Jens Spahn hat vorgeschlagen, mit der AfD umzugehen "wie mit jeder anderen Oppositionspartei auch". Der Vorschlag löste heftige Kritik bei Grünen, SPD und Linken aus und erinnert an die Vorwürfe an Merz, bei einer Abstimmung im Januar die Brandmauer zur AfD eingerissen zu haben.
Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Jens Spahn, will mit der AfD umgehen "wie mit jeder anderen Oppositionspartei auch". Das sagte er am vergangenen Wochenende zur "Bild"-Zeitung und erntete dafür Kritik von den Grünen, Linken und der SPD.
Sein Parteikollege Johann Wadephul hat nun ebenso Posten für die AfD-Fraktion ins Spiel gebracht. "In die neue Geschäftsordnung wollen wir explizit aufnehmen, dass sie auch wieder abgewählt werden können, wenn sie sich nicht korrekt verhalten", sagte der CDU-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Sie reagieren empört und warnen vor der Verharmlosung von Rechtsextremismus. Die Zusammenarbeit mit der AfD wurde bisher als Tabu gehandelt. Bei einer Abstimmung über einen Antrag im Bundestag zum Thema Migration hatte die CDU im Januar erstmals mithilfe der AfD eine Mehrheit der Stimmen erlangt.
Die gemeinsame Abstimmung von CDU und AfD hatte weitreichende Konsequenzen: Mehrere hunderttausend Menschen demonstrierten Anfang Februar für den Erhalt der Brandmauer und gegen Friedrich Merz. Merz wurde von Demonstranten und Politikern der Linken sowie Grünen und SPD vorgeworfen, ein Tabu zu brechen und die sogenannte Brandmauer der etablierten Parteien gegen die AfD zu gefährden. Das "Zustrombegrenzungsgesetz" der Union wurde anschließend - trotz Mehrheiten der AfD im Deutschen Bundestag abgelehnt.
Jens Spahn: Umgang mit der AfD "wie mit jeder anderen Oppositionspartei auch"
Der CDU-Politiker Spahn antwortete auf die Frage zum parlamentarischen Umgang mit der AfD, zweitstärkster Kraft im Bundestag. Er bezog sich etwa auf Abläufe in der Geschäftsordnung sowie die Besetzung von Ausschüssen, als er sagte, man müsse bei organisatorischen Fragen im Bundestag mit der AfD "wie mit jeder anderen Oppositionspartei auch" umgehen.
Spahn verwies darauf, dass die Partei von Deutschlands Wählern gestärkt worden sei. Deswegen gehe es darum, die „richtige Balance“ im Umgang zu finden. Er kritisierte dennoch den Ton der AfD als häufig "nicht bürgerlich" und warnte, dass es eine harte Auseinandersetzung im Bundestag werde.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall. In bestimmten Bundesländern gilt die Partei bereits als in Teilen gesichert rechtsextrem. Ein neuer Bericht des Bayerischen Verfassungsschutzes warnte zuletzt vor der AfD. Aussagen von AfD-Politikern würden "auf eine Verletzung des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips abzielen", heißt es darin.
Spahn wird als möglicher Fraktionsvorsitzender der CDU und CSU gehandelt. Das Amt als Fraktionschef ermöglicht es, eigenständig im Parlament zu verhandeln und sich als Gegenspieler des Kanzlers zu positionieren.
Grüne, Linke und SPD üben scharfe Kritik an Spahns Vorschlag
Die Äußerungen Spahns wurden deutlich kritisiert, insbesondere von den Grünen, Linken und der SPD. "Wäre die AfD eine Oppositionspartei wie jede andere, käme Herr Spahn gar nicht auf die Idee, so was zu sagen. Ist sie aber nicht", sagte Grünen-Co-Chefin Franziska Brantner der Süddeutschen Zeitung. Die AfD sei "eine destruktive, zum Teil gesichert rechtsextreme Organisation, die unsere demokratischen Freiheiten untergraben möchte", begründete sie weiter.
Das bestätigte auch die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Irene Mihalic, gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Deshalb kann es mit der AfD nur einen Umgang geben: Alle Demokraten sind gefordert, die parlamentarische Demokratie und ihre Institutionen vor extremistischen und autokratischen Einflüssen zu schützen“, sagte Mihalic.
Auch der Berliner SPD-Fraktionschef Raed Saleh schloss sich der Kritik an. "Wer Rechtsextremisten wie die AfD gleichstellt mit der demokratischen Opposition, relativiert die Gefahr für Gesellschaft und Demokratie als auch die schmerzhaften Lehren aus unserer Vergangenheit", sagte er dem "rbb". Für ihn gibt es eine Gefahr der Normalisierung von extrem rechten und rechtspopulisitischen Positionen. Deutschland brauche eine konservative Partei, die sich von der extremen Rechten abgrenze, „anstatt ihr hinterherzulaufen“.
Auch Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek kritisierte Spahn scharf: Menschen wie Spahn hätten immer noch nicht begriffen, dass "die AfD eine rechtsextreme Partei ist, die die Menschenrechte mit Füßen tritt und die Demokratie zerstören will." Die Partei sei "ganz klar der politische Gegner". Niemand sei verpflichtet, eine bestimmte in Ämter zu wählen.
Kritik an Spahn und Wadephul kommt auch aus der CDU
Nun ringen auch Mitglieder der Unionsfraktion mit dem künftigen Umgang mit der erstarkten AfD. Roderich Kiesewetter, Vize-Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums äußerte ebenso Sicherheitsbedenken. Für ihn ist die AfD "keine normale Partei im demokratischen Spektrum, sondern sie ist anti-demokratisch, zumindest in Teilen rechtsextrem", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Alle Ausschussvorsitze für die AfD zu verweigern, führe laut Johann Wadephul im "Kölner Stadtanzeiger" jedoch dazu, dass "sie ihren Märtyrerstatus aufrechterhalten können". Er schloss sich der Argumentation Spahns an.
Behindert die Brandmauer den parlamentarischen Betrieb im Bundestag?
Seit dem Einzug der AfD ins Parlament 2017 konnte sie noch nie einen Bundestags-Vizepräsidenten stellen. Die anderen Fraktionen verweigerten den Kandidaten stets die nötige Mehrheit, der Posten blieb dann frei. Im für die Geheimdienste zuständigen Parlamentarischen Kontrollgremium hat die AfD aus gleichem Grund keinen Sitz.
Auch bei den Vorsitzen der normalen Bundestags-Ausschüsse hatte die AfD nicht immer einen Posten. Lediglich in ihren ersten Parlamentsjahren stellte die Partei des Vorsitzenden des Haushaltsausschusses. Eine Klage der AfD vor dem Bundesverfassungsgericht, dass die Partei keinen Vorsitz-Posten erhalten hatte, wurde abgewiesen. Im neuen Bundestag müssen die Ausschussvorsitzenden noch gewählt werden.
Der Umgang mit der zweitstärksten Kraft wird den Beginn des neuen Bundestags weiterhin beschäftigen. Bislang erhalten die Grünen und Linken die sogenannte Brandmauer auch in der Opposition aufrecht.
Zuletzt scheiterte allerdings eine Sondersitzung des Deutschen Bundestags daran, dass sämtliche Oppositionsparteien nicht mit der AfD stimmen wollten. Die Sitzung zum Umgang mit US-Präsident Donald Trumps Finanzpolitik und Zollpaketen kam nicht zustande.