lombardei über 30000 Menschen. Die Region entwickelte sich zum europäischen Epizentrum der Pandemie.
Unvergessen für die Angehörigen bleiben wohl die Aufnahmen von Militärlastwagen die mit Särgen beladen zu Krematorien in der Lombardei gefahren sind, weil Bestattungsinstitute überlastet waren.
Nach Berechnungen der Johns Hopkins Universität liegt die Zahl der Covid-19-Toten in Italien aktuell bei 127.718.