Newsletter Newsletters Events Veranstaltungen Podcasts Videos Africanews
Loader
Finden Sie uns
Werbung

Mehrheit verfehlt, Machtfrage offen: Merz kämpft um das Kanzleramt

Friedrich Merz nach dem ersten Wahlgang im Bundestag, bei dem er nicht die erforderlichen Stimmen für die Kanzlerschaft erhalten hat, 6. Mai 2025.
Friedrich Merz nach dem ersten Wahlgang im Bundestag, bei dem er nicht die erforderlichen Stimmen für die Kanzlerschaft erhalten hat, 6. Mai 2025. Copyright  Markus Schreiber/Copyright 2025 The AP. All rights reserved
Copyright Markus Schreiber/Copyright 2025 The AP. All rights reserved
Von Johanna Urbancik
Zuerst veröffentlicht am Zuletzt aktualisiert
Diesen Artikel teilen Kommentare
Diesen Artikel teilen Close Button

Friedrich Merz ist im ersten Wahlgang als Kanzler durchgefallen: ihm fehlten Stimmen aus den eigenen Reihen. Nun wird erneut abgestimmt.

WERBUNG

CDU-Chef Friedrich Merz sollte heute zum Bundeskanzler gewählt werden, doch er verfehlte die erforderliche Mehrheit von 316 Stimmen im ersten Wahlgang.

Nun wird ein zweites Mal gewählt. Es bleibt spannend: wird Merz noch heute Bundeskanzler?

Hat das Scheitern im ersten Wahlgang Folgen für Merz’ Kanzlerambitionen?

Der Politikwissenschaftler Dr. Benjamin Höhne würde die Abstimmung heute nicht überbewerten. "Wenn es in der zweiten Runde klappt, wäre das ein Dämpfer oder ein Signal gewesen, mehr aber auch nicht", meint der Politikwissenschaftler.

Der Politikwissenschaftler Dr. Martin Florack hingegen weist darauf hin, dass es zwei Perspektiven gebe, ob die gescheiterte Wahl ein großes Defizit sei oder nicht.

"In vielen anderen europäischen Ländern, und auch darüber hinaus, sehen wir, dass Regierungsbildungen oft sehr mühselig sind", erklärt er. Insofern werden sich viele europäische Länder in diese Situation hineinversetzen können, meint der Experte.

Auf der anderen Seite war die Erwartung dieser Regierung, und insbesondere von Friedrich Merz, eine ganz andere. So bekräftigte Merz mehrmals, dass eine Regierung mit ihm als Kanzler stabile Verhältnisse anstrebe: ein funktionierendes Zweierbündnis, Verlässlichkeit und Verantwortung für Deutschland.

"Die Latte lag also hoch und darunter ist man nun krachend durchgefallen", ergänzt Florack. Insofern gäbe es dem Politikwissenschaftler zufolge beide Sichtweisen.

"Trotzdem ist es kein Drama, das die Welt aus den Angeln hebt. Es gibt einen zweiten Wahlgang, bei dem wir ein Ergebnis sehen werden. Und selbst wenn Friedrich Merz im zweiten Wahlgang nicht gewählt wird, gibt es zahlreiche Optionen: andere Kandidaten, ein Einschreiten des Bundespräsidenten, neue Vermittlungsversuche. Es ist also keineswegs das Ende der Möglichkeiten. Die Vorstellung, dass schon jetzt die Zeit davonrennt und die geschäftsführende Bundesregierung nicht einmal mehr 24 Stunden tragfähig wäre, halte ich für überdramatisiert", erklärt Dr. Florack.

Friedrich Merz gibt seine Stimme ab, Dienstag, 6. Mai 2025.
Friedrich Merz gibt seine Stimme ab, Dienstag, 6. Mai 2025. Markus Schreiber/Copyright 2025 The AP. All rights reserved

Wer hat gegen Merz gestimmt?

Wer bei der ersten Wahl gegen Merz gestimmt hat, lässt sich aufgrund der geheimen Wahl nicht nachvollziehen. Politikwissenschaftler Benjamin Höhne vermutet gegenüber Euronews allerdings, dass die fehlenden Stimmen aus den eigenen Reihen der CDU stammen könnten.

"Im Grunde sind zwei Lager denkbar, wenn wir nur auf die CDU schauen", erklärt er. "Einerseits sind dies die Marktliberalen in der Union, denen die Kreditaufnahme über das Sondervermögen ein Dorn im Auge ist." Höhne ist der Meinung, dass dies eine mögliche Interpretation wäre, da es "große Unzufriedenheit in der Partei" gäbe.

"Das zweite Lager sind die Merkelianer, die ein Problem mit dem konservativen Merz haben", so Höhne. Sollte die Kanzlerwahl im zweiten Anlauf gelingen, würde der Politikwissenschaftler die heutige gescheiterte Abstimmung politisch nicht überbewerten.

Die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin, Dienstag, 6. Mai 2025.
Die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin, Dienstag, 6. Mai 2025. Markus Schreiber/Copyright 2025 The AP. All rights reserved

Politikwissenschaftler Professor Dr. Martin Florack hingegen hält es für möglich, dass sich die Gründe für das Scheitern im ersten Wahlgang bei allen drei Regierungspartnern finden lassen. Dahinter könnten Unionsanhänger stehen, die Friedrich Merz bis heute verübeln, dass er sie in der vergangenen Legislaturperiode durch eine gemeinsame Abstimmung mit der AfD in eine Zwangslage gebracht habe, so Florack.

Möglicherweise handelt es sich aber auch um Abgeordnete, die seinen aktuellen Kurs in der Haushaltspolitik ablehnen, "insbesondere die Aushebelung der alten Schuldenbremsenregelung".

"Auch die CSU könnte ein Zeichen setzen wollen, um ihrem Unmut gegenüber der großen Schwesterpartei Ausdruck zu verleihen", fügt Florack hinzu. Seiner Einschätzung nach gibt es jedoch auch innerhalb der SPD Gründe, Merz die Stimme zu verweigern.

Der Wahlkampf war stark polarisiert, die Angriffe der Spitzenkandidaten teils sehr persönlich. Rolf Mützenich warf dem möglicherweise künftigen Kanzler sogar vor, "die Tore zur Hölle geöffnet" zu haben, als er mit der AfD abstimmte, ergänzt Florack.

Kurzum: Die Motive finden sich in allen politischen Lagern. Der Politikwissenschaftler Florack sagt, jeder versuche, "sich die Hände in Unschuld zu waschen."

Zu den Barrierefreiheitskürzeln springen
Diesen Artikel teilen Kommentare

Zum selben Thema

Deutschland hat eine neue Regierung

Merz scheitert im ersten Wahlgang: Wie geht es jetzt weiter?

Ära Trump: Merz will Beziehungen zu Frankreich und Polen wiederbeleben